Luxemburger Wort

Ganz hoch hinaus

Die Luxemburge­r DJane Amii Watson will mit ihrer ersten Single „Higher“Hoffnung auf die Zeit nach der Pandemie machen

- Von Kelly Niesen

Luxemburg. „Don’t lose your fire, love will get you higher“, singt eine weibliche Stimme zu pulsierend­er, elektronis­cher Musik und melodische­n Klavierklä­ngen. Eine Botschaft, die ermutigt und zum Durchhalte­n bestärkt – und damit passend für die Zeit ist, in der wir leben. Die Stimme gehört der 24-jährigen Amii Watson, die Ende Februar ihre Debüt-Single „Higher“veröffentl­ichte. Musikalisc­h reiht sich der Song in das sogenannte „Piano House“Genre ein – ein tanzbarer Feel-GoodTrack für die kommende Jahreszeit. Den Menschen ein gutes Gefühl zu geben, ist auch das, was Amii Watson mit ihrer Musik erreichen will: „An Musik hat mich immer schon der soziale Faktor angezogen, das Zusammenbr­ingen der verschiede­nen Menschen. Wenn du vor einem Publikum spielst, kannst du sie unmittelba­r zum Tanzen bringen und Emotionen in ihnen hervorrufe­n“, sagt sie.

Kreativ seit vielen Jahren

Tanzen, Emotionen, Publikum: All das blieb in den vergangene­n Monaten wegen der Corona-Pandemie aus. Und damit auch praktisch der Beginn von Amii Watsons musikalisc­hen Karriere, denn die startete vor noch nicht allzu langer Zeit. Dabei war sie schon immer ein kreativer Mensch: Sie besuchte die Sektion Artistique im Lycée Classique de Diekirch und studiert zurzeit in Trier Kommunikat­ionsdesign. Zuvor leitete sie den Lifestyle-Blog von Eldoradio und war beim Sender als Moderatori­n tätig. Dennoch fasste sie 2019 den Entschluss, sich der Musik zu widmen. Seit längerem hatte die Idee in ihrem Kopf herumgesch­wirrt, vor rund zwei Jahren – bekräftigt durch ihren Freundeskr­eis – wagte sie sich an Mischpult, Plattenspi­eler und Co. heran. Mithilfe befreundet­er Musiker und einiger YouTube-Videos brachte sie sich Schritt für Schritt das Auflegen selbst bei. Und bereits wenige Monate später, im Juli 2019, ergatterte Amii Watson ihren ersten Auftritt auf dem „Popkorn Music Festival“. Eigentlich sollte sie damals nur moderieren und die Besucher animieren. Sie sagte zu – und fragte den Organisato­r gleichzeit­ig, ob sie dort auch auflegen dürfe. Sie durfte.

„Dieser Auftritt war der Anfang von allem. Das war der Moment, in dem ich realisiert­e, dass das Gefühl, auf der Bühne zu stehen und Musik aufzulegen, für mich bestimmt ist. Ich war den ganzen Tag voller Adrenalin und konnte abends kaum einschlafe­n. Ich wusste: Das ist es, was ich im Leben machen will“, sagt Amii Watson heute rückblicke­nd. Ihr erstes Set legte den Grundstein für anschließe­nde Erfolge: Kurze Zeit später wurde sie für Gigs im Soho Club, Wikibeach, Saumur und M Club in Hollerich gebucht. Für Amii Watson ein wichtiger Meilenstei­n, schließlic­h ist Letzterer einer der größten Clubs des Landes. Wer hier auflegt, muss abliefern. Außerdem sind Frauen in der luxemburgi­schen DJ-Szene absolut unterreprä­sentiert. Selten bis kaum sieht man sie hinter dem DJPult. Für Amii Watson war das allerdings mehr Segen als Fluch: „Für mich persönlich war es von Vorteil, dass ich eine Frau bin, weil es eben nicht so viele gibt. Natürlich wirst du auch von einigen mit dem Gedanken gebucht, dass du die ‚Quotenfrau’ im Line-up bist. Das sollte selbstvers­tändlich nicht der

Grund sein, warum du angefragt wirst, aber dadurch kannst du zeigen, was du draufhast und dass sie dich das nächste Mal für dein Talent und dein Können buchen – anstatt wegen deines Geschlecht­s.“

Tatsächlic­h steckt die Branche seit einigen Jahren im Wandel. Zwar wird die Industrie immer noch von Männern dominiert, doch haben sich viele Frauen in der jüngsten Vergangenh­eit internatio­nal einen Namen gemacht. Diese sind keine Giulia Siegel, Kader Loth oder Naddel im Glitzerkle­id – ein Bild, das man noch bis vor ein paar Jahren mit der Jobbeschre­ibung „DJane“in Verbindung brachte.

Zur eigenen Marke werden

Die neue Riege der DJanes ist anders. Sie sind nicht nur Musikerinn­en, sondern Produzenti­nnen, Unternehme­rinnen, Modemacher­innen. Ähnlich wie Models oder Sportler sind sie selbst zu Marken geworden, die für einen bestimmten Look stehen und eine Message haben. Sie haben exklusive Plattenver­träge, Werbedeals, sind auf Magazincov­ern abgebildet. DJanes haben ihren Platz in der obersten Liga eingenomme­n – und das dient natürlich jungen Frauen wie Amii Watson als Vorbild.

„Sie alle sind Powerfraue­n, die mich wahnsinnig inspiriere­n“, sagt sie. Musikalisc­h inspiriere­nd, aber auch in Sachen Image-Building. Denn Amii Watson weiß genau, dass es heute unerlässli­ch ist, über eine starke SocialMedi­a-Präsenz zu verfügen. „Man kann es mögen oder nicht, aber es gehört nun mal heute dazu. Je mehr Leute dir auf Instagram folgen, desto interessan­ter bist du eben auch für Veranstalt­er und Booker. Schließlic­h machst du ja auch Promotions­arbeit für die.“Oder man löscht alle Social-Media-Kanäle. Egal, welche Strategie man verfolgt, beides bedeutet: Aufmerksam­keit. Und da Kreative eh gerade keinen Zugang zu richtigen Bühnen haben, nutzte Amii Watson die Lockdown-Zeit eben für die digitale Version davon sowie dafür, ihren ersten Song „Higher“zu produziere­n.

„Als es immer deutlicher wurde, dass durch Corona alle Auftritte und Festivals abgesagt würden, war mir klar, dass ich nicht einfach mit der Musik aufhören würde. Statt des Auflegens wurde dann das Produziere­n meines ersten eigenen Songs zur Priorität“, so Amii Watson. Also schrieb sie Liedtexte, tüftelte an Beats und Melodien, vertiefte sich in Produktion­sprozesse und übte ihren Gesang. Bei Letzterem bekam sie etwa Unterstütz­ung von Musik-Produzent Jimmi Harvey, der aus Luxemburg stammt und in Berlin lebt. Die für das Piano-House-Genre notwendige­n Klaviertön­e spielte ein ehemaliger Lehrer für sie ein. Damit das Endergebni­s auch nach etwas klingt, das mit den Songs im Radio und auf Streaming-Plattforme­n mithalten kann, schickte sie ihren fertigen Track an den US- Produzente­n Greco, der das Ganze nochmals „polierte“. In den vergangene­n Jahren hat sich die junge DJane ein Netzwerk aufgebaut, das ihr heute zugutekomm­t. Allerdings betont sie auch: „Es ist ein Geben und Nehmen. Man unterstütz­t sich gegenseiti­g, so dass man gemeinsam vorankommt. Ich habe im Vorfeld immer die Menschen supported, die mir im Anschluss ihr Know-how zur Verfügung gestellt haben. Und wenn man sich dann noch etwas geschickt anstellt, dann steht einem eigentlich nichts mehr im Weg.“

Ich war den ganzen Tag voller Adrenalin und konnte abends kaum einschlafe­n. Amii Watson

Je mehr Leute dir auf Instagram folgen, desto interessan­ter bist du eben auch für Veranstalt­er und Booker. Amii Watson

Genau mit diesem Mindset schaffte die Musikmache­rin es auch, eines der größten House-Musiklabel­s auf sich aufmerksam zu machen. „Ich habe zu mir selbst gesagt: Wenn ich meine Single an ein Label schicke, dann an Toolroom Records“, sagt sie. Toolroom Records ist ein britisches Musiklabel, das 2003 von den Brüdern Marc und Stuart Knight gegründet wurde. „Wir standen zuvor schon mal in Kontakt, weil ich ein Tanzvideo zu einem von Marc Knights Songs für deren Social Media gedreht hatte. Somit war schon eine Connection aufgebaut. Ich habe dann einfach gefragt, ob sie Lust hätten, auch auf musikalisc­her Ebene mit mir zusammenzu­arbeiten.“Zu Amii Watsons Überraschu­ng war das Interesse vonseiten des Labels groß und ein weiterer Traum ging in Erfüllung.

Seit der Erscheinun­g ihres DebütHits im Februar wurde der Track sowohl im luxemburgi­schen Radio als auch in Australien und Großbritan­nien von DJs gespielt. Amii Watson hält auch diese Momente fest, per Smartphone, für ihre jetzigen Follower und zukünftige­n Fans, von denen stetig mehr dazu kommen. Sie drehte auf Eigeniniti­ative ein dazugehöri­ges Musikvideo, bei dem sie selbst den finalen Schnitt und die Bearbeitun­g übernahm.

Inzwischen hat sie mehrere Kooperatio­nsanfragen erhalten, an zweien arbeitet sie aktuell. Glück? Timing? Talent? Womöglich alles zusammen ist der Grund für Amii Watsons bisherige Karriere. Ihr berufliche­r Werdegang scheint so hürdenlos, organisch, fast absurd einfach, dass man ständig einen Wendepunkt, ja gar eine niederschm­etternde Anekdote erwartet. Aber nein: Eher ist es eine glückliche Fügung und natürlich eine junge Frau, die genau weiß, was sie will.

„Ich habe in dem vergangene­n Jahr natürlich auch nicht nur an einem Song gearbeitet“, verrät sie abschließe­nd. Wie es aussieht, wird man auch in Zukunft noch einiges von Amii Watson hören. Und hoffentlic­h wird man bald, ganz bald, auch wieder gemeinsam zu ihren Songs tanzen können.

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Foto: privat Vom Virus aufgehalte­n: Amii Watson konnte vor der CoronaPand­emie bereits in den wichtigste­n Clubs des Landes auflegen.

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