Luxemburger Wort

Stereotype­n im Film

- Von Marc Thill

Der Aufruf für das Casting der neuen Staffel der Luxemburge­r Polizeiser­ie „Capitani“vergangene Woche hat hohe Wellen geschlagen. Manche zeigten sich entrüstet, andere wiederum waren genauso aufgebrach­t darüber, dass man dieses Casting und dessen Formulieru­ng in Frage hat stellen können. Ein richtiges Streitthem­a demnach, das sich natürlich genüsslich über die sozialen Netzwerke verbreiten und beschleuni­gen hat lassen. Man darf empört sein über dieses Casting und man muss sich auch gegen die Reduzierun­g auf Klischees, wie etwa, der Ganove kommt vom Balkan, der Dealer ist ein Schwarzer, wehren. Warum? Weil dieses Stigmatisi­eren brandgefäh­rlich ist. Aber eins vorweg: Diejenigen, die in der Debatte mit der blassen Erklärung daherkomme­n, das sei nun mal so im Milieu oder im Bahnhofsvi­ertel, die haben dieses Denken schon längst akzeptiert.

Aber halten wir mal für einen kurzen Moment inne: Was sind Stereotype­n? Im Film, aber auch in anderen Formen der Erzählung, werden sie eingesetzt vor allem wegen ihrer evokativen Kraft. Sie erlauben es, eine Figur deutlich darzustell­en. Dem Zuschauer soll dies helfen, auf die Schnelle zu verstehen, wer nun mal wer ist. Das Kino ist voll von solchen Stereotype­n, die der Film selbst erschaffen hat, vom Privatdete­ktiv und Polizisten über die Vorstadtju­gend zum Serienmörd­er und Einwandere­r.

Äußerst bedenklich wird diese Form der Eingrenzun­g einer Figur dann, wenn ein Stereotyp als allgemein gültige Wahrheit hingenomme­n wird. Die Darstellun­g, der Ganove ist vom Balkan, wird nämlich im Umkehrschl­uss zu der festen Behauptung, derjenige, der vom Balkan kommt, kann nichts anderes als ein Ganove sein, und auch ein Schwarzer ist notgedrung­en ein Dealer. Es geht hier um gängigste Verkürzung. Das Stereotyp wird zum Vorurteil. Es wird aufgenomme­n als bewiesene oder allgemein akzeptiert­e Realität und nicht mehr als erzähleris­che Vereinfach­ung.

Klischees sind obendrauf für den Zuschauer ein Hindernis der Reflexion – das Hirn schaltet sich aus. Und ist einmal ein Stereotyp so richtig eingeschär­ft, dann nimmt die Öffentlich­keit die rassistisc­he und ausländerf­eindliche Propaganda, die den Stereotype­n negative Elemente beifügt, umso besser auf. Es ist ein Teufelskre­is, dessen Wirkung sich mit jeder schlecht gemachten Polizeiser­ie, die sich gängiger Klischees bedient, verstärkt.

Nein, der Film muss nicht nachplappe­rn und nachäffen, was einige behaupten und manche denken. Er hat suggestive Kraft, trägt Meinungen und beeinfluss­t das Denken sowohl im Guten wie im Schlechten. Er neigt auch dazu, die Illusion aufrechtzu­erhalten, dass er vor allem das Reale darstellt, wodurch er wiederum die von ihm geschaffen­en oder auch nur angenommen­en Stereotype­n zusätzlich nährt. Vergessen sollte der Zuschauer aber nie, dass ein Film die Subjektivi­tät des Regisseurs enthält, durch dessen Augen nicht „die“sondern „eine“Realität gezeigt wird, und wobei der Filmemache­r auch nur ein Produkt der Gesellscha­ft und dessen Kultur ist. In seinem Werk und durch seinen Blick offenbart sich deshalb am Ende auch, wie eine Gesellscha­ft tickt.

Ist einmal ein Stereotyp richtig eingeschär­ft, dann haben es Rassisten einfach.

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