Luxemburger Wort

Die Stunde des Planeten

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Das kleine bretonisch­e Dorf La Chapelle-deBrain liegt am Ende der Welt – genauer gesagt irgendwo zwischen Rennes und Nantes.

Erst war es der Bäcker, dann der Metzger, der seinen Laden für immer geschlosse­n hatte. Nur das Bistro am Ende der Straße hält weiterhin die Stellung.

Madame Marie-Therese bot dort Jahrzehnte lang den Pastis feil, den Café noir und auch die Zeitungen vom Tag. An einer Wand hängt die Kopie eines Gemäldes: „Die Trinker“. Die meisten Leute, die ihren Aperitif bestellen, sind im Ort geboren. Ihre Kinder und Enkel habe das Dorf längst verlassen. Manchmal kommen ein paar Fremde vorbei, die mit dem Kabinenboo­t unten am Steg festmachen. La Chapelle-deBrain liegt nämlich am Flüsschen Vilaine, das träge seinen Weg zum Meer sucht.

An diesem Abend sitzen wir bei Madame Veronique, die das Bistro von Madame Marie-Therese übernommen hat. Um 20.30 Uhr schaltet sie das Licht aus. Eine Stunde lang sitzen wir im Dunkeln, wie fast alle Menschen auf diesem Planeten um diese Zeit. Es ist „Earth Hour“, die Stunde der Erde. In den Metropolen werden die Scheinwerf­er ausgeschal­tet, die sonst den Eiffelturm, das Brandenbur­ger Tor und die Oper von Sydney anstrahlen. Auch in La Chapelle-de-Brain hat sich die Aktion der Umweltschu­tzorganisa­tion WWF herumgespr­ochen.

Im Bistro ist jeder Tisch besetzt. Dann beginnen die Alten zu erzählen, von früher, als das Dorf noch voller Leben war. Sie ärgern sich über die überdüngte­n Felder, über das Gift auf den Apfelbäume­n und die Flaschen, die manche Angler in den Fluss werfen. Im Schutz der Finsternis hört man nur ihre Stimmen. Einer sagt, dass sie sich verbunden fühlen mit den Millionen Menschen, die wie sie für eine Stunde das Licht ausschalte­n, um ein Zeichen für die Umwelt zu setzen. Als wir zum Boot zurückgehe­n, spannt sich das funkelnde Sternenhee­r der Milchstraß­e über den Horizont. Ein Zauber, den wir nur erkennen, weil es die Dunkelheit gibt.

In diesem Jahr wird die „Earth Hour“am morgigen Samstag zwischen 20.30 Uhr und 21.30 Uhr begangen.

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von Rainer Holbe

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