„Hauptsache zu Haus“
Janosch feiert heute seinen 90. Geburtstag und erinnert sich an seine traumatische Kindheit
Der kleine Bär und der kleine Tiger, so geht eine der bekanntesten modernen Kindergeschichten hierzulande, leben in Ruhe und Zufriedenheit an einem Fluss – bis sie eine leere Bananenkiste aus Panama finden. Die beiden Freunde packt die Sehnsucht nach diesem fremden Land, aus dem die Kiste kommt, einem Ort, der „von oben bis unten nach Bananen riecht“. Tiger und Bär machen sich auf die Suche nach Panama. Zu ihrem spärlichen Gepäck zählt eine Holzente mit Tigerstreifen, die Tigerente.
„Oh, wie schön ist Panama“war der endgültige Durchbruch des deutsch-polnischen Autors und Illustrators Horst Eckert, alias Janosch. Antiautoritäre bis hin zu religiösen Motiven entdeckten die Kritiker in der Geschichte, die 1978 erschien. Mehr als eine Millionen Exemplare wurden seitdem verkauft. Vor allem die Tigerente wurde zu einer Art Markenzeichen. Von Bettwäsche über Fahrradwimpel bis hin zu Trinkflaschen ziert sie die unterschiedlichsten Produkte.
Auch Janoschs Geschichte begann an einem Fluss, seine Kindheit war aber alles andere als ruhig und zufrieden. Am 11. März 1931 wurde der Schriftsteller im oberschlesischen Zabrze, damals Hindenburg, geboren. Der Fluss Scharnafka bildete die Grenze zwischen dem Deutschen Reich und Polen. Sein Vater war schwerer Säufer und schlug seine Mutter. Die prügelte ihren Sohn, wie Janosch seiner Biografin Angela Bajorek berichtet. Auch in der Schule wurde der kränkliche und verängstigte Junge geschlagen und gehänselt. Er war ein Außenseiter.
Als Schüler der Marien-Kongregation in Hindenburg bekam Janosch eine katholische Erziehung. Zuhause bläute ihm vor allem die Großmutter Horrorgeschichten über Hölle und Teufel ein. Seine Mutter, die auf bürgerlichen Aufstieg bedacht war, zeigte sich mit ihrem adrett angezogenen Jungen jeden Sonntag in der Kirche, wo er den gesamten Gottesdienst über stehen musste, wie Bajorek schreibt. Janosch spreche heute von geistlichem Missbrauch, wenn er auf seine Kindheit blicke. „In der Kirche wurden allen Sündern der Teufel und die Hölle zugesichert. Aber jeder Mensch ist ein Sünder“, zitiert ihn Bajorek. Janosch nennt sich selbst bei vielen Gelegenheiten einen Ketzer.
Ein Leben für die Kunst
Im Dritten Reich versuchte sein Vater aus opportunistischen Gründen, seine polnische Herkunft zu verschleiern und sich bei den Nazis einzuschmeicheln. Als der Zweite Weltkrieg vorbei war, zog die Familie in die Region um Oldenburg. Janosch war damals 15 Jahre, sein Bruder Christian vier Jahre alt. Der Teenager besuchte später in Krefeld die Textilfachschule und verdiente fortan Geld mit Stoffentwürfen. Doch Janosch wollte Maler werden. In den 1950er Jahren besuchte er für kurze Zeit die Akademie der Schönen Künste in München, ohne die Ausbildung beenden zu dürfen. „Ich konnte einfach nicht zeichnen“, resümierte der Autor.
Schließlich wurde der Verleger Georg Lentz auf ihn aufmerksam, dem Janosch auch sein Pseudonym verdankt. 1960 erschien sein erstes Kinderbuch „Die Geschichte von Valek dem Pferd“in einer Auflage von 100 Stück. Nur 15 Bücher verkaufte der Verlag, 65 wurden verschenkt.
Mittlerweile stammen mehr als 150 Bücher aus Janoschs Feder – darunter ein paar Romane für Erwachsene -, die zum Teil in rund 30 Sprachen übersetzt wurden. Etliche Jahre brauchte der Autor und Illustrator viel Alkohol, um zu schreiben. „Ich trink einen, so einen kleinen, und dann tut sich alles von allein“, erklärte Janosch in der Dokumentation „Da, wo ich bin, ist Panama“des SWR. „Er trank, um sich Mut zu machen, und glaubte, sein Strich werde dadurch kühner“, schreibt Bajorek. Während das Manuskript für den autobiografischen Roman „Cholonek
oder Der liebe Gott aus Lehm“entstand, leerte Janosch angeblich 41 Flaschen Gin.
1980 brach der Schriftsteller schließlich zusammen und flüchtete auf die Inseln Spaniens. Heute führt er auf Teneriffa ein abgeschiedenes Leben mit seiner Frau Ines. Der Janosch film & medien AG habe er die Zusammenarbeit gekündigt, nachdem die Tigerente auf immer mehr Produkten auftauchte, erklärt seine Biografin. Dabei habe er es aber verpasst, sich seine Rechte zu sichern. Janosch lebe unter anderem von aktuellen Ausstellungen seiner Bilder.
In den vergangenen Jahren hat der Künstler immer wieder gesagt, dass er in seiner Heimatstadt Zabrze begraben werden will – trotz der traumatischen Kindheit. Dieser Wunsch erinnert das Ende von „Oh, wie schön ist Panama“: Der kleine Bär und der kleine Tiger kommen nämlich genau dort wieder heraus, wo sie losgelaufen sind. „Ich habe immer Heimweh nach Zabrze“, sagt Janosch. „Auch die Wanzen würden mich nicht besonders ärgern. Hauptsache zu Haus.“KNA