Von übertrieben bis notwendig
Im Parlament scheidet das Thema Videoüberwachung die Geister
Das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung, vor allem in LuxemburgStadt, hat in den vergangenen Wochen und Monaten für reichlich Gesprächsstoff gesorgt. Da Gefühle aber in der Regel eine ziemlich subjektive Angelegenheit sind und daher nur bedingt als Basis für politische Entscheidungen taugen, hat der frühere Polizeiminister François Bausch (Déi Gréng) im Rahmen der Ausarbeitung eines neuen Gesetzes zur Videoüberwachung eine Studie bei der Inspection Générale de la Police (IGP) in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse am 12. März präsentiert und die gestern in der parlamentarischen Kommission für Innere Sicherheit diskutiert wurden.
„Die Studie ist ein guter Ansatz, weil sie eine emotionale Debatte objektiviert“, meint die Ausschussvorsitzende Stéphanie Empain (Déi Gréng). Ihr Parteifreund und Polizeiminister Henri Kox habe erklärt, dass er sich der Debatte über neue Kameras nicht verschließe, die Sinnhaftigkeit müsse aber im Vorfeld immer überprüft werden. Bei den Grünen tut man sich zudem schwer damit, dass aus der Studie der IGP hervorgeht, dass es nicht zu dem von Gegnern der Videoüberwachung oftmals befürchteten Verlagerungseffekt kommt. Die Zahlen seien statistisch nur bedingt aussagekräftig.
Kameras in Bonneweg gefordert
Ganz anders sieht das Laurent Mosar (CSV), der das Ergebnis der Studie als „Bestätigung“der bisherigen Politik des hauptstädtischen Schöffenrats empfindet. Auch wenn Videoüberwachung immer nur eine von mehreren Maßnahmen sein könne und es vor allem mehr Polizeipräsenz vor Ort brauche, mache sie dennoch Sinn, weswegen sie auch ausgeweitet werden solle, besonders nach Bonneweg. „Etienne Schneider hatte bereits 2018 den Bewohnern von Bonneweg Kameras versprochen“, erinnert Mosar an Aussagen des damaligen LSAP-Polizeiministers. Er verweist auf eine Umfrage zum Sicherheitsgefühl, laut der sich 72 Prozent der Einwohner des Viertels unsicher fühlen und sich 67 Prozent aller Befragten für eine Ausweitung der Videoüberwachung aussprechen.
Ob auch die Liberalen für eine solche Ausweitung plädieren, ließ Claude Lamberty (DP) offen. „Wir sind für Kameras, dort wo sie Sinn machen, wenn sie in Bonneweg Sinn machen, dann sind wir dafür.“Er fordert, die Debatte über die Videoüberwachung nicht nur auf die Hauptstadt zu beschränken, sondern sie mit Blick auf das gesamte Land zu führen. Man solle zudem über andere Konzepte bei der Beleuchtung nachdenken. Dieselbe Umfrage, die Mosar zitiert, habe nämlich gezeigt, dass sich die Menschen an helleren Orten sicherer spürten.
„Bei den Kameras sind wir noch kritischer als die Grünen, eine Kamera ist nämlich das Eingeständnis einer gescheiterten Politik“, meint derweil Marc Goergen (Piraten). Wenn man schon Kameras installiere, müsse dies zumindest gekennzeichnet sein. Wie die Grünen
hinterfragt auch er die Aussage, dass es keinen Verlagerungseffekt gibt. Dies treffe vielleicht auf Überfälle zu, aber die organisierte Kriminalität finde dann einfach an anderen Orten statt. Er fordert zudem, dass im neuen Gesetz festgeschrieben wird, dass keine gesichtserkennende Software eingesetzt werden darf.
Polizisten immer öfter Opfer
Auf eine Anfrage von Goergen hin, die noch aus dem August 2020 stammt, hatte die Polizeidirektion am Anfang der Kommissionssitzung Auskunft über die Arbeitssituation der Beamten erteilt. Diese sind in den vergangenen Monaten immer häufiger Anfeindungen, ausgesetzt. Dieser Umstand wird unter anderem auf die Corona-Krise zurückgeführt. Immer mehr Menschen würden die geltenden Restriktionen ablehnen und ihre Wut an den Polizisten auslassen, da diese ihre Einhaltung durchsetzen müssen.
Léon Gloden (CSV) bringt vor diesem Hintergrund die alte Forderung seiner Partei nach BodyCams für die Beamten ins Spiel und bedauert, dass sich hier laut Kox noch nichts getan hat. Auch Lamberty und Goergen plädieren für dieses Instrument, das sowohl die Sicherheit der Beamten als auch die der Bürger erhöhe. Gloden regt darüber hinaus ein Pilotprojekt mit Elektroschockpistolen an.
Interessant ist die Feststellung, dass sich zwar einerseits die Zahl der Beleidigungen erhöht hat, die der Rebellionen aber gesunken ist. Laut Polizeidirektion liegt dies daran, dass es zu letzterem Vergehen eher in Rahmen der Bekämpfung von Drogenkriminalität und illegaler Einwanderung kommt und diese Interventionen wegen Corona deutlich seltener durchgeführt würden.
Etienne Schneider hatte bereits 2018 den Bewohnern von Bonneweg Kameras versprochen. Laurent Mosar, CSV