Frühstück auf Fränkisch
Am Tag nach den CDU-Debakeln deutet Markus Söder Armin Laschet an, dass Geschichte sich wiederholen könnte
Man kann sich an diesem Montagmorgen mit einer gewissen Berechtigung fragen, wann eigentlich Armin Laschet bei Markus Söder in Nürnberg frühstücken will. Gut, Söder hat keine „Muschi“genannte Gattin, die verschiedene Semmeln, zweierlei Brot, Nektarinen und Ananas, Trauben, drei Käsesorten, Schinken, Eier, frisch gepressten Orangensaft und Kaffee auftischt – so eine mit 15 Jahren Abstand von Karin Stoiber arrangierte Rekonstruktion des Originals von 2002. Karin Baumüller-Söder leitet mit ihrem Bruder ein Familienunternehmen mit 1 800 Mitarbeitern. Aber hungern muss der Armin bei seinem Duz-Parteifreund Markus ganz sicher nicht. Obwohl sich am Tag nach den Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz binnen einem Viertelstündchen ergibt, wie leicht und geschickt der CSU-Vorsitzende dem Chef der ja so viel größeren Schwesterpartei die Butter vom Brot nehmen kann. Und wie gut er dabei ausschaut. Rein machtpolitisch.
Um viertel vor zehn, also zur Zweitfrühstückszeit, geht Söder in München vor die Presse. In Berlin sitzt Laschet da gerade mit dem CDU-Präsidium, rein digital – aber diesmal immerhin in der Parteizentrale. Dass er den Wahltag zunächst in seiner Berliner Landesvertretung und dann dem Vernehmen nach im Kanzlerinamt verbracht hat, ist im Regierungsviertel mit Erstaunen registriert worden – vorsichtig gesagt. Die gängige Interpretation lautet, dass Laschet sich offenbar mehr als Ministerpräsident von NRW verstehe und weniger als Vorsitzender der größten deutschen Regierungspartei. Vom Bewerber um die Kanzlerschaft ganz zu schweigen.
Kein Abo mehr auf das Kanzleramt Das ist, einerseits, ein bisschen gemein. Andererseits wird es bis zum frühen Nachmittag ein paar Momente geben, die wie eine Bestätigung dieser Auslegung wirken. Die Fakten dieses Montags sind: Die CDU hat in zwei ihrer einstigen Stammländer historische Niederlagen kassiert. Und die Koalitionsbildungen dort – in Rheinland-Pfalz ist die rote Ampel sicher, in BaWü die grüne in Rede – widersprechen der schönen alten Autosuggestionsformel der Partei diametral: Dass nämlich die CDU gottgegeben das Kanzleramt besetzt.
2002 hat der Sozialdemokrat Gerhard Schröder diese Gewissheit letztmals richtig ins Wanken gebracht. Für kleinere Erschütterungen aber sorgt – seit der Rückzugserklärung von Annegret Kramp-Karrenbauer vor gut einem Jahr – gern und unregelmäßig: Markus Söder.
Der Bayer steht als Kandidat für die Nachfolge von Angela Merkel so gut in Rede wie der Aachener Laschet. Obwohl er sich, anders als der, nie erklärt hat. Das ändert sich auch an diesem Montag nicht. Aber nur wer Augen und Ohren verschließt, kann Söders Morgenauftritt nicht als Kampfansage verstehen. Noch ehe er in die CSUPräsidiumssitzung geht, legt er los – polyglott von Englisch bis Fränkisch. „Abgestraft“heißt er die CDU; Grund: schlechtes Pandemie-„Management“.
Sich selbst nennt Söder in einem Atemzug mit dem grünen BaWüSieger Winfried Kretschmann. Richtung CDU und Laschet aber mahnt er nicht nur, dies sei „ein Wake-up-Call“, denn: „Es gibt theoretisch Mehrheiten jenseits der Union.“Sondern schiebt hinterher: „Wer führen will, wer den Anspruch Nummer 1 hat, muss den Anspruch rechtfertigen. Da hammer noch eine Menge Arbeit vor uns.“Und dann redet Söder noch von „Power, Kraft und Ideen“.
In Bayern sagen sie jetzt – abhängig davon, ob Söder-Fan oder nicht – dass er „a Hund“sei. Oder „a Sau“. Was sie in Berlin sagen, im Konrad-Adenauer-Haus, wird nicht bekannt. Aber natürlich hat Laschet begriffen, dass das eine Breitseite ist. Söder geht vor ihm in die Öffentlichkeit. Stellt Forderungen. Und ihn damit mindestens ein bisschen bloß.
Laschet vermittelt keine Energie
Das meiste hat Laschet allerdings schon selber besorgt. Dass er am Wahlabend unsichtbar geblieben ist, hat das Regierungsviertel erstaunt. Und dass Generalsekretär Paul Ziemiak das mit guter CDUTradition begründet hat, klang eben nicht nach Aufbruch und „vollem Schwung“und was Söder noch so alles ankündigt und verlangt ab sofort. Und es wird nicht besser mit Laschets eigenem Auftritt. Nichts was er sagt, klingt annähernd nach Struktur und Energie und nach Plan. Das geht schon mit der Bewertung der Wahlen los. „Enttäuschend“findet Laschet die Ergebnisse. Söder hat sie als „schwerer Schlag in das Herz der Union“beklagt. Laschet sagt: „Ich erwarte, dass die Bundesregierung gute Arbeit leistet.“Aber zu einer Kabinettsumbildung will er die unwillige Kanzlerin nicht drängen. Und auf die Frage, ob er wirklich am Vorabend bei Merkel war, antwortet er tatsächlich: „Über meine privaten Termine berichte ich selten. Eigentlich nie.“
Was soll Deutschland vom Chef der größten Regierungspartei halten, der in einem halben Jahr Kanzler sein will – seine Unterredungen mit der amtierenden Regierungschefin und Parteifreundin aber zu seiner Privatsache erklärt? Und was macht Söder mit einem Konkurrenten, der so überhaupt nicht auf Touren kommt? Er könnte ihn einladen. Nach Nürnberg. Merkel ist damals von sich aus nach Wolfratshausen gefahren. Glaubt man Edmund Stoiber, soll es sehr harmonisch gewesen sein. Bei Söder stellt man sich nach diesem Montag eher vor, wie er nicht Honigsemmeln verfrühstückt. Sondern den Gast.
Es gibt theoretisch Mehrheiten jenseits der Union. CSU-Chef Markus Söder