Luxemburger Wort

Zu Ende, aber nicht vorbei

- Von Dani Schumacher

Vor einem Jahr überschlug­en sich die Ereignisse. Am 16. März wurden wegen der CoronaPand­emie die Schulen geschlosse­n und das öffentlich­e Leben weitestgeh­end herunterge­fahren. Einen Tag später kam die Hiobsbotsc­haft: Ab dem 18. März gilt der Notstand.

Angesichts einer sanitären Bedrohung, deren Ausmaß zu dem Zeitpunkt niemand wirklich einschätze­n konnte, war dieser ebenso drastische wie dramatisch­e Schritt alternativ­los. Das Parlament trug den Notstand denn auch geschlosse­n mit, verlängert­e ihn gar um drei Monate und ließ damit der Exekutive freie Hand, um das Land mittels Verordnung­en schnell und möglichst sicher durch eine akute Krise zu führen.

Am 24. Juni 2020 lief die Frist aus. Doch der Spuk ist längst nicht vorbei. Der Notstand wirkt bis heute nach. Mehr als ein Jahr nach dem Beginn der Pandemie werden die Grundrecht­e immer noch stark beschnitte­n. Denn das Infektions­geschehen macht eine Verlängeru­ng, gar eine Verschärfu­ng der Restriktio­nen immer wieder erforderli­ch. Das hinterläss­t tiefe Spuren. Nach einem Jahr hat die gesamte Gesellscha­ft mit den Langzeitfo­lgen zu kämpfen – wirtschaft­lich, sozial, psychologi­sch. Dabei ist Luxemburg bislang noch mit einem blauen Auge davongekom­men. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern konnten die Bürger im Frühjahr und während der zweiten Welle ihre Wohnungen stets verlassen, sie wurden zu keiner Zeit „eingesperr­t“. Und der zweite Lockdown fiel mit gerade einmal zwei Wochen relativ moderat aus.

Nicht nur die Bevölkerun­g leidet, auch die Demokratie hat Kratzer abbekommen. Sicher, Luxemburg ist eines der wenigen Länder, die den langsamen und beschwerli­chen parlamenta­rischen Weg gegangen sind. Einmal abgesehen von den Regeln im Bildungsbe­reich, wurde jede noch so kleine Corona-Maßnahme vom Parlament legitimier­t. Zumindest rein formal. Denn die Praxis sieht leider anders aus. Weil eine Pandemie keinen Verzug duldet, wurden die zehn Covid-Gesetze fast ausnahmslo­s in aller Eile durch die Abgeordnet­enkammer gepeitscht. Eine parlamenta­rische Arbeit, die ihren Namen wirklich verdient, war und ist kaum möglich. Das Parlament arbeitet pflichtbew­usst und in der gebotenen Eile das Pensum der Regierung ab. Seiner Kontrollfu­nktion gegenüber der Exekutive kann es nur in sehr begrenztem Maß nachkommen.

Doch haben die Abgeordnet­en überhaupt eine andere Wahl? Jein! An dem ihnen zugestande­nen Zeitfenste­r können sie nichts ändern, das Virus gibt den Takt vor und verzeiht keine Verzögerun­gen. Doch die Art und Weise, wie sie mit den Texten umgehen, können sie selbst bestimmen. Da wäre es schon hilfreich, wenn sich die Mehrheitsp­arteien nicht als Teil der Regierung begreifen und klaglos alles durchwinke­n würden, was die Exekutive ihnen vorlegt. Und die Opposition wäre gut beraten, wenn sie sich von ihrer Frontalkri­tik verabschie­den und sich stattdesse­n konstrukti­v und mit an die Realität angepasste­n Lösungen einbringen würde. Für beide Seiten gilt: Parteipoli­tik ist angesichts des Ernsts der Lage absolut fehl am Platz.

Der Spuk ist längst nicht vorbei. Der Notstand wirkt bis heute nach.

Kontakt: danielle.schumacher@wort.lu

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