„Tür zum Wissenszugang“
Düdelinger Stadtbibliothek besteht seit 100 Jahren und begeht Festprogramm mit „Tatort“-Kommissar
Düdelingen. Den lokalen Rahmen hat sie längst gesprengt, Internet und soziale Medien hat sie überlebt. In diesem Jahr feiert die regionale öffentliche Bibliothek in Düdelingen ihr 100-jähriges Bestehen. Trotz ihres hohen Alters sei die Einrichtung nach wie vor die „lokale Tür zum Wissenszugang“, erklärten Bürgermeister Dan Biancalana und Schöffe Loris Spina bei der Vorstellung des Festprogramms, das sich über das ganze Jahr erstrecken wird. Dabei, so versicherte der Bürgermeister, würden selbstverständlich die Hygienemaßnahmen eingehalten.
1921 eingeweiht
Es war kurz nach den Ersten Weltkrieg. Große Teile Europas lagen in Trümmern. Luxemburg und vor allem Düdelingen waren im Wandel durch die starke Industrialisierung. In der Arbeiterstadt wurde der Wunsch nach Bildung lauter. In dieser Zeit entstanden die sogenannten Volksbildungsvereine. Wissen vermittelten aber auch die Bibliotheken.
In Düdelingen wurde 1920 eine erste öffentliche Bibliothek eingerichtet. Vermutlich wurde sie 1921 offiziell eingeweiht. Sie war an verschiedenen Standorten untergebracht, bis sie in das alte Rathaus einzog. Das befand sich auf dem
Standort der heutigen Sparkasse am Rathausplatz. Nach dem Bau des neuen Gemeindehauses zwischen 1930 und 1932 wurde der Büchertempel dorthin verlegt. Im Neubau erlebte sie ihr wohl düsterstes Kapitel, denn während des Zweiten Weltkriegs wurde sie von den Nazis für Propagandazwecke missbraucht.
1946, ein Jahr nach Kriegsende, wurde ein neuer Anlauf genommen. Die Bibliothek blieb bis 1998 im Rathaus. Dann wurde sie in das Gebäude am Stadthausplatz verlegt, in dem sich heute die Gesundheitskasse befindet. Der vorerst letzte Umzug erfolgte 2003. Damals eröffnete die Einrichtung als regionale Bibliothek an der heutigen Adresse in der Rue du Commerce unter der Leitung von Friederike Migneco ihre Türen.
35 000 Bände
Während im Laufe der Jahre viele Bibliotheken aufgeben mussten, hat diejenige in Düdelingen überlebt. Sie ist heute eine von sechs öffentlichen Bibliotheken in Luxemburg und ist auch dem nationalen Netzwerk angeschlossen. Von diesen öffentlichen Einrichtungen gibt es zurzeit weltweit 250 000 und europaweit 90 000.
Im Laufe der Jahre wurde das Angebot ständig erweitert. Standen
am Anfang 2 500 Bücher zur Verfügung, so können Leseratten heute zwischen 35 000 Bänden wählen, die auf einer Fläche von 600 Quadratmetern ausgestellt sind. Das Angebot reicht von Romanen und Jugendbüchern über Sachbücher bis hin zu Ratgebern.
Zudem können sich die Leser über das tagesaktuelle Geschehen in Zeitungen informieren. Daneben haben sie Einsicht in 143 000 E-Books in deutscher, französischer und englischer Sprache. Die Einrichtung, die ursprünglich als Volksbibliothek gegründet wurde, hat längst nicht mehr nur eine lokale Ausrichtung.
Von den 1 500 eingeschriebenen Lesern kommen deren aus der ganzen Region und sogar aus dem nahen französischen Grenzgebiet. Im Jahr werden zwischen 14 000 und 18 000 Bücher ausgeliehen. Seit dem Ausbruch der CoronaPandemie seien es etwas weniger gewesen, räumt die verantwortliche Leiterin Friederike Migneco ein. Sie unterstreicht, dass die Bibliothek auch weiterhin ihrem Bildungsauftrag gerecht wird. So finden regelmäßig Lesungen und Workshops für Kinder statt. Bis zu 100 Schulklassen nehmen jedes Jahr daran teil.
Jubiläum mit Kommissar
Der 100. Geburtstag wird das ganze Jahr über gefeiert mit Veranstaltungen, die zum Teil im regionalen Kulturzentrum und zum Teil im Freien stattfinden. Dabei sind zwei Höhepunkte besonders zu erwähnen. Im Juni wird der als Münchener „Tatort“-Kommissar bekannte Schauspieler Miroslav Nemec erwartet. Er wird in Düdelingen allerdings nicht auf Ganovenjagd gehen, sondern in die Rolle des Alexis Sorbas schlüpfen.
Im Oktober steht das Stück „Drei Frauen aus Deutschland“auf dem Programm. Dann werden die bekannten Schauspielerinnen Gesine Cukrowski, Ann-Kathrin Kramer und Barbara Auer das Leben der Autorinnen Bettina von Arnim, Else Lasker-Schüler und Erika Mann erzählen.
Abgeschlossen wird das Jubiläumsjahr mit einer Ausstellung über die Bibliothek, die im Dezember vorgesehen ist. rsd