Europa will eigene Cloud
Luxemburg beteiligt sich am Gaia-X-Projekt
Luxemburg. „Daten sind das neue Öl.“Diese in letzter Zeit häufig bemühte Analogie soll unterstreichen, wie wichtig der digitale Rohstoff in Zukunft als Schmiermittel der Wirtschaft werden wird. Aber wie beim tatsächlichen Öl machen auch in der Daten-Ökonomie nicht unbedingt diejenigen den großen Reibach, die das Zeug zutage fördern, sondern diejenigen, die es raffinieren, veredeln und im Besitz der entsprechenden Infrastruktur sind. In Bezug auf Daten ist die entscheidende Infrastruktur immer mehr die sogenannte Cloud, eine Technologie, die es ermöglicht, dass Informationen nicht mehr auf Rechnern oder Unternehmensservern liegen, sondern in großen Datenzentren von ITDienstleistern. In diesem wichtigen Feld ist Europa aber inzwischen zu so einer Art Entwicklungsland geworden, das von der Wertschöpfung der digitalen Rohstoffe kaum profitiert. Denn der Cloudmarkt wird schon lange von den großen amerikanischen Firmen wie Amazon oder Microsoft dominiert, eine wirkliche europäische Konkurrenz ist bestenfalls in Nischen erkennbar.
Europäische Datensouveränität
Das zu ändern und dafür zu sorgen, dass Europa nicht auch den nächsten großen Entwicklungsschub in der digitalen Welt verschläft, hat sich das Projekt GaiaX auf die Fahnen geschrieben. Ursprünglich von Frankreich und Deutschland initiiert, beteiligt sich seit gestern auch Luxemburg offiziell mit einem eigenen „Hub“an der Initiative. Am Ende der Entwicklung von Gaia-X soll eine gemeinsame europäische Cloudinfrastruktur stehen, an der sich sowohl Anwender als auch Anbieter wie Datenzentren oder IT-Dienstleister beteiligen können.
Im Unterschied zu den amerikanischen Anbietern, die die Kunden fest an ihr Technologie-“Ökosystem“binden wollen, soll die europäische Alternative offen sein und es den Anwendern erleichtern, zwischen einzelnen Diensten zu wechseln. „Dies ebnet den Weg zu einem europäischen vertrauenswürdigen Datenökosystem mit wettbewerbsfähigen datengesteuerten Diensten und Anwendungen“, sagte Wirtschaftsminister Franz Fayot bei der Konferenz zum Start der Initiative in Luxemburg.
Es gehe bei dem Vorhaben auch darum, die „Datensouveränität für Europa sicherzustellen“, betont Sasha Baillie, die CEO der Innovationsagentur Luxinnovation, die Gaia-X in Luxemburg koordiniert. Dass diese Souveränität unter den gegenwärtigen Bedingungen in Gefahr ist, machte nicht zuletzt der 2018 von der US-Regierung beschlossene sogenannte Cloud Act deutlich, der amerikanische Unternehmen verpflichtet, Nutzerdaten herauszugeben, selbst wenn diese Daten nicht auf amerikanischem Boden liegen.
Bei Gaia-X soll es aber nicht nur darum gehen, unabhängiger von den US-Anbietern zu werden. Es sollen auch künftige Anwendungsmöglichkeiten der Daten-Technologie vorhergesehen werden, auf die die neue Infrastruktur dann von Beginn an ausgerichtet werden soll. Zu diesem Zweck werden im ersten Schritt auf nationaler Ebene Arbeitsgruppen in verschiedenen Branchen wie Industrie, Gesundheit oder Finanzen ins Leben gerufen. „Im Grunde geht es darum, viele verschiedene Stakeholder einzubeziehen, die im Datenökosystem tätig sind – Unternehmen, Forschungsakteure und Behörden. So soll sichergestellt werden, dass ihre Bedürfnisse und Anforderungen vollständig verstanden werden und sich in den späteren Lösungen widerspiegeln“, sagt Baillie. „Es kommt also darauf an, zunächst den Nutzern zuzuhören; ein wirklicher Bottomup-Ansatz.“Tatsächlich stehen so zunächst weniger konkrete Infrastrukturmaßnahmen im Mittelpunkt als vielmehr die Definition künftiger Standards. Ein Beispiel für eine mögliche Anwendung ist der grenzüberschreitende Austausch von Krankenhausdaten über die Cloud, um beispielsweise Epidemien früher zu erkennen und die Erforschung von Behandlungsmethoden zu beschleunigen. Damit solche Ansätze funktionieren, muss aber sichergestellt sein, dass die Daten einheitlich und nach einem gleichen Standard strukturiert sind. „Wir brauchen ein kohärentes, harmonisiertes System zum Austausch von Daten“, sagt Baillie. Einen genauen Zeitplan, wie die Ergebnisse der Arbeitsgruppen in konkrete Infrastruktur-Investionen übersetzt werden sollen, gibt es allerdings noch nicht. ThK