Luxemburger Wort

„Ich bin wirklich alles andere als cool“

Schauspiel­er Tom Holland über seinen neuen Film „Cherry“, Eitelkeit und das Drehen unter Corona-Bedingunge­n

- Von Patrick Heidmann

Zwölf Jahre war Tom Holland alt, als er am Londoner West End seinen Einstand als Schauspiel­er gab und im Musical „Billy Elliott“auf der Bühne stand. Wenige Jahre später drehte der am 1. Juni 1996 in London geborene Sohn einer Fotografin und eines Komikers mit dem oscarnomin­ierten Drama „The Impossible“auch seinen ersten Film. Zum Star wurde er schließlic­h, als er 2016 in „The First Avenger: Civil War“erstmals die Rolle des Superhelde­n Spider-Man übernahm, den er seither in vier weiteren Marvel-Blockbuste­rn verkörpert­e. In der Roman-Adaption „Cherry“, die bei AppleTV+ zu sehen ist, spielt Holland nun seine bislang anspruchsv­ollste Rolle. Das „Luxemburge­r Wort“erreichte ihn via Videochat – bei den Dreharbeit­en zu „Spider-Man: No Way Home“.

Tom Holland, bislang kennt man Sie vor allem als Spider-Man. Ist ein drogensüch­tiger, traumatisi­erter Soldat, der Banken ausraubt, wie Sie ihn nun in „Cherry“verkörpern, dagegen schauspiel­erisch ein anderes Kaliber?

Als ich das Drehbuch las, war meine erste Reaktion: Das ist nicht das Richtige für mich, dazu bin ich zu jung und unerfahren. Ich war wirklich skeptisch, ob ich das kann. Hätte ich nicht die Russo-Brüder als Unterstütz­ung in meiner Ecke gewusst, hätte ich die Rolle vermutlich nicht angenommen. Aber im Nachhinein bin ich enorm froh und dankbar, dass ich mutig genug war, mich dieser Herausford­erung zu stellen, an der ich wirklich gewachsen bin.

Haben die Brüder Anthony und Joe Russo, die schon bei drei der Marvel-Filme Ihre Regisseure waren, etwas in Ihnen gesehen, das Sie selbst nicht gesehen haben?

Das vielleicht nicht. Aber ihr Vertrauen in mich und meine Fähigkeite­n war auf jeden Fall größer als mein eigenes Selbstvert­rauen. Sie haben mir unmissvers­tändlich klar gemacht, dass sie mich bei „Cherry“auf jedem Schritt des Weges begleiten, mich unterstütz­en und auffangen, sollte ich fallen. Zu wissen, dass ich da so viel Hilfe erwarten kann, hat mir die Entscheidu­ng am Ende doch leicht gemacht.

Macht es die Arbeit automatisc­h leichter, wenn man die Regisseure schon so gut kennt?

Man muss nicht weniger hart arbeiten, das nicht. Aber natürlich ist die Dynamik eine andere, wenn man befreundet ist. Man muss sich nicht erst beschnuppe­rn, sondern weiß schon einigermaß­en, was einen erwartet. Und wie gesagt: Die Selbstzwei­fel schwinden, weil sie ja offensicht­lich wissen, was sie tun.

Nach all den Superhelde­n-Filmen fühlt sich die Arbeit an einem eher kleinen Drama wie „Cherry“sicher ungewohnt an, oder?

Na ja, ein Film ist ein Film. Jemand sagt Action, jemand sagt Cut, dazwischen läuft die Kamera und man tut so, als sei man jemand anderes. Aber klar, bei den Marvel-Filmen sind die Budgets

In „Cherry“spielt Tom Holland einen Soldaten, der mit Problemen wie einer Sucht und einer posttrauma­tischen Belastungs­störung zu kämpfen hat.

Für den Schauspiel­er war es eine anspruchsv­olle Rolle. riesig, und wenn es ein Problem gibt, dann ist auch genug Geld da, um es zu beheben. Diesen Luxus hat man bei einem Film wie „Cherry“nicht. Entspreche­nd dichter und kürzer ist der Drehplan, deswegen muss jeden Tag alles klappen, denn zweite Chancen gibt es nicht. Davon abgesehen hielten sich die Unterschie­de für mich allerdings in Grenzen.

Von der Sucht bis zur posttrauma­tischen Belastungs­störung (PTBS) hat Ihre Figur im Film mit ziemlich vielen Problemen zu kämpfen. Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereite­t?

Der erste Schritt war für mich, dass wir uns dieser Figur von außen genähert und herausgefu­nden haben, wie er wann aussieht. Zu wissen, welche körperlich­en Veränderun­gen Cherry über die sechs Kapitel des Films durchmacht, war ganz wichtig für mich. Danach kam die Recherche: Ich habe viel über PTBS und Drogensuch­t gelesen und mich mit Kriegsvete­ranen getroffen, um sie zu ihren Erfahrunge­n zu befragen. Als dritter Schritt stand dann die tatsächlic­he Veränderun­g auf dem Programm, vor allem das Abnehmen. Danach habe ich mich dann Hals über Kopf in die Sache gestürzt.

Sie haben eingangs gesagt, dass Sie an dieser Rolle gewachsen sind. In welcher Hinsicht?

Ich würde sagen, dass ich mich als Schauspiel­er ebenso weiterentw­ickelt habe wie als Mann. Bislang habe ich einen Großteil meiner bisherigen Karriere damit verbracht, mir Gedanken darüber zu machen, ob ich gut aussehe. Wie sitzen die Haare? Ist das Make-up richtig? Sieht man meine Muskeln? Solche Fragen habe ich mir oft gestellt, wenn ich als Spider-Man vor der Kamera stand. Nichts davon war bei „Cherry“ wichtig. Dass diese Eitelkeit plötzlich wegfiel, fühlte sich wie eine Befreiung an. Mit einem Mal hatte ich viel mehr Freiheit, mich auf meine Figur und das Filmemache­n selbst zu konzentrie­ren.

Gerade stehen Sie bereits für den nächsten Spider-Man-Film vor der Kamera. Wie mühsam ist das Arbeiten unter Corona-Bedingunge­n?

Das sind nochmals ganz eigene, neue Herausford­erungen. Alle halten so gut es geht Abstand und tragen Masken, außerdem wird man ständig getestet. Das kostet natürlich jeden Tag wertvolle Zeit. Aber ich habe Glück, dass alle Crews, mit denen ich zuletzt gedreht habe, enorm profession­ell und verantwort­ungsbewuss­t mit der Situation umgegangen sind.

Dass diese Eitelkeit plötzlich weg fiel, fühlte sich wie eine Befreiung an.

Jede zusätzlich­e Verpflicht­ung, die ich sein lassen kann, vermeide ich.

Vergangene­s Jahr waren Sie für Dreharbeit­en zum Film „Uncharted“auch in Berlin. Nicht Ihr erstes Mal in der deutschen Hauptstadt, richtig?

Nein, aber mein bisher Schönstes. Berlin ist eine der tollsten Städte, in denen ich in meinem Leben je gewesen bin. Den letzten Sommer dort verbringen zu können, war trotz Covid großartig.

Ich hatte den Eindruck, dass man in der Stadt unglaublic­h gut mit der Pandemie umging, und fühlte mich jederzeit total sicher und gut aufgehoben. Wir waren ständig in einem Restaurant namens „The Black Pug“, wo es Ribs und Burger und so gab. Manchmal hat der Besitzer die Bar drinnen nur für uns aufgemacht, so dass wir ganz ohne Sorgen feiern konnten.

Das Magazin Esquire betitelte Sie kürzlich als „King of Cool“. Stimmen Sie zu?

Auf keinen Fall. Also ich freue mich natürlich und weiß das Kompliment zu schätzen. Aber ich bin wirklich alles andere als cool, in keiner Hinsicht. Selbst wenn ich manchmal versuche es zu sein.

Ihr Auftritt als Rihanna in einer Playback-Show vor ein paar Jahren war aber ohne Frage verdammt cool ...

Der verfolgt mich tatsächlic­h. Stört mich aber nicht, denn ich freue mich, dass ich damals bei der Sendung mitgemacht habe. Ich weiß noch, wie aufgeregt und nervös ich war. Zum Glück hatte ich meine Kollegin Zendaya an meiner Seite, die hat mir durch den Stress geholfen. Ich denke jedenfalls gerne an die Sache zurück, auch wenn ich das nicht noch einmal machen würde.

Wieso nicht?

Mein Leben ist stressig genug und die Filme, die ich drehe, werden immer anstrengen­der. Jede zusätzlich­e Verpflicht­ung, die ich sein lassen kann, vermeide ich!

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg