(K)eine Lösung
Elektromotor – oder zumindest ein Hybrid-Antrieb – statt Verbrenner: Die Automobilindustrie bereitet sich auf die große Umstellung vor, die noch vor wenigen Jahren vielen Verkehrsteilnehmern als ein Ding der Unmöglichkeit schien. Ressourcenschonend und abgasfrei oder -reduziert sind die neuen Antriebe. Das ist gut für die Umwelt, das kann niemand bestreiten. Aber ist das auch die Lösung für die angespannte Situation auf den hiesigen Straßen? Ist der Wandel ein wirksames Mittel gegen den Verkehrsinfarkt, der in allen europäischen Großstädten droht?
Wohl kaum: Die Zahl der Fahrzeuge wird auch in Zukunft nicht abnehmen. Die Hersteller wollen schließlich weiterhin ihre Produkte verkaufen – und das ist auch ihr gutes Recht. Volvo etwa will ab 2030 nur noch E-Fahrzeuge ausliefern, auch der Mini soll dann nur noch rein elektrisch vorfahren. Andere Automobilriesen sehen E-Anteile bei 50 bis 70 Prozent – und machen schon jetzt dem Branchenprimus Tesla heftig Konkurrenz.
Zwar gilt das Tesla Model 3 mit rund 365 000 verkauften Exemplaren im vergangenen Jahr noch weltweit als die Nummer eins. Der Renault Zoe schaffte es aber immerhin auf rund 100 000 Exemplare, der erst im September 2020 lancierte VW ID.3 traf ebenfalls den Geschmack der Autofahrer: Die Wolfsburger setzten innerhalb von vier Monaten bereits rund 57 000 Stück ab.
Eine Minimierung des Individualverkehrs bleibt angesichts dieses Elektro-Hypes wohl weiterhin ein Traum. Gefragt sind daher Alternativen, die uns, den unbelehrbaren Verkehrsteilnehmern, den Umstieg auf den öffentlichen Personennahverkehr schmackhaft machen – zumindest für den tagtäglichen Weg zur Arbeit. Für Pendler bleibt das eigene Auto das Verkehrsmittel erster Wahl. Wer sich in seinem Kollegenkreis umhört, wird nur wenige finden, die im letzten Jahr auf Bus, Bahn oder Tram umgestiegen sind – und das, obwohl man innerhalb der Landesgrenzen komplett kostenlos umherreisen kann.
Einzig bessere Angebote und schnellere Verbindungen könnten für signifikante Verbesserungen sorgen. Wer mit dem Auto knapp 45 Minuten von der Haustür bis zum Bürostuhl unterwegs ist, möchte nicht die doppelte Zeit opfern, nur um Platz für andere Verkehrsteilnehmer zu machen. Schnellzugstrecken hätten bereits vor Jahren für Abhilfe sorgen können. Doch weiterhin verkehren, etwa zwischen Trier und Luxemburg, gemütliche Bummelzüge. Und die für viele Pendler interessante Trierer Weststrecke, die eigentlich seit 2018 genutzt werden sollte, wird wohl frühestens Ende 2024 befahrbar sein. Und nicht zuletzt weitere Park&Ride-Plätze (inner- und außerhalb der Landesgrenzen) könnten den Umstieg für viele attraktiver machen. Freilich braucht es dazu auch die Bereitschaft der Verkehrsteilnehmer, für den Umweltschutz Abstriche in Sachen Bequemlichkeit zu machen.
Eine Sache wird sich ohnehin nicht ändern: Wer im Stau steht, empfindet dabei im E-Auto nicht mehr Freude als im Verbrenner. Warten hat noch niemals Spaß gemacht – egal wie umweltschonend der fahrbare Untersatz ist.
Eine Minimierung des Individualverkehrs bleibt weiterhin ein Traum.
Kontakt: michael.juchmes@wort.lu