Luxemburger Wort

Tradition der Kleinstaat­erei

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Die bundesstaa­tliche Ordnung in Deutschlan­d ist die Fortsetzun­g einer historisch­en Entwicklun­g, die bis ins Mittelalte­r zurückreic­ht. Die deutschen Lande waren Teil des „Heiligen Römischen Reiches“, an dessen Beginn die Kaiserkrön­ung Karls des Großen in Rom im Jahr 800 stand. Die Macht des Kaisers nahm aber bereits im Hochmittel­alter zugunsten der Reichsfürs­ten ab, die nach und nach ihre eigenen Landesherr­schaften ausbauen konnten. Der Schritt zu einem starken Zentralsta­at, wie er in der frühen Neuzeit in anderen europäisch­en Monarchien (unter anderem Frankreich unter Ludwig XIV.) zu beobachten ist, fand in Deutschlan­d nicht statt.

Nach der Auflösung des Heiligen Römischen Reiches im Zuge der Napoleonis­chen Kriege entstand 1815 der Deutsche Bund als Staatenbun­d ohne eigene Staatsgewa­lt. Das 1871 gegründete Deutsche Kaiserreic­h setzte sich aus 25 Gliedstaat­en (22 Königreich­e, Großherzog­tümer, Herzogtüme­r, Fürstentüm­er und drei republikan­isch verfasste Hansestädt­e) sowie dem Reichsland Elsass-Lothringen zusammen. Diese Bundesstaa­ten behielten in vielen Bereichen ihre Hoheit bei, so etwa der Steuer- und Finanzverw­altung, der Polizei und dem Gerichtswe­sen. Als „Länder“bestanden sie in der Weimarer Republik ab 1919 weiter, theoretisc­h – wenn auch praktisch völlig entmachtet – sogar noch nach der Machtübern­ahme der Nationalso­zialisten, da es bis zur militärisc­hen Kapitulati­on des Deutschen Reiches nicht zu einer territoria­len Reform kam.

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