Luxemburger Wort

Impfwunder mit Risiken

Der Erfolg der US-Impfkampag­ne ist ein Ergebnis von Expertise und entschloss­enem Handeln

- Von Thomas Spang (Washington)

Die USA impfen im Rekordtemp­o. Bereits mehr als jeder fünfte Amerikaner hat jeweils mindestens eine Dosis der drei in den USA zugelassen­en Vakzine erhalten. Drei grundlegen­de Weichenste­llungen des neuen Teams im Weißen Haus haben die Situation binnen kürzester Zeit dramatisch verbessert.

Präsident Biden hat die Engpässe bei den Impfstoffe­n durch die Umstellung auf Kriegsprod­uktion verbunden mit massiven neuen Bestellung­en überwunden. Dazu gehört der sanfte Druck auf den Pharma-Riesen Merck, das Vakzin des Konkurrent­en Johnson&Johnson herzustell­en.

Während die Vorgängerr­egierung keinen umfassende­n Plan für die schnelle Verteilung des verfügbare­n Impfstoffs hatte, nutzte das Expertente­am Joe Bidens die Übergangsz­eit zwischen den Wahlen und der Amtseinfüh­rung, um einen zu entwickeln. Mit Massenimpf­ungen in Stadien und auf Großraumpa­rkplätzen, das Einspannen des dichten Netzes der Pharma-Märkte und einer Ausweitung der Berufsgrup­pen, die impfen dürfen. Schließlic­h ordnete sich die neue Regierung den Erkenntnis­sen der Wissenscha­ft unter. Dazu gehört die Rückkehr weltweit anerkannte­r Spitzenkrä­fte in Führungspo­sitionen bei der Zulassungs­stelle für Medikament­e FDA, der Gesundheit­sbehörde CDC und im Weißen Haus selbst. Statt Maulkörben und Desinforma­tion gibt es nun wissenscha­ftlich fundierte Aussagen.

Der mitleidige Blick über den großen Teich nach Amerika, das unter Donald Trump mit mehr als einer halben Million Corona-Toten wie kein anderes westliches Land im Umgang mit der Pandemie versagte, wich blankem Impfneid. Dieser fand in der Beschwerde der Europäisch­en Union über die Entscheidu­ng Bidens ihren Ausdruck, für den US-Markt produziert­e Dosen des Astrazenec­aVakzins vorerst nicht in das unterverso­rgte Europa zu schicken. Dabei muss man wissen, dass die USA diese Impfstoffe zuvor mit der Förderung

ihrer Entwicklun­g in Höhe von 1,3 Milliarden US-Dollar teuer erkauft hatten.

Bidens Verspreche­n

Und Biden steht im Wort, ab dem 1. Mai Impfungen allen Amerikaner­n zugänglich zu machen und bis Ende des Monats genügend Bestände für alle Erwachsene­n vorrätig zu haben. Ein ambitionie­rtes Ziel, das der Freigabe der US-Bestände an Astrazenec­a-Dosen für die EU im Weg steht.

Doch die US-Regierung könnte diese Position überdenken, weil es bald schon erhebliche Überbestän­de geben könnte. Letzteres hat mit dem Widerstand größerer Bevölkerun­gsgruppen in den USA zu tun, sich impfen zu lassen.

So lehnt etwa ein Drittel aller Republikan­er eine Immunisier­ung nach wie vor ab. Weitere 20 Prozent haben Bedenken. Traditione­ll sind auch die Afroamerik­aner skeptisch, weil sie in der Vergangenh­eit als Versuchska­ninchen missbrauch­t worden waren. Schließlic­h gibt es eine signifikan­te Zahl junger Frauen, die zögern, sich impfen zu lassen.

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Foto: AFP Drive-in-Impfstatio­nen sind in den vergangene­n Wochen landesweit wie Pilze aus dem Boden geschossen.

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