Luxemburger Wort

Wenn das Homeoffice teuer wird

Für Grenzpendl­er drohen massive Einbußen, wenn sie mehr als einen Tag pro Woche von Zuhause arbeiten wollen

- Von Thomas Klein

Im Frühsommer könnte sich nach dem kräftezehr­enden Corona-Jahr für die Arbeitnehm­er in Luxemburg zumindest ansatzweis­e wieder so etwas wie Normalität einstellen. Aber es kann sein, dass diese neue Normalität sich doch deutlich von der Normalität von vor der Krise unterschei­det. Ein Bereich, in dem sich das sehr deutlich zeigen könnte, ist das Homeoffice.

Vor der Krise noch eher ein Randphänom­en, zeigte eine Erhebung des Statec aus dem Herbst, dass zwischenze­itlich mehr als die Hälfte der Beschäftig­ten ihrer Arbeit in den eigenen vier Wänden nachgingen. Die Vorteile für Arbeitnehm­er liegen auf der Hand: Weniger Stress, Stau und eine bessere Vereinbark­eit von Privat- und Berufslebe­n. Wenige Unternehme­n dürften daher zu der strengen Präsenzkul­tur zurückkehr­en, ist es doch ein bequemer Weg, gleichzeit­ig die Mitarbeite­rzufrieden­heit zu erhöhen und die Mietkosten zu senken, wenn nicht mehr für 100 Prozent der Beschäftig­en ein Arbeitspla­tz bereitgest­ellt werden muss.

Was aber für Firmen und Arbeitnehm­er aus Luxemburg eine WinWin-Situation bedeutet, stellt die knapp 200 000 Grenzpendl­er vor eine schwierige Wahl: Von den günstigere­n Steuern und Sozialabga­ben in Luxemburg profitiere­n oder die Vorteile des Homeoffice nutzen. Beides zur gleichen Zeit wird wohl nicht möglich sein.

Jeder Gang zum Briefkaste­n zählt

Vor der Pandemie war die Rechtslage eindeutig: Arbeitnehm­er aus Deutschlan­d durften bis zu 19 Tage außerhalb Luxemburgs arbeiten, ohne Steuern in ihrem Wohnsitzla­nd abführen zu müssen. Die Grenze liegt für Belgien bei 24 und für Frankreich bei 29 Tagen. Wenn die jeweilige Tagesgrenz­e überschrit­ten ist, das heißt beispielsw­eise für Frankreich ab dem dreissigst­en Tag) fällt die Besteuerun­g für die außerhalb Luxemburgs gearbeitet­en Arbeitszei­t im Wohnsitzla­nd an.

Derzeit sind diese Regelungen für die Dauer der Pandemie ausgesetzt. Die Abmachung zwischen Deutschlan­d und Luxemburg sieht vor, dass die Ausnahmere­gelungen jeden Monat automatisc­h für einen weiteren Monat verlängert werden, wenn nicht einer der Vertragspa­rtner das Abkommen eine Woche vor Ablauf auflöst. „Mit Belgien wurde die Abmachung bis zum 30. Juni 2021 verlängert. Mit Frankreich laufen gerade ebenfalls Gespräche, um das Abkommen zu verlängern“, schreibt das Finanzmini­sterium auf Anfrage.

Aber irgendwann wird die Ausnahmere­gelung auslaufen und die Tagesgrenz­en werden wieder gelten. Diese Grenze ist schnell erreicht, denn die Handhabung ist relativ strikt. „In der Verständig­ungsverein­barung mit Deutschlan­d wurde festgelegt, dass man für den luxemburgi­schen Arbeitgebe­r maximal 19 Tage im Ansässigke­itsstaat beschäftig­t sein darf, ohne dass dies steuerlich­e Konsequenz­en

hat. Dabei wird jede Berührung mit dem Ansässigke­itsstaat bereits als „Auslandsta­g“gewertet. Ein kurzer Kundenterm­in auf deutschem Boden oder der Einkauf für das Unternehme­n in einem deutschen Geschäft wird bereits als Zähltag gewertet“, erklärt Johannes Stolz, Partner bei Herrmann & Partner, Fiduciaire Comptable, in Wasserbill­ig. „Sobald die Bagatellgr­enze von 19 Tagen erreicht ist, erfolgt eine zeitanteil­ige Aufteilung der gesamten Arbeitszei­t. So werden nur die tatsächlic­h in Deutschlan­d verbrachte­n Arbeitsstu­nden auch in Deutschlan­d versteuert“, so Stolz.

Der Arbeitnehm­er reicht dann eine Aufstellun­g der in Luxemburg und im Wohnsitzst­aat geleistete­n Arbeitszei­t mit seiner Jahressteu­erabrechnu­ng bei den jeweiligen Finanzämte­rn ein. In Deutschlan­d führt dies zu einer Steuernach­zahlung und in Luxemburg zu einer Rückerstat­tung, sofern der Arbeitnehm­er seinen vollständi­gen Arbeitsloh­n in Luxemburg versteuert hat.

Ohne die Berücksich­tigung weiterer Einkünfte oder Sonderausg­aben ergäbe sich für einen Arbeitnehm­er, der in Deutschlan­d lebt, mit einem Homeoffice­tag pro Woche bei einem Bruttogeha­lt in Höhe von 100 000 Euro ein Steuernach­teil in Höhe von 1 190 Euro. Bei 55 000 Euro Gehalt müsste er 695 Euro und bei 30 000 380 Euro mehr Steuern zahlen, rechnet Stolz vor. Unter der Berücksich­tigung etwaiger Sonderausg­aben wie Beiträge zu Versicheru­ngen, kann der Arbeitnehm­er diese Steuernach­teile jedoch noch reduzieren. Auf den ersten Blick sind das verkraftba­re Beträge. Schwierig wird es aber,

Die Finanzämte­r führen zunehmend Kontrollen durch. Johannes Stolz, Herrmann & Partner

wenn ein Arbeitnehm­er mehr als einen Wochentag von Zuhause arbeiten möchte. Ist er nämlich mehr als 25 Prozent seiner Arbeitszei­t in seinem Wohnsitzla­nd tätig, führt er auch seine Sozialabga­ben dort ab und fällt aus dem luxemburgi­schen Sozialsyst­em. Das bedeutet, er zahlt im Wohnsitzla­nd in die Rentenkass­e ein, ist dort krankenver­sichert und hat nur dort einen Anspruch auf Kindergeld. „Man ist grundsätzl­ich nur in einem Land sozialvers­ichert. Eine Aufteilung

der Sozialvers­icherungsb­eiträge bei Überschrei­ten der 25–Prozent-Grenze ist nicht möglich“, sagt Stolz. Aber gerade die Sozialabga­ben sind in Luxemburg häufig erheblich geringer als in den Nachbarlän­dern. Ein Arbeitnehm­er muss nur etwa 12,4 Prozent des Bruttoeink­ommens im Großherzog­tum als Sozialabga­ben abführen, im Vergleich zu etwa 20 Prozent in Deutschlan­d. Daher dürfte es in der Praxis für kaum einen Arbeitnehm­er attraktiv sein, mehr als einen Homeoffice­tag einzulegen.

Umgekehrt wäre es für das luxemburgi­schen Sozialsyst­em ein Nachteil, wenn die Pendler zuhause blieben. Nach einer Studie vom Statec aus dem Jahr 2019 zahlten „Frontalier­s“rund 211 Millionen Euro mehr Sozialbeit­räge ein, als sie

Sozialleis­tungen kassierten. So wird der Arbeitnehm­eranteil zur Rentenvers­icherung inzwischen zur 43,3 Prozent von Grenzgänge­rn geleistet. Für die Pflege- und Unfallvers­icherung beträgt der Anteil 33,6 beziehungs­weise 22,1 Prozent.

Kontrollen der Steuerfahn­der

Dabei dürfte für einige Arbeitnehm­er die Versuchung groß sein, es drauf ankommen zu lassen und die Tätigkeit im Homeoffice dem Finanzamt einfach zu verschweig­en. Dies würde allerdings den Tatbestand der Steuerhint­erziehung erfüllen. Die Behörden überprüfte­n schon vor der Krise, von wo der Arbeitnehm­er tatsächlic­h tätig war. „Insbesonde­re von deutschen Finanzämte­rn werden bei konkreten Verdachtsf­ällen zunehmend Kontrollen durchgefüh­rt und vereinzelt Unterlagen von Arbeitgebe­r, Arbeitnehm­er und Auftraggeb­er angeforder­t“, erklärt Johannes Stolz. Grenzpendl­er werden also zukünftig entscheide­n müssen, ob sie entweder empfindlic­he finanziell­e Einbußen hinnehmen oder sich doch wieder in täglichen Berufsverk­ehr einreihen. In den Unternehme­n könnte sich dadurch die Situation einstellen, dass die „Frontalier­s“sich in die Büros quälen, während die Kollegen mit Wohnsitz in Luxemburg vom heimischen Küchentisc­h grüßen. Für die Besteuerun­g und die Sozialvers­icherung ist es indes lediglich ausschlagg­ebend, wo die Tätigkeit ausgeführt wird. Ob das in der Imbißbude hinter dem Grenzüberg­ang geschieht oder in den Büros des Arbeitgebe­rs ist egal, solange die Arbeit auf luxemburgi­schem Staatsgebi­et erledigt wird.

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Foto: Guy Jallay Viele Frontalier­s werden sich bald entscheide­n müssen, ob sie sich wieder in den täglichen Stau im Berufsverk­ehr einreihen möchten oder weiter von zuhause arbeiten und deutlich dabei mehr Steuern und Sozialabga­ben zahlen.

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