Wenn das Homeoffice teuer wird
Für Grenzpendler drohen massive Einbußen, wenn sie mehr als einen Tag pro Woche von Zuhause arbeiten wollen
Im Frühsommer könnte sich nach dem kräftezehrenden Corona-Jahr für die Arbeitnehmer in Luxemburg zumindest ansatzweise wieder so etwas wie Normalität einstellen. Aber es kann sein, dass diese neue Normalität sich doch deutlich von der Normalität von vor der Krise unterscheidet. Ein Bereich, in dem sich das sehr deutlich zeigen könnte, ist das Homeoffice.
Vor der Krise noch eher ein Randphänomen, zeigte eine Erhebung des Statec aus dem Herbst, dass zwischenzeitlich mehr als die Hälfte der Beschäftigten ihrer Arbeit in den eigenen vier Wänden nachgingen. Die Vorteile für Arbeitnehmer liegen auf der Hand: Weniger Stress, Stau und eine bessere Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben. Wenige Unternehmen dürften daher zu der strengen Präsenzkultur zurückkehren, ist es doch ein bequemer Weg, gleichzeitig die Mitarbeiterzufriedenheit zu erhöhen und die Mietkosten zu senken, wenn nicht mehr für 100 Prozent der Beschäftigen ein Arbeitsplatz bereitgestellt werden muss.
Was aber für Firmen und Arbeitnehmer aus Luxemburg eine WinWin-Situation bedeutet, stellt die knapp 200 000 Grenzpendler vor eine schwierige Wahl: Von den günstigeren Steuern und Sozialabgaben in Luxemburg profitieren oder die Vorteile des Homeoffice nutzen. Beides zur gleichen Zeit wird wohl nicht möglich sein.
Jeder Gang zum Briefkasten zählt
Vor der Pandemie war die Rechtslage eindeutig: Arbeitnehmer aus Deutschland durften bis zu 19 Tage außerhalb Luxemburgs arbeiten, ohne Steuern in ihrem Wohnsitzland abführen zu müssen. Die Grenze liegt für Belgien bei 24 und für Frankreich bei 29 Tagen. Wenn die jeweilige Tagesgrenze überschritten ist, das heißt beispielsweise für Frankreich ab dem dreissigsten Tag) fällt die Besteuerung für die außerhalb Luxemburgs gearbeiteten Arbeitszeit im Wohnsitzland an.
Derzeit sind diese Regelungen für die Dauer der Pandemie ausgesetzt. Die Abmachung zwischen Deutschland und Luxemburg sieht vor, dass die Ausnahmeregelungen jeden Monat automatisch für einen weiteren Monat verlängert werden, wenn nicht einer der Vertragspartner das Abkommen eine Woche vor Ablauf auflöst. „Mit Belgien wurde die Abmachung bis zum 30. Juni 2021 verlängert. Mit Frankreich laufen gerade ebenfalls Gespräche, um das Abkommen zu verlängern“, schreibt das Finanzministerium auf Anfrage.
Aber irgendwann wird die Ausnahmeregelung auslaufen und die Tagesgrenzen werden wieder gelten. Diese Grenze ist schnell erreicht, denn die Handhabung ist relativ strikt. „In der Verständigungsvereinbarung mit Deutschland wurde festgelegt, dass man für den luxemburgischen Arbeitgeber maximal 19 Tage im Ansässigkeitsstaat beschäftigt sein darf, ohne dass dies steuerliche Konsequenzen
hat. Dabei wird jede Berührung mit dem Ansässigkeitsstaat bereits als „Auslandstag“gewertet. Ein kurzer Kundentermin auf deutschem Boden oder der Einkauf für das Unternehmen in einem deutschen Geschäft wird bereits als Zähltag gewertet“, erklärt Johannes Stolz, Partner bei Herrmann & Partner, Fiduciaire Comptable, in Wasserbillig. „Sobald die Bagatellgrenze von 19 Tagen erreicht ist, erfolgt eine zeitanteilige Aufteilung der gesamten Arbeitszeit. So werden nur die tatsächlich in Deutschland verbrachten Arbeitsstunden auch in Deutschland versteuert“, so Stolz.
Der Arbeitnehmer reicht dann eine Aufstellung der in Luxemburg und im Wohnsitzstaat geleisteten Arbeitszeit mit seiner Jahressteuerabrechnung bei den jeweiligen Finanzämtern ein. In Deutschland führt dies zu einer Steuernachzahlung und in Luxemburg zu einer Rückerstattung, sofern der Arbeitnehmer seinen vollständigen Arbeitslohn in Luxemburg versteuert hat.
Ohne die Berücksichtigung weiterer Einkünfte oder Sonderausgaben ergäbe sich für einen Arbeitnehmer, der in Deutschland lebt, mit einem Homeofficetag pro Woche bei einem Bruttogehalt in Höhe von 100 000 Euro ein Steuernachteil in Höhe von 1 190 Euro. Bei 55 000 Euro Gehalt müsste er 695 Euro und bei 30 000 380 Euro mehr Steuern zahlen, rechnet Stolz vor. Unter der Berücksichtigung etwaiger Sonderausgaben wie Beiträge zu Versicherungen, kann der Arbeitnehmer diese Steuernachteile jedoch noch reduzieren. Auf den ersten Blick sind das verkraftbare Beträge. Schwierig wird es aber,
Die Finanzämter führen zunehmend Kontrollen durch. Johannes Stolz, Herrmann & Partner
wenn ein Arbeitnehmer mehr als einen Wochentag von Zuhause arbeiten möchte. Ist er nämlich mehr als 25 Prozent seiner Arbeitszeit in seinem Wohnsitzland tätig, führt er auch seine Sozialabgaben dort ab und fällt aus dem luxemburgischen Sozialsystem. Das bedeutet, er zahlt im Wohnsitzland in die Rentenkasse ein, ist dort krankenversichert und hat nur dort einen Anspruch auf Kindergeld. „Man ist grundsätzlich nur in einem Land sozialversichert. Eine Aufteilung
der Sozialversicherungsbeiträge bei Überschreiten der 25–Prozent-Grenze ist nicht möglich“, sagt Stolz. Aber gerade die Sozialabgaben sind in Luxemburg häufig erheblich geringer als in den Nachbarländern. Ein Arbeitnehmer muss nur etwa 12,4 Prozent des Bruttoeinkommens im Großherzogtum als Sozialabgaben abführen, im Vergleich zu etwa 20 Prozent in Deutschland. Daher dürfte es in der Praxis für kaum einen Arbeitnehmer attraktiv sein, mehr als einen Homeofficetag einzulegen.
Umgekehrt wäre es für das luxemburgischen Sozialsystem ein Nachteil, wenn die Pendler zuhause blieben. Nach einer Studie vom Statec aus dem Jahr 2019 zahlten „Frontaliers“rund 211 Millionen Euro mehr Sozialbeiträge ein, als sie
Sozialleistungen kassierten. So wird der Arbeitnehmeranteil zur Rentenversicherung inzwischen zur 43,3 Prozent von Grenzgängern geleistet. Für die Pflege- und Unfallversicherung beträgt der Anteil 33,6 beziehungsweise 22,1 Prozent.
Kontrollen der Steuerfahnder
Dabei dürfte für einige Arbeitnehmer die Versuchung groß sein, es drauf ankommen zu lassen und die Tätigkeit im Homeoffice dem Finanzamt einfach zu verschweigen. Dies würde allerdings den Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllen. Die Behörden überprüften schon vor der Krise, von wo der Arbeitnehmer tatsächlich tätig war. „Insbesondere von deutschen Finanzämtern werden bei konkreten Verdachtsfällen zunehmend Kontrollen durchgeführt und vereinzelt Unterlagen von Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Auftraggeber angefordert“, erklärt Johannes Stolz. Grenzpendler werden also zukünftig entscheiden müssen, ob sie entweder empfindliche finanzielle Einbußen hinnehmen oder sich doch wieder in täglichen Berufsverkehr einreihen. In den Unternehmen könnte sich dadurch die Situation einstellen, dass die „Frontaliers“sich in die Büros quälen, während die Kollegen mit Wohnsitz in Luxemburg vom heimischen Küchentisch grüßen. Für die Besteuerung und die Sozialversicherung ist es indes lediglich ausschlaggebend, wo die Tätigkeit ausgeführt wird. Ob das in der Imbißbude hinter dem Grenzübergang geschieht oder in den Büros des Arbeitgebers ist egal, solange die Arbeit auf luxemburgischem Staatsgebiet erledigt wird.