Luxemburger Wort

Netanjahus Dilemma

Der israelisch­e Premiermin­ister kann nur im Amt bleiben, wenn er einen politische­n Spagatakt vollzieht

- Von Pierre Heumann (Tel Aviv)

Benjamin Netanjahu ist es auch beim vierten Anlauf nicht gelungen, eine Mehrheit der Parlamenta­rier hinter sich zu scharen. Zusammen mit den religiösen Parteien fehlen ihm neun Mandate, um auf 61 der 120 Abgeordnet­en zählen zu können. Der Block, der den Likud-Chef Netanjahu aus dem Büro des Regierungs­chefs verdrängen will, kann sich zwar auf mehr Stimmen abstützen. Doch auch er bringt es in der Knesset nicht auf eine absolute Mehrheit. Angeführt wird der „Änderungs-Block“vom Mitte-Rechts-Politiker Jair Lapid, dessen Zukunftspa­rtei bei der Wahl nach Netanjahus Likud am meisten Mandate erhielt. Zu seinem Block gehören unter anderem die Arbeitspar­tei und die neu gegründete Partei Neue Hoffnung.

Zünglein an der Waage sind aber zwei Parteien, die unterschie­dlicher nicht sein könnten. Die Jamina-Partei steht unter dem Vorsitz des ehemaligen High-Tech-Unternehme­rs Naftalie Bennett und vertritt die Interessen der Siedler. Die arabische Partei Raam wird vom Zahnarzt Mansour Abbas geleitet. Netanjahus Dilemma besteht darin, dass die beiden Parteien, die ihm in der Knesset die Mehrheit sichern könnten, diametral entgegenge­setzte Weltanscha­uungen vertreten. Der Einbezug der arabischen Partei könnte sich für ihn zudem als Bumerang erweisen. Denn die Religiöse Zionistisc­he Partei (RZP), weigert sich, mit ihr am Regierungs­tisch zu sitzen, womit Netanjahus Mehrheit gefährdet wäre. Die RZP ist ein Bündnis rechtsextr­emer Gruppen mit offen rassistisc­hen und homophoben Ideen. Eine derartige Partei in der Koalition zu haben wäre eine noch nie dagewesene Situation in Israel: „Es wäre ein Weg, deren rassistisc­he, extremisti­sche Ansichten zu legitimier­en“, schreibt zum Beispiel die „Jerusalem Post“. Das würde nicht nur innen-, sondern auch außenpolit­ische Probleme nach sich ziehen. Bei Israels neuen

Freunden am Persischen Golf, berichtet der in Jerusalem domizilier­te TV-Sender „Kan“, sei man „besorgt“über Minister aus der offen anti-arabischen und islamfeind­lichen Partei.

Und dass Netanjahu ernsthaft erwägt, mit Hilfe eines arabischen Politikers an der Macht zu bleiben, stößt bei Bürgern aus dem rechten Spektrum auf starke Kritik. Linke Israelis erkennen hingegen an, dass Netanjahu damit die politische Integratio­n der arabischen Minderheit fördert, nachdem er sie früher als „Gefahr“dargestell­t hatte. Die Araber in Israel, die rund 20 Prozent der Bevölkerun­g ausmachen, waren noch nie mit einer eigenen Partei in der Regierung vertreten.

Möglicher „Königsmach­er“mit Bedingunge­n Raam-Parteichef Abbas hat in den vergangene­n Monaten bereits Vorleistun­gen erbracht. So hat er in der Knesset dafür gestimmt, eine parlamenta­rische Untersuchu­ng gegen einen der Korruption­svorwürfe gegen Netanjahu zu blockieren. Seit den Wahlen hält Abbas sich alle Optionen offen: Mit seiner aktiven Teilnahme am demokratis­chen Prozess will er Einfluss ausüben, um sich für die Interessen der israelisch­en Araber einzusetze­n. Aus seinen Forderunge­n macht er kein Geheimnis. Palästinen­ser mit israelisch­em Pass sollten in der Verwaltung in „höheren und höchsten Positionen“angestellt werden. Zudem fordert er für die Araber bessere Wohnverhäl­tnisse und die Anerkennun­g von Dörfern im Negev.

Angesichts der seit zwei Jahren bestehende­n Patt-Situation fragen sich mittlerwei­le viele Israelis, ob das politische System je in der Lage sein werde, eine stabile Regierung zu bilden. Netanjahu macht inzwischen Druck auf Abgeordnet­e anderer Parteien. Mit dem Verspreche­n auf einflussre­iche Ministerpo­sten will er sie bei seinen politische­n Gegnern abwerben, um sich so die Mehrheit zu sichern.

Während sowohl Netanjahu als auch seine Widersache­r versuchen, eine mehrheitsf­ähige Koalition zu zimmern, drohen Netanjahu derweil neue Hürden. Im April beginnt der Prozess gegen ihn, bei dem ihm Bestechlic­hkeit in drei Fällen vorgeworfe­n wird. Das könnte die politische Landschaft erneut umkrempeln.

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Foto: AFP Für das von Benjamin Netanjahu angestrebt­e Bündnis rechter und religiöser Parteien gibt es keine Mehrheit in der Knesset.

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