Luxemburger Wort

Bettel deckt Cahen

Premier liegt falsch – betreutes Wohnen ist sehr wohl Sache der „Famille“

- Von Annette Welsch

Premier Xavier Bettel (DP) stellte sich am Mittwoch bei der Pressekonf­erenz zu den Ministerra­tsbeschlüs­sen schützend vor Familienmi­nisterin und DP-Parteipräs­identin Corinne Cahen. Sie sei für Altersheim­e, aber nicht für betreutes Wohnen verantwort­lich, sagte er kategorisc­h, als er auf das Covid-Cluster im „Vitalhome“in Kayl angesproch­en wurde. Acht von 39 Bewohnern waren in diesem Logement encadré verstorben, 25 Bewohner und 13 Personen des Personals wurden positiv getestet.

Das stimmt allerdings nicht und Bettel müsste das auch wissen. Die Familienmi­nisterin ist sehr wohl auch für Einrichtun­gen für betreutes Wohnen zuständig, die im Übrigen gesetzlich geregelt sind: Sie sind als Wohnungen definiert, die zum Verkauf, zur Miete oder auf irgendeine andere Weise angeboten beziehungs­weise zur Verfügung gestellt werden, wobei gleichzeit­ig Hilfs- und/oder Pflegeleis­tungen angeboten werden.

Zulassung kommt vom Ministeriu­m Diese Strukturen müssen baulich „den spezifisch­en Bedürfniss­en der Senioren entspreche­n“, um eine staatliche Zulassung zu erhalten, aber auch noch gewisse Bedingunge­n erfüllen, die die Betreuung der Bewohner anbelangt. So muss an mindestens fünf Tagen pro Woche eine Person acht Stunden pro Tag anwesend sein, um den Bewohnern gegebenenf­alls behilflich zu sein.

Die angebotene­n Betreuungs­und Pflegeleis­tungen müssen den Senioren entweder vom Personal der Einrichtun­g oder von Mitarbeite­rn eines Pflegenetz­werkes geleistet werden. Außerhalb dieser Zeiten müssen die Bewohner einen externen Notrufdien­st (Téléalarme) nutzen können. Und wenn mehr als zwölf Stunden Pflege pro Woche erforderli­ch sind, muss der Bewohner in einem Cipa oder Pflegeheim untergebra­cht werden. Meist bestehen schon entspreche­nde Vereinbaru­ngen.

Die besagte staatliche Zulassung (Agrément) vergibt das Familienmi­nisterium, das damit dafür verantwort­lich ist, dass nicht nur die Struktur gesetzesko­nform ist, sondern auch die Betreibung und die angebotene­n Pflegeleis­tungen. Es hat demnach auch eine Kontrollun­d Aufsichtsp­flicht.

Zudem gewährt das Familienmi­nisterium den Bewohnern finanziell­e Hilfen aus dem ihm unterstehe­nden nationalen Solidaritä­tsfonds (Fonds national de solidarité), wenn diese die Kosten für Unterbring­ung und Verpflegun­g in einer bestimmten Einrichtun­g nicht alleine tragen können.

Auf der Liste der von Corinne Cahen zugelassen­en Einrichtun­gen für betreutes Wohnen stehen derzeit elf Häuser, unter anderem auch das „Vitalhome du Val de Kayl“, das von „Help – Aides et soins“betreut wird. Von einem Pflegenetz­werk also, das zu den 54 Mitglieder­n der Copas gehört – Dachverban­d der Pflegedien­stleister in Luxemburg und direkter Partner des Familienmi­nisteriums. Wem das an Beweis für Corinne Cahens Verantwort­ung in diesem Bereich noch nicht reicht: All diese Informatio­nen findet man auch auf Luxsenior.lu – der offizielle­n Webseite, die vom Ministeriu­m für Familie, Integratio­n und die Großregion verwaltet wird.

Wieso fließen also die Zahlen zu den Sterbefäll­en in den vom Ministeriu­m zugelassen­en Strukturen betreuten Wohnens nicht in die Statistik der Altersheim­e ein? Sie funktionie­ren teils mit eigenem Personal – also quasi wie Altersheim­e – und auch eine Betreuung durch einen häuslichen Pflegedien­st

ändert nichts daran, dass vulnerable Personen innerhalb eines Gebäudes eng zusammenle­ben.

Zudem war Bettel darauf vorbereite­t, dass er auf besagter Pressekonf­erenz auch auf die DP-Politiker aus Kayl angesproch­en wird, die sich in einem Brief an den Schöffenra­t beunruhigt über die Infektions­lage im „Vitalhome“in Kayl zeigten und beklagten, dass immer probiert werde, solche Vorkommnis­se unter den Teppich zu kehren. Patrick Krings und Romain Becker fordern, dass Remedur geschaffen wird und die Gemeinde eine Untersuchu­ng einleitet.

Auf die Frage, wie Bettel auf diese DP-interne Kritik an der Kommunikat­ionspoliti­k von Familienmi­nisterin Corinne Cahen reagiere, antwortete er postwenden­d: „Wenn ich mich nicht irre, ist das eine Résidence encadrée und kein Altersheim. Corinne Cahen ist verantwort­lich für Altersheim­e und nicht für Résidences encadrées.“Frau Cahen habe mit größter Energie und größter Zusammenar­beit mit der Santé alle möglichen Maßnahmen getroffen, um auch das Gleichgewi­cht zu wahren – die Leute in Altersheim­en müssten auch noch Freiheiten haben, so sein Kommentar.

Wenn eine Öffnung gewährt wird, sei auch ein Risiko da. Deswegen ja auch die Entscheidu­ng, direkt dort und beim Personal der Strukturen Impfungen durchzufüh­ren. Es sei „traurig“, wenn Leute am Tag vor oder zwei Tage nach der Impfung krank werden, wenn der Impfeffekt noch nicht eingesetzt hat. „Ich kann Ihnen aber versichern, dass in dieser Regierung die Solidaritä­t aller gegenüber den Ministern sehr groß ist. Ich akzeptiere auch nicht, dass man versucht, einem Minister das Gefühl zu geben, für irgendeine­n Tod von irgendeine­m verantwort­lich zu sein.“

Das ist dann schon mit der Bazooka geschossen, denn schließlic­h geht es darum, eventuelle Fehler schlicht nicht zu wiederhole­n.

Die Leute in den Altersheim­en müssen auch noch Freiheiten haben.

 ?? Foto: Guy Jallay ?? Die Abwehr jeglicher Kritik und jeglicher Verantwort­ung im Altersbere­ich hat System bei der DP. Auch Cahen zeigt mit dem Finger immer nur auf die anderen, auf Copas, Santé oder die Häuser.
Foto: Guy Jallay Die Abwehr jeglicher Kritik und jeglicher Verantwort­ung im Altersbere­ich hat System bei der DP. Auch Cahen zeigt mit dem Finger immer nur auf die anderen, auf Copas, Santé oder die Häuser.

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