Stereotypen im Film
Der Aufruf für das Casting der neuen Staffel der Luxemburger Polizeiserie „Capitani“vergangene Woche hat hohe Wellen geschlagen. Manche zeigten sich entrüstet, andere wiederum waren genauso aufgebracht darüber, dass man dieses Casting und dessen Formulierung in Frage hat stellen können. Ein richtiges Streitthema demnach, das sich natürlich genüsslich über die sozialen Netzwerke verbreiten und beschleunigen hat lassen. Man darf empört sein über dieses Casting und man muss sich auch gegen die Reduzierung auf Klischees, wie etwa, der Ganove kommt vom Balkan, der Dealer ist ein Schwarzer, wehren. Warum? Weil dieses Stigmatisieren brandgefährlich ist. Aber eins vorweg: Diejenigen, die in der Debatte mit der blassen Erklärung daherkommen, das sei nun mal so im Milieu oder im Bahnhofsviertel, die haben dieses Denken schon längst akzeptiert.
Aber halten wir mal für einen kurzen Moment inne: Was sind Stereotypen? Im Film, aber auch in anderen Formen der Erzählung, werden sie eingesetzt vor allem wegen ihrer evokativen Kraft. Sie erlauben es, eine Figur deutlich darzustellen. Dem Zuschauer soll dies helfen, auf die Schnelle zu verstehen, wer nun mal wer ist. Das Kino ist voll von solchen Stereotypen, die der Film selbst erschaffen hat, vom Privatdetektiv und Polizisten über die Vorstadtjugend zum Serienmörder und Einwanderer.
Äußerst bedenklich wird diese Form der Eingrenzung einer Figur dann, wenn ein Stereotyp als allgemein gültige Wahrheit hingenommen wird. Die Darstellung, der Ganove ist vom Balkan, wird nämlich im Umkehrschluss zu der festen Behauptung, derjenige, der vom Balkan kommt, kann nichts anderes als ein Ganove sein, und auch ein Schwarzer ist notgedrungen ein Dealer. Es geht hier um gängigste Verkürzung. Das Stereotyp wird zum Vorurteil. Es wird aufgenommen als bewiesene oder allgemein akzeptierte Realität und nicht mehr als erzählerische Vereinfachung.
Klischees sind obendrauf für den Zuschauer ein Hindernis der Reflexion – das Hirn schaltet sich aus. Und ist einmal ein Stereotyp so richtig eingeschärft, dann nimmt die Öffentlichkeit die rassistische und ausländerfeindliche Propaganda, die den Stereotypen negative Elemente beifügt, umso besser auf. Es ist ein Teufelskreis, dessen Wirkung sich mit jeder schlecht gemachten Polizeiserie, die sich gängiger Klischees bedient, verstärkt.
Nein, der Film muss nicht nachplappern und nachäffen, was einige behaupten und manche denken. Er hat suggestive Kraft, trägt Meinungen und beeinflusst das Denken sowohl im Guten wie im Schlechten. Er neigt auch dazu, die Illusion aufrechtzuerhalten, dass er vor allem das Reale darstellt, wodurch er wiederum die von ihm geschaffenen oder auch nur angenommenen Stereotypen zusätzlich nährt. Vergessen sollte der Zuschauer aber nie, dass ein Film die Subjektivität des Regisseurs enthält, durch dessen Augen nicht „die“sondern „eine“Realität gezeigt wird, und wobei der Filmemacher auch nur ein Produkt der Gesellschaft und dessen Kultur ist. In seinem Werk und durch seinen Blick offenbart sich deshalb am Ende auch, wie eine Gesellschaft tickt.
Ist einmal ein Stereotyp richtig eingeschärft, dann haben es Rassisten einfach.