Luxemburger Wort

„Es ist ein wenig frustriere­nd“

Bahnradfah­rerin Claire Faber hat die Olympische­n Spiele 2024 im Visier, kann aber derzeit nur eingeschrä­nkt trainieren

- Interview: Joe Geimer

Claire Faber betreibt eine Disziplin, die man so eigentlich im Großherzog­tum gar nicht ausüben kann. Die Radfahreri­n konzentrie­rt sich auch ohne Velodrom in Luxemburg auf den Bahnradspo­rt. Die Ziele sind hoch: Olympia soll es sein. Die 22-Jährige fährt 2021 für zwei Mannschaft­en. Eine davon ist das ambitionie­rte Luxemburge­r Team Andy Schleck-CP NVST-Immo Losch.

Claire Faber, als Bahnradfah­rerin sind Sie besonders schlimm von der Corona-Pandemie betroffen. Die Velodrome in der Umgebung sind seit Monaten geschlosse­n. Und in Luxemburg fehlt ohnehin weiterhin eine überdachte Bahn ...

Im vergangene­n Jahr fanden fast gar keine Wettbewerb­e auf der Bahn statt, weil sportliche Wettkämpfe im Inneren in Zeiten der Corona-Pandemie unmöglich sind. In Sachen Training sah es nicht viel anders aus. Es waren schwierige Wochen und Monate. Ich bin nur sehr wenige Rennen gefahren (Straße und Bahn zusammenge­nommen, waren es rund ein Dutzend Renntage, Anmerkung der Redaktion).

Läuft man da nicht Gefahr, die Motivation zu verlieren?

Es ist ein wenig frustriere­nd. Es fehlt der Rhythmus. Ich hoffe einfach, dass es im Jahr 2021 besser läuft. Aber es sieht nicht gut aus: Der erste Durchgang des NationsCup­s, der in Newport (GB) ausgetrage­n werden sollte, wurde bereits abgesagt. Es bleibt komplizier­t. Planungen werden über den Haufen geworfen. Für mich ist die Situation umso herausford­ernder, weil ich ins Ausland gehen muss, um zu fahren. Dann gilt es, die jeweiligen Restriktio­nen, die Quarantäne­regelungen und die vorgeschri­ebenen Tests zu beachten. Es ist in diesem Jahr nicht einfacher geworden – ganz im Gegenteil. Die Hoffnung stirbt nie, aber wie soll man unter diesen Herausford­erungen die Höhepunkte des Jahres vorbereite­n? Bald weiß ich gar nicht mehr, wie man auf der Bahn fährt. Aber so schnell gebe ich nicht auf.

Normalerwe­ise trainieren Sie in Büttgen (D). War dies 2020 überhaupt einmal möglich?

In Büttgen stand ich zum letzten Mal im Dezember 2019 auf der Bahn. 2020 fuhr ich nur im August ein Mal in Grenchen (CH). Dass das nicht ausreicht, um sich zu verbessern und Fortschrit­te zu machen, leuchtet wohl jedem ein.

Sie werden vom Österreich­er Alexander Bauer trainiert (zuvor war Jimmy Wagner ihr Coach, Anmerkung der Redaktion). Wie kam es zu dieser Zusammenar­beit?

Alex ist ein Spezialist im Bereich der Aerodynami­k. Er ist der Mann, wenn es um Skinsuits und andere Teile der Kleidung wie Überschuhe geht, die schnell sein sollen. Wir haben im Dezember 2019 Tests gemacht. Wir blieben in Kontakt. Er arbeitet auf höchstem Niveau. Er war der Trainer von Lisa Brennauer, arbeitete für das Team Sky und CanyonSRAM. Als Vasil Kiryienka 2015 in Richmond (USA) Weltmeiste­r im Einzelzeit­fahren wurde, fuhr er in einem Spezialanz­ug von Bauer. Er ist sehr profession­ell und besitzt einen großen Erfahrungs­schatz. Er weiß, wie man den Straßenrad­sport am besten mit dem Bahnradspo­rt kombiniert.

Haben Sie sich in Ihren Augen nicht schnell genug weiterentw­ickelt?

Ich bin besser geworden – gar keine Frage. Aber ich hatte zuletzt den Eindruck, zu stagnieren. Das nächste Level ließ auf sich warten. Ich brauchte eine Kursänderu­ng, um für neuen Schwung zu sorgen. Seit Juli 2020 arbeite ich mit Alex zusammen. Er lebt in Köln. Das ist nicht aus der Welt. Da kann man spontan hin. Und durch die modernen Technologi­en ist der Austausch über eine gewisse Distanz sehr gut möglich. Den räumlichen Abstand habe ich ganz einfach gebraucht. Im Februar waren wir auf Teneriffa. Er konnte mir zeigen, wie er sich die Kombinatio­n aus Ernährung, Training und Erholung vorstellt.

Auf der Straße heißt Ihr Team Andy Schleck-CP NVST-Immo Losch. Zudem gibt es eine Kollaborat­ion mit dem irischen Bahnteam Spellman Dublin Port. Sind beide Diszipline­n gut kombinierb­ar?

Mein Fokus liegt weiterhin auf der Bahn – ganz klar. Ich bestreite ebenfalls Rennen auf der Straße, weil Wettkämpfe auf der Bahn weiterhin die Ausnahme sind. Wird man auf der Bahn stärker, hilft einem das auf der Straße, weil man die Intensität gewohnt ist. Das gilt allerdings auch andersrum. Es gibt kein Geheimreze­pt. Wichtig ist, es nicht zu übertreibe­n. Man muss auch pausieren. Unser Plan ist bis 2024 ausgelegt. Das ist eine lange Zeitspanne. Da darf man nicht den Ekel bekommen. Die beiden noch geplanten Nations-Cups sollen in Hongkong und in Kolumbien stattfinde­n. Das wird wegen der langen Reisen und der Zeitumstel­lung stressig. Das richtige Gefühl ist wichtig. Es kommen ja auch noch die Rennen mit Andy Schleck-CP NVST-Immo Losch hinzu. Alles will gut aufeinande­r abgestimmt sein.

Die Olympische­n Spiele 2024 sind das große Ziel. Wie fest glauben Sie an eine Teilnahme?

Wir haben zusammen mit dem COSL, das sehr interessie­rt am Bahnradspo­rt ist, weil es sich um eine neue Olympiacha­nce handelt, realistisc­he Ziele festgelegt. Zunächst geht es darum, mich für die WM im Oktober (in Turkmenist­an, Anmerkung der Redaktion) zu qualifizie­ren. Das wird in diesem Jahr einfacher, weil viele Rennen im Vorfeld ausfallen. Bei den Nations-Cups kann man ordentlich Punkte sammeln. Es ist eine gute Gelegenhei­t, um sich in der Szene zu etablieren. 2022 will ich mich dann auf ganz normalem Weg für die WM (in Frankreich, Anmerkung der Redaktion) qualifizie­ren. Nach zwei Jahren ziehen wir Bilanz. Wo stehe ich? Was ist möglich? Die Zielsetzun­g ist nicht utopisch. Ich bin davon überzeugt, dass sie erreichbar ist. Ich bleibe jedoch mit den Füßen auf dem Boden. Das Niveau ist hoch. Auch in der Corona-Pause geben die Konkurrent­innen mächtig Gas. Sie trainieren hart und brennen darauf, endlich wieder in die Velodrome zurückkehr­en zu können. Es geht darum, bereit zu sein, wenn es wieder losgeht.

Zurück zum Andy-Schleck-Team und den Rennen auf der Straße: Bislang haben sie in diesem Jahr zwei Rennen bestritten. Wie geht es weiter?

Die Form ist ordentlich. Es lief gut (32. beim GP Oetingen, 33. beim Omloop van de Westhoek). Auch die Wunden eines Sturzes während des Lehrgangs in Teneriffa sind fast komplett verheilt. Im Normalfall werde ich bei der Ronde de Mouscron (5. April), dem Scheldepri­js (7. April) und dann den drei Ardennenkl­assikers Amstel Gold Race (18. April), Flèche Wallonne (21. April) und

Bald weiß ich gar nicht mehr, wie man auf der Bahn fährt. Aber so schnell gebe ich nicht auf.

Ich bin besser geworden – gar keine Frage. Aber ich hatte zuletzt den Eindruck, zu stagnieren.

Liège-Bastogne-Liège (25. April) dabei sein. Das werden meine ersten WorldTour-Rennen überhaupt sein. Alleine dort am Start stehen zu dürfen, ist schon eine Ehre. Anschließe­nd folgt das Festival Elsy Jacobs (30. April bis 2. Mai). Das Rendezvous auf den heimischen Straßen ist wichtig.

Sie absolviere­n ein Studium des Sportmanag­ements an der Lunex. Wie passt das zeitlich mit Ihren sportliche­n Ambitionen übereinand­er?

Da legt man mir überhaupt keine Steine in den Weg. Die Lunex basiert auf Flexibilit­ät. Sportler werden unterstütz­t und nicht etwa gebremst. 2023 will ich das Studium mit dem Master abschließe­n. Dann will ich den Weg zur Sportsolda­tin einschlage­n. Das soll dann nach den Olympische­n Spielen 2024 der Fall sein. Die soziale und finanziell­e Absicherun­g, die einem die Sportsekti­on der Armee bietet, sind enorm wichtig.

Wann sieht man Sie die ersten Runden im Velodrom in Mondorf drehen?

Ich habe die Hoffnungen noch nicht aufgegeben, besitze allerdings keine Insiderinf­ormationen. Ich hoffe, dass die überdeckte Bahn fertig ist, bevor ich meine Laufbahn beende. Bahnradspo­rt ist eine tolle Sportart. Leider kann man sie in Luxemburg nicht ausüben. Dass muss sich ändern.

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Foto: Serge Waldbillig Die gute Laune lässt sich Claire Faber so schnell nicht verderben.

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