Das große Missverständnis
Seit über zwei Jahren liegt Frank Engel im Dauerclinch mit der CSV-Fraktion – ein Rückblick
Freund, Feind, Parteifreund: Selten war dieses Klischee zutreffender als dieser Tage, um das (Nicht)-Verhältnis von CSV-Parteipräsident Frank Engel und der Fraktion der größten Oppositionspartei zu charakterisieren. Die Geschichte zwischen Frank Engel und der von Martine Hansen geführten Fraktion ist die Geschichte eines großen Missverständnisses, dessen Ursprünge bis vor den Kongress 2019 zurückreichen.
Januar 2019, Mai 2019, Juli 2019
Nach den erneut verlorenen Chamberwahlen vom Oktober 2018 meldet Engel frühzeitig sein Interesse am Parteivorsitz an – es ist seine Chance, endlich auf der nationalpolitischen Bühne eine Rolle spielen zu können. In Moutfort setzt er sich dann mit 287 der 536 Delegiertenstimmen gegen den von der Fraktion unterstützten Bewerber Serge Wilmes durch. Er setzt sich auch deshalb durch, weil er die Rede eines Oppositionspolitikers
hält, was bei der Basis ankommt.
Dass ihm die Fraktion die Gefolgschaft verwehrt, muss Engel sehr schnell zur Kenntnis nehmen: Keiner der Abgeordneten kandidiert – als Stimmengarant – bei den Europawahlen im Mai 2019. Am Ende büßt die CSV über 16 Prozent an Stimmen ein und verliert einen Sitz.
Im Juli 2019 folgt die Retourkutsche, als Engel der Fraktion eine Blockade bei der Verfassungsreform aufzwingt – und den Konsens zwischen Blau-Rot-Grün und der CSV aufbricht. Unter anderem mit dem Argument, dass die Debatte um die Reform des Grundgesetzes mit einer Diskussion um das luxemburgische Wahlsystem – Doppelmandate, Wahlbezirke – verknüpft werden müsse, plädiert der Parteipräsident für ein konsultatives Referendum im Vorfeld der Abstimmung. Damit ist der Reformprozess, der auf einem Gesetzvorschlag des langjährigen
CSV-Deputierten und -Verfassungsexperten Paul-Henri Meyers gründet und der eine Abstimmung mit anschließendem Referendum vorsieht, gestoppt.
August 2020
Ein Jahr später düpiert Frank Engel die Fraktion erneut: Mitten im Sommerloch bringt er eine Vermögensbeziehungsweise eine Erbschaftssteuer in direkter Linie ins Spiel. Die CSV müsse ihr soziales Profil schärfen und wieder die Partei der kleinen und normalen Leute werden, argumentiert er gegenüber „Reporter.lu“.
Und erntet dafür harsche Kritik aus der Fraktion. Einerseits entpuppen sich diese steuerpolitischen Erwägungen als Alleingang, der nicht in den Parteigremien besprochen wurde. Andererseits sehen sich die CSV-Abgeordneten dem Wahlprogramm verpflichtet und distanzieren sich von ihrem Parteichef: „Für die CSV gilt weiterhin das vom CSV-Nationalkongress
beschlossene Wahlprogramm von 2018, das in Sachen Steuern unmissverständlich Position bezieht: „Wir (die CSV) sagen Nein zur Einführung der Vermögenssteuer für Privatpersonen. Eine Erbschaftssteuer in direkter Linie ist für die CSV kein Thema“, heißt es in einer unmissverständlich formulierten Stellungnahme.
März 2021
Mit einer eigenen Stellungnahme wartet Engel im März 2021 auf und lanciert das Rennen um den Parteivorsitz. Mit Blick auf das Superwahljahr 2023 legt er seine Schwerpunkte dar. Vor allem aber setzt er sich kritisch mit der Oppositionsarbeit auseinander – und visiert, wie das Beispiel der CovidGesetze zeigt, die eigene Fraktion: Man dürfe nur dann gegen Gesetzvorlagen stimmen, wenn man über klare Alternativen verfüge und dürfe sich nicht hinter dem Argument der fehlenden Informationen verstecken. mas