Alternativen sind nicht immer besser
Bagheera, eine ehemals geradezu majestätische schwarze Europäische Mischlingskatze, war nur mehr ein Schatten ihrer selbst, als sie von ihren Besitzern endlich zur Sprechstunde gebracht wurde.
Seit Wochen hatte das sonst recht verfressene Tier kaum noch Appetit und döste letztens tagelang nur noch erschöpft vor sich hin. Wenn sie ihr Versteck hinter der Waschküchentür doch mal verließ, um das Katzenklo aufzusuchen, tat sie dies mit bedenklich schwankendem, unkoordiniertem Gangbild. Dazu zitterten abwechselnd ihre Vorder- und Hinterfüße und als großes Geschäft deponierte das abgemagerte Tier nur mehr Durchfallkot ins Katzenstreu. Bagheeras Besitzer vermuteten als Erklärung für den Zustand ihrer Katze eine Infektion mit FIV („Katzen-Aids“), einem Virus, an dem vor einiger Zeit eine Nachbarskatze ganz jämmerlich gestorben war. Eine rasch angesetzte Blutuntersuchung mit unter anderem Schnelltests auf die drei häufigsten KatzenvirusErkrankungen
erbrachte jedoch klar negative Resultate. Allerdings waren die Leberwerte des Samtpföters alarmierend hoch. Wie aus dem Vorbericht der Besitzer hervorging, hatte man, um Bagheera möglichst ohne Chemie und auf natürliche Weise gegen Flöhe und Zecken zu behandeln – und auch zur allgemeinen Fellpflege –, vor drei Monaten damit begonnen, die Katze regelmäßig mit Teebaumöl einzureiben. Tatsächlich hatte man „irgendwo im Internet“erfahren, dass das aromatische Öl des in Australien beheimateten Teebaums (Melaleuca alternifolia) als alternatives Mittel gegen den Befall mit Parasiten angewendet werden könne. Tatsächlich ist die antibakterielle, virusreduzierende und pilzvernichtende Wirkung von Teebaumöl wissenschaftlich erwiesen. Aber erstens enthalten die meisten TeebaumölPräparate meist auch andere Substanzen, die für den Konsumenten oft nicht erkennbar sind. Und zweitens enthält auch pures Teebaumöl Bestandteile, die von Katzen gar nicht oder nur sehr langsam verstoffwechselt werden können. Daher reichern sich diese Stoffe im Organismus der Katze, die sich das Öl mit ihrem Putztrieb vom Fell ableckt, nach und nach an und vergiften sie. Bagheera musste mit Flüssigkeitstherapie und einer behutsamen Entgiftungstherapie während etlicher Wochen langsam wieder ins Leben zurückgeholt werden.