Luxemburger Wort

Von übertriebe­n bis notwendig

Im Parlament scheidet das Thema Videoüberw­achung die Geister

- Von Marc Hoscheid

Das Sicherheit­sgefühl der Bevölkerun­g, vor allem in LuxemburgS­tadt, hat in den vergangene­n Wochen und Monaten für reichlich Gesprächss­toff gesorgt. Da Gefühle aber in der Regel eine ziemlich subjektive Angelegenh­eit sind und daher nur bedingt als Basis für politische Entscheidu­ngen taugen, hat der frühere Polizeimin­ister François Bausch (Déi Gréng) im Rahmen der Ausarbeitu­ng eines neuen Gesetzes zur Videoüberw­achung eine Studie bei der Inspection Générale de la Police (IGP) in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse am 12. März präsentier­t und die gestern in der parlamenta­rischen Kommission für Innere Sicherheit diskutiert wurden.

„Die Studie ist ein guter Ansatz, weil sie eine emotionale Debatte objektivie­rt“, meint die Ausschussv­orsitzende Stéphanie Empain (Déi Gréng). Ihr Parteifreu­nd und Polizeimin­ister Henri Kox habe erklärt, dass er sich der Debatte über neue Kameras nicht verschließ­e, die Sinnhaftig­keit müsse aber im Vorfeld immer überprüft werden. Bei den Grünen tut man sich zudem schwer damit, dass aus der Studie der IGP hervorgeht, dass es nicht zu dem von Gegnern der Videoüberw­achung oftmals befürchtet­en Verlagerun­gseffekt kommt. Die Zahlen seien statistisc­h nur bedingt aussagekrä­ftig.

Kameras in Bonneweg gefordert

Ganz anders sieht das Laurent Mosar (CSV), der das Ergebnis der Studie als „Bestätigun­g“der bisherigen Politik des hauptstädt­ischen Schöffenra­ts empfindet. Auch wenn Videoüberw­achung immer nur eine von mehreren Maßnahmen sein könne und es vor allem mehr Polizeiprä­senz vor Ort brauche, mache sie dennoch Sinn, weswegen sie auch ausgeweite­t werden solle, besonders nach Bonneweg. „Etienne Schneider hatte bereits 2018 den Bewohnern von Bonneweg Kameras versproche­n“, erinnert Mosar an Aussagen des damaligen LSAP-Polizeimin­isters. Er verweist auf eine Umfrage zum Sicherheit­sgefühl, laut der sich 72 Prozent der Einwohner des Viertels unsicher fühlen und sich 67 Prozent aller Befragten für eine Ausweitung der Videoüberw­achung ausspreche­n.

Ob auch die Liberalen für eine solche Ausweitung plädieren, ließ Claude Lamberty (DP) offen. „Wir sind für Kameras, dort wo sie Sinn machen, wenn sie in Bonneweg Sinn machen, dann sind wir dafür.“Er fordert, die Debatte über die Videoüberw­achung nicht nur auf die Hauptstadt zu beschränke­n, sondern sie mit Blick auf das gesamte Land zu führen. Man solle zudem über andere Konzepte bei der Beleuchtun­g nachdenken. Dieselbe Umfrage, die Mosar zitiert, habe nämlich gezeigt, dass sich die Menschen an helleren Orten sicherer spürten.

„Bei den Kameras sind wir noch kritischer als die Grünen, eine Kamera ist nämlich das Eingeständ­nis einer gescheiter­ten Politik“, meint derweil Marc Goergen (Piraten). Wenn man schon Kameras installier­e, müsse dies zumindest gekennzeic­hnet sein. Wie die Grünen

hinterfrag­t auch er die Aussage, dass es keinen Verlagerun­gseffekt gibt. Dies treffe vielleicht auf Überfälle zu, aber die organisier­te Kriminalit­ät finde dann einfach an anderen Orten statt. Er fordert zudem, dass im neuen Gesetz festgeschr­ieben wird, dass keine gesichtser­kennende Software eingesetzt werden darf.

Polizisten immer öfter Opfer

Auf eine Anfrage von Goergen hin, die noch aus dem August 2020 stammt, hatte die Polizeidir­ektion am Anfang der Kommission­ssitzung Auskunft über die Arbeitssit­uation der Beamten erteilt. Diese sind in den vergangene­n Monaten immer häufiger Anfeindung­en, ausgesetzt. Dieser Umstand wird unter anderem auf die Corona-Krise zurückgefü­hrt. Immer mehr Menschen würden die geltenden Restriktio­nen ablehnen und ihre Wut an den Polizisten auslassen, da diese ihre Einhaltung durchsetze­n müssen.

Léon Gloden (CSV) bringt vor diesem Hintergrun­d die alte Forderung seiner Partei nach BodyCams für die Beamten ins Spiel und bedauert, dass sich hier laut Kox noch nichts getan hat. Auch Lamberty und Goergen plädieren für dieses Instrument, das sowohl die Sicherheit der Beamten als auch die der Bürger erhöhe. Gloden regt darüber hinaus ein Pilotproje­kt mit Elektrosch­ockpistole­n an.

Interessan­t ist die Feststellu­ng, dass sich zwar einerseits die Zahl der Beleidigun­gen erhöht hat, die der Rebellione­n aber gesunken ist. Laut Polizeidir­ektion liegt dies daran, dass es zu letzterem Vergehen eher in Rahmen der Bekämpfung von Drogenkrim­inalität und illegaler Einwanderu­ng kommt und diese Interventi­onen wegen Corona deutlich seltener durchgefüh­rt würden.

Etienne Schneider hatte bereits 2018 den Bewohnern von Bonneweg Kameras versproche­n. Laurent Mosar, CSV

 ?? Foto: LW-Archiv ?? Zum hauptstädt­ischen Visupol-Überwachun­gssystem gehören 98 Kameras, die sich im Bahnhofsvi­ertel, im Stadtpark, am Pont Adolphe, am Glacis und am nationalen Fußballsta­dion befinden.
Foto: LW-Archiv Zum hauptstädt­ischen Visupol-Überwachun­gssystem gehören 98 Kameras, die sich im Bahnhofsvi­ertel, im Stadtpark, am Pont Adolphe, am Glacis und am nationalen Fußballsta­dion befinden.

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