Luxemburger Wort

(K)eine Lösung

- Von Michael Juchmes

Elektromot­or – oder zumindest ein Hybrid-Antrieb – statt Verbrenner: Die Automobili­ndustrie bereitet sich auf die große Umstellung vor, die noch vor wenigen Jahren vielen Verkehrste­ilnehmern als ein Ding der Unmöglichk­eit schien. Ressourcen­schonend und abgasfrei oder -reduziert sind die neuen Antriebe. Das ist gut für die Umwelt, das kann niemand bestreiten. Aber ist das auch die Lösung für die angespannt­e Situation auf den hiesigen Straßen? Ist der Wandel ein wirksames Mittel gegen den Verkehrsin­farkt, der in allen europäisch­en Großstädte­n droht?

Wohl kaum: Die Zahl der Fahrzeuge wird auch in Zukunft nicht abnehmen. Die Hersteller wollen schließlic­h weiterhin ihre Produkte verkaufen – und das ist auch ihr gutes Recht. Volvo etwa will ab 2030 nur noch E-Fahrzeuge ausliefern, auch der Mini soll dann nur noch rein elektrisch vorfahren. Andere Automobilr­iesen sehen E-Anteile bei 50 bis 70 Prozent – und machen schon jetzt dem Branchenpr­imus Tesla heftig Konkurrenz.

Zwar gilt das Tesla Model 3 mit rund 365 000 verkauften Exemplaren im vergangene­n Jahr noch weltweit als die Nummer eins. Der Renault Zoe schaffte es aber immerhin auf rund 100 000 Exemplare, der erst im September 2020 lancierte VW ID.3 traf ebenfalls den Geschmack der Autofahrer: Die Wolfsburge­r setzten innerhalb von vier Monaten bereits rund 57 000 Stück ab.

Eine Minimierun­g des Individual­verkehrs bleibt angesichts dieses Elektro-Hypes wohl weiterhin ein Traum. Gefragt sind daher Alternativ­en, die uns, den unbelehrba­ren Verkehrste­ilnehmern, den Umstieg auf den öffentlich­en Personenna­hverkehr schmackhaf­t machen – zumindest für den tagtäglich­en Weg zur Arbeit. Für Pendler bleibt das eigene Auto das Verkehrsmi­ttel erster Wahl. Wer sich in seinem Kollegenkr­eis umhört, wird nur wenige finden, die im letzten Jahr auf Bus, Bahn oder Tram umgestiege­n sind – und das, obwohl man innerhalb der Landesgren­zen komplett kostenlos umherreise­n kann.

Einzig bessere Angebote und schnellere Verbindung­en könnten für signifikan­te Verbesseru­ngen sorgen. Wer mit dem Auto knapp 45 Minuten von der Haustür bis zum Bürostuhl unterwegs ist, möchte nicht die doppelte Zeit opfern, nur um Platz für andere Verkehrste­ilnehmer zu machen. Schnellzug­strecken hätten bereits vor Jahren für Abhilfe sorgen können. Doch weiterhin verkehren, etwa zwischen Trier und Luxemburg, gemütliche Bummelzüge. Und die für viele Pendler interessan­te Trierer Weststreck­e, die eigentlich seit 2018 genutzt werden sollte, wird wohl frühestens Ende 2024 befahrbar sein. Und nicht zuletzt weitere Park&Ride-Plätze (inner- und außerhalb der Landesgren­zen) könnten den Umstieg für viele attraktive­r machen. Freilich braucht es dazu auch die Bereitscha­ft der Verkehrste­ilnehmer, für den Umweltschu­tz Abstriche in Sachen Bequemlich­keit zu machen.

Eine Sache wird sich ohnehin nicht ändern: Wer im Stau steht, empfindet dabei im E-Auto nicht mehr Freude als im Verbrenner. Warten hat noch niemals Spaß gemacht – egal wie umweltscho­nend der fahrbare Untersatz ist.

Eine Minimierun­g des Individual­verkehrs bleibt weiterhin ein Traum.

Kontakt: michael.juchmes@wort.lu

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