Starke Anreize für die Türkei
EU-Gipfel: Mehr Impfstoff und Signale nach Ankara
Brüssel. Die zähe Corona-Impfkampagne in der Europäischen Union könnte nun endlich Fahrt aufnehmen. In den nächsten drei Monaten soll dreimal so viel Impfstoff kommen wie seit Jahresbeginn, wie Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Donnerstag beim EU-Videogipfel darlegte. Produktion, Lieferung und Abgabe sollen weiter hochgefahren werden.
Eine gemeinsame Linie fanden die 27 Staaten aber zur Türkei: Dem Land wird wegen der Entspannung im Erdgasstreit eine engere Partnerschaft in Aussicht gestellt. Mit einem digitalen Kurzbesuch von US-Präsident Joe Biden beim Gipfel wurde zudem der Neustart der transatlantischen Beziehungen gewürdigt. Derzeit gibt es zu wenig Impfstoff in der EU.
Kommissionschefin von der Leyen sagte aber: „Endlich kommen die Impfungen stetig voran.“Die Pandemielage sei angesichts der Ausbreitung der Virusvarianten sehr schwierig. Aber dass die Sterblichkeit weniger stark ansteige, zeige erste Erfolge bei der Impfung der Menschen über 80 Jahre. In den nächsten drei Monaten soll nach von der Leyens Angaben gut dreimal so viel Impfstoff kommen wie seit Jahresbeginn. Bislang wurden in der EU 62 Millionen Impfdosen verabreicht. 18,2 Millionen Menschen sind inzwischen zweimal geimpft. Die EU-Staaten sollen bis zum 31. März rund 100 Millionen Impfdosen erhalten. Für die Monate April bis Juni haben Pharmakonzerne 360 Millionen zugesagt. Rückendeckung gab es für die von der EU-Kommission eingeführten Kontrollen von Impfstoffexporten, allerdings sollen sie vorsichtig angewendet werden.
In dieselbe Richtung gingen die Aussagen vom ehemaligen EUKommissionspräsident Jean-Claude Juncker in der BBC-Sendung „Hard Talk“. Ursula von der Leyens Vorgänger warnte vor einer
Spaltung zwischen Großbritannien und der EU. Angesprochen auf die durch die Impfsituation weiter belasteten Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien, wurde Juncker deutlich: Er sei „kein Fan“davon, dass die EU-Kommission den Briten mit Exportstops für Impfstoffe drohe – das schade nicht zuletzt dem Ansehen der EU. „Wir müssen uns aus dem dummen Impfkrieg zurückziehen. Wir brauchen Dialog und Diskussion. Die kriegerische Atmosphäre gefällt mir nicht, wir brauchen Lösungen. Wir sind keine Feinde, sondern Verbündete.“Es gebe ein Problem zwischen der EU und dem Hersteller Astrazeneca, aber im engeren Sinne keins zwischen EU und Großbritannien, so Juncker.
Der Türkei entgegengekommen
Im Verhältnis zur Türkei setzt die EU auf eine Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche. In den vergangenen Monaten hatte es diverse schwierige Punkte gegeben: Erdgasstreit, Sorgen um Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte. Doch erkennt die EU Zeichen der Entspannung aus Ankara an. „Wir glauben angesichts der durchaus vorhandenen Meinungsverschiedenheiten, zum Teil auch tiefen Meinungsverschiedenheiten, dass trotzdem Sprachlosigkeit keine Antwort ist“, sagte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel.
So entschieden die 27 Staaten, mit den Vorbereitungen für eine Ausweitung der Zollunion zu beginnen. Auch eine Visaliberalisierung wurde Ankara indirekt in Aussicht gestellt. Darüber hinaus will die EU die Zusammenarbeit in der Migrationspolitik stärken. Dabei geht es vor allem darum, dass die Türkei gegen unerwünschte Einwanderung in die EU-Staaten vorgeht. Als Anreiz soll die EU-Kommission weitere Finanzhilfen für die Versorgung syrischer Flüchtlinge vorbereiten. M.K./dpa