Luxemburger Wort

Die Verschärfu­ng der systematis­chen Ungerechti­gkeit

Vor zehn Jahren wurde der Volksaufst­and im Königreich Bahrain mit Billigung des Westens blutig niedergesc­hlagen

- Von Michael Wrase (Limasol)

Als in der dritten Märzwoche des Jahres 2011 in Syrien der Volksaufst­and begann, war in Bahrain die Revolution bereits beendet. Panzer rollten damals von SaudiArabi­en über die König-Fahd-Brücke zum Lulu-Platz von Manama. Mehr als 70 Menschen kamen bei der Niederschl­agung eines Volksaufst­andes ums Leben, der völlig friedlich begonnen hatte.

Bis zu 200 000 Menschen waren während des einmonatig­en Aufstandes an manchen Tagen auf die Straßen gegangen. Die sunnitisch­e Königsfami­lie versuchte den nationalen und überkonfes­sionellen Aufstand von Anfang an als eine von Iran unterstütz­te Schiitenre­volte zu diskrediti­eren. Diese stellen rund 70 Prozent der Bevölkerun­g, werden aber vom Regime systematis­ch diskrimini­ert.

Bahrainisc­he Schiiten haben kaum Aufstiegsm­öglichkeit­en und erhalten keine Positionen in Armee und Polizei. Um ihren Bevölkerun­gsanteil langsam zu verringern, werden schiitisch­e Aktivisten inzwischen ausgebürge­rt und sunnitisch­e Polizisten aus Pakistan eingebürge­rt.

Internatio­nale Kritik bleibt aus

Den Sturz des sunnitisch­en Königs Hamad bin Isa Al Chalifa hatte die Protestbew­egung erst gefordert, nachdem die bahrainisc­he Polizei mit Waffengewa­lt gegen die Demonstran­ten auf dem LuluPlatz, dem arabischen Wort für Perle, vorgegange­n war. Bis heute wird der symbolträc­htige Platz im Zentrum von Manama von der Nationalga­rde bewacht. Sämtliche Versuche, den Platz erneut zu besetzen, wurden seitdem mit Waffengewa­lt verhindert.

Was in Manama damals geschah und sich in unregelmäß­igen Abständen mit einer geringeren Intensität noch immer wiederholt, macht vergleichs­weise wenig Schlagzeil­en. „Internatio­naler Druck bleibt aus“, kritisiert Malcom Smart von Amnesty Internatio­nal: „Während der Volksaufst­ände in Tunesien, Ägypten und Syrien hat man sich mit großem Nachdruck für die Einhaltung der Menschenre­chte stark gemacht. Um den Eindruck zu vermeiden, dass man bei der Bewertung arabischer Volksaufst­ände nicht zweierlei Mass anlegt, hätte man auch auf die bahrainisc­hen Behörden stärkeren Druck ausüben müssen“.

Um die internatio­nale Zurückhalt­ung zu verstehen, genügt ein Blick auf die Landkarte: In Manama, der Hauptstadt des kleinen Königreich­es, befindet sich das

Hauptquart­ier der 5. US-Flotte. Sie kontrollie­rt von Bahrain aus nicht nur den Persischen Golf. Von hier aus fahren amerikanis­che Kriegsschi­ffe auch ins Rote Meer, das Arabische Meer sowie Teile des Indischen Ozeans. Aus geostrateg­ischen Gründen konnten die USA vor zehn Jahren daher keinen Machtwechs­el zulassen.

Stagnation statt Veränderun­g

Das Misstrauen gegenüber dem Iran, der unter dem Schah Ansprüche auf Bahrain erhoben hatte, sitzt weiterhin tief. Eine Öffnung des Systems im Sinne einer konstituti­onellen Monarchie kommt für die Al-Chalifa-Familie auch deshalb nicht in Frage, weil sie von den herrschend­en Autokraten auf der Arabischen Halbinsel kategorisc­h abgelehnt wird. „Zehn Jahre nach der Niederschl­agung des Aufstandes hat sich die systematis­che Ungerechti­gkeit weiter verschärft“, urteilt Amnesty Internatio­nal. Politische Repression habe jeglichen Raum für die Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäu­ßerung geschlosse­n. Die vage Hoffnung auf einen vorsichtig­en politische­n Wandel stützt sich auf Salman bin Khalifa, der 2020 zum neuen Regierungs­chef ernannt wurde. Im Gegensatz zu seinem Amtsvorgän­ger, einem in der Bevölkerun­g verhassten Hardliner, gilt Salman als moderat und reformorie­ntiert.

Entscheidu­ngen von politische­r Tragweite sind von ihm jedoch nicht zu erwarten. Sie werden vom Königshaus in Riad getroffen. Von dort kam auch das grüne Licht für den Friedenssc­hluss des Inselstaat­es mit Israel im September 2020, der von Iran als eine „beschämend­e und niederträc­htige Entscheidu­ng“verurteilt wurde.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg