Misslungenes Covid-Management in Seniorenstrukturen
CSV wirft Regierung Vertuschung von Tatsachen vor – Déi Lénk halten Familienministerin Cahen für untragbar
Die CSV übt wegen der vielen Covid-Toten scharfe Kritik an der Regierung. Sie habe keine einheitliche Covid-Politik, keinen nationalen Strategieplan mit verbindlichen Regeln für Seniorenheime und keine klaren Prozeduren. Die für die Heime zuständige Familienministerin Corinne Cahen (DP) schiebe die Verantwortung stets auf andere – mal auf die Santé, mal auf die Häuser. Die Statistiken seien nicht korrekt und es sei versucht worden, die Wahrheit zu vertuschen.
Falsche politische Prioritäten
Vor allem aber seien die falschen politischen Prioritäten gesetzt worden, sagte der CSV-Bürgermeister und Abgeordnete Michel Wolter gestern bei einer Pressekonferenz im Beisein von Fraktionschefin Martine Hansen und dem gesundheitspolitischen Sprecher Claude Wiseler. Anders als in den Krankenhäusern wurde in den
Alten- und Pflegeheimen nämlich darauf verzichtet, in der ersten Phase ein engmaschiges „Cordon sanitaire“aufzustellen, das dafür gesorgt hätte, dass das ganze Personal, das mit den Bewohnern in Kontakt ist, prioritär geimpft wird.
Die tiefgreifenden Einschnitte und Einschränkungen in den vergangenen Monaten in der gesamten Gesellschaft hätten zum Ziel, die älteren Menschen zu schützen und das Gesundheitssystem nicht zu überlasten. „Diese ganzen Anstrengungen machen keinen Sinn, wenn in den Heimen die notwendigen Schutzmaßnahmen nicht ergriffen werden“, so Wolter.
Die CSV klagte gestern vor allem Corinne Cahen an. Sie habe falsche politische Entscheidungen getroffen, zu keinem Moment eine proaktive Rolle eingenommen, keine Richtlinien herausgegeben und die Häuser alleingelassen. „Sie hat zu wenig kontrolliert, wo die Probleme liegen und als die ersten
Cluster aufgetreten sind, hat sie nicht die notwendigen Analysen machen lassen, um zu verhindern, dass es zu weiteren Infektionsherden kommt“, so Wolter. „Das Schlimmste aber ist: Sie hat der Öffentlichkeit die Wahrheit vorenthalten und damit für eine große Verunsicherung und Empörung in der Bevölkerung gesorgt.“Selbst innerhalb ihrer Partei sei die Wut groß, sagte Wolter mit Bezug auf die DP-Sektion Kayl, die im Zusammenhang mit dem Cluster im „Vitalhome“eine Untersuchung gefordert hat.
Die Kritik an Familienministerin Cahen wiegt schwer. Ihren
Rücktritt aber fordert die Oppositionspartei zum jetzigen Zeitpunkt nicht. „Vielleicht sehen die Mehrheitsfraktionen in den nächsten Tagen ja ein, dass die Diskussionen in der Bevölkerung und innerhalb der DP Grund genug sind für einen Wechsel an der Spitze des Ministeriums“, so Michel Wolter.
Die Sache mit den Restaurants
Marc Baum von Déi Lénk wird etwas präziser. Er hält Corinne Cahen, „die für zwölf Monate Inaktivismus im Familienministerium verantwortlich ist“, für nicht mehr tragbar. „Und es wäre gut, wenn sie es selbst einsehen würde.“Auch er empört sich darüber, „dass Mittel, die da sind, um Menschen zu schützen, nicht eingesetzt werden“. Das betreffe zum einen die Schnelltests, zum anderen die Restaurants. „Überall sind die Restaurants geschlossen, um die älteren Menschen zu schützen – nur bei den Vulnerabelsten der Vulnerablen nicht.“Baum ist der Meinung, dass die Regelung im Covid-Gesetz auch für Heime gelte, solange keine Ausnahmen im Gesetz definiert sind.
Dass die Regierung nicht veranlasst hat, Externe – darunter auch Koch- und Bedienungspersonal – prioritär zu impfen, kann er nicht nachvollziehen, „zumal wir wissen, dass 45 Prozent aller Covid-Toten in einem Altenheim gelebt haben“, so Baum. Bei der Pressekonferenz am Dienstag hatte Cahen argumentiert, in den Heimen handle es sich um Esszimmer und nicht um Restaurants. Baum lässt das nicht gelten. „Ich kann verstehen, wenn Betreiber sagen, sie könnten die Bewohner nicht 18 Monate in ihren Zimmern bewirten. Dann muss man eben sanitäre Maßnahmen definieren, aber man kann nicht sagen: Jedes Haus macht die Dinge so, wie es sie für sinnvoll erachtet.“mig
Es wäre gut, wenn Corinne Cahen es selbst einsehen würde. Marc Baum, Déi Lénk