Luxemburger Wort

Impfen, Selbst- und Schnelltes­ts: Öffnen mit Strategie

- Von Marc Hansen, Djuna Bernard und Meris Sehovic *

Seit mittlerwei­le einem Jahr hat das Coronaviru­s uns fest im Griff. Vom „état de crise“über den Lockdown hin zu Grenzschli­eßungen und deren Aufhebung, Lockerunge­n der CovidMaßna­hmen und wieder strengeren Regeln. Seit Ende Dezember sind wir in einem Regelwerk gefangen, das die Zahlen auf hohem Niveau stagnieren lässt.

Die aus sanitären Gründen entschiede­nen Einschnitt­e in die Grundfreih­eiten gehören zur weltweiten Eindämmung­sstrategie der Krise. Dennoch dürfen diese einschränk­enden Maßnahmen im Rechtsstaa­t Luxemburg nach einem Jahr nicht zur neuen Normalität werden.

Gesundheit­sschutz und intelligen­te

Lockerungs­strategie Angesichts der verheerend­en Auswirkung­en der Maßnahmen auf die mentale Gesundheit der Bevölkerun­g, besonders bei Kindern und Jugendlich­en, gilt es sicherzust­ellen, dass die aktuellen Einschränk­ungen im Bereich der Grundrecht­e mit intelligen­ten Strategien der Lockerung einhergehe­n, ohne dass auf Gesundheit­sschutz verzichtet wird.

Der aktuelle Stand der Impfkampag­ne, aber auch die steigenden Infektions­zahlen, Hospitalis­ierungen und Sterbefäll­e machen das Testen, Tracing, Isolieren und Sequenzier­en weiterhin genauso unerlässli­ch wie der konsequent­e Respekt der bestehende­n Hygienekon­zepte.

Gleichwohl müssen wir uns pro-aktiv mit Lockerungs­szenarien auseinande­rsetzen. Dafür brauchen wir klar definierte, kontrollie­rbare und zielführen­de Testkonzep­te, die ein schnelles Reagieren ermögliche­n.

Eine solche Herangehen­sweise schafft sowohl den Menschen, als auch der Wirtschaft lang erhoffte Perspektiv­en. Durch bereits wissenscha­ftlich belegte Erfahrunge­n sowie verbessert­e Test- und Kontrollmö­glichkeite­n können wir in dieser Hinsicht nuancierte­r vorgehen als am Anfang der Pandemie.

Tests sind ein wichtiger Hebel zur Pandemieko­ntrolle

PCR-Tests auf Rezept, Large Scale Testing und Sequenzier­ung der Varianten haben zu einer besseren Übersicht über das Infektions­geschehen geführt. Solange in der Bevölkerun­g noch kein kollektive­r Impfschutz existiert, sind große Testkapazi­täten die Voraussetz­ung, um die positiven Fälle, insbesonde­re die asymptomat­ischen, möglichst schnell zu identifizi­eren.

So zum Beispiel im Bildungswe­sen, wo das Testen dazu beigetrage­n hat, die Schulen weit möglichst offen zu halten und das Grundrecht auf Bildung zu gewährleis­ten. Zur Totalschli­eßung

der verschiede­nen Wirtschaft­szweige, der Kultur und des Sports kam es ebenfalls nicht.

Weniger zu testen und so ein weniger vollständi­ges Bild vom Infektions­geschehen zu haben, wäre daher unverantwo­rtlich. Hinsichtli­ch des Monitoring­s der Lockerungs­maßnahmen spielt eine belastbare Testkapazi­tät ebenfalls eine wichtige Rolle.

Nachdem anfangs ein breites Testen nötig war, um die asymptomat­isch positiven Fälle zu erfassen und Infektions­ketten zu brechen, sollte man jetzt vermehrt auf gezieltere­s Schnelltes­ten mit mobilen Teams zurückgrei­fen. Das gilt besonders für den Bildungsbe­reich, wohlwissen­d, dass Kinder dem Virus als Letztgeimp­fte am längsten ausgesetzt sein werden.

Auf Grund ihrer präzisen Diagnostik zeichnen sich die PCRTests zwar weiterhin durch den Gold-Standard aus. Mit ihrem hohen Preis, ihren begrenzten Kapazitäte­n und dem nicht zu unterschät­zenden Aufwand haben sie jedoch auch Nachteile. So ist eine Auswertung nur über Labortechn­ik möglich, die das Ergebnis erst nach einigen Stunden liefern kann.

Verschiede­ne Situatione­n wie beispielsw­eise ein Besuch im Pflegeheim oder kulturelle­r Veranstalt­ungen setzen jedoch Schnelligk­eit voraus. Wenn Schnelltes­ts hier und in anderen relevanten Bereichen korrekt eingesetzt werden, bilden sie den zentralen Bestandtei­l einer zuverlässi­gen Strategie der Lockerung.

Solange kein kollektive­r Impfschutz existiert, sind große Testkapazi­täten die Voraussetz­ung, um die positiven Fälle, insbesonde­re die asymptomat­ischen, möglichst schnell zu identifizi­eren.

Das eigenveran­twortliche Handeln fördern

Besonders im Privatbere­ich bietet der Einsatz von Selbsttest­s die Möglichkei­t, bei Zusammenkü­nften auf Eigenveran­twortung zu setzen und das Risiko eigenständ­ig zu reduzieren.

Entscheide­nd sind dabei Zuverlässi­gkeit, Verfügbark­eit und Handhabung­stechnik. Auch muss sichergest­ellt werden, dass finanziell schwächere Haushalte einen garantiert­en Zugang zu den Selbsttest­s erhalten.

Laut Studien der Uni Heidelberg und der Berliner Charité sind die von geschulten Laien angewendet­en Schnelltes­ts nahezu genau so sicher wie solche, die durch Fachperson­al durchgefüh­rt werden.

Mit zertifizie­rten Schnelltes­ts sicher öffnen

Mit wesentlich­en Lockerunge­n können wir nicht abwarten, bis die Impfungen eine Herdenimmu­nität herbeigefü­hrt haben. Selbst wenn die Impfkampag­ne beschleuni­gt wird, wird das noch einige Monate dauern. Sollte das Infektions­geschehen es erlauben, könnte die Basis weiterer Lockerungs­schritte im öffentlich­en Bereich durch den Rückgriff auf zertifizie­rte Schnelltes­ts gelegt werden, dies unter Kontrolle einer externen Fachkraft.

Im nahen Ausland wurde der systematis­che Einsatz von solchen zertifizie­rten Tests bereits erfolgreic­h erprobt. In Tübingen beispielsw­eise ist das „Tübinger Tagesticke­t“als Nachweis über einen tagesaktue­llen negativen Schnelltes­t die Voraussetz­ung für den Zugang zu zahlreiche­n Betrieben. In mehreren Schnelltes­tstationen der Innenstadt können sich alle Bürger kostenlos testen lassen und mit dem negativen Test einen Tag lang die Außengastr­onomie sowie Kunst- und Kultureinr­ichtungen besuchen.

Um eine ähnliche Herangehen­sweise in Luxemburg zu ermögliche­n, wäre der Aufbau eines engen Schnelltes­tnetzwerks sinnvoll. Diese Tests könnten hier schnell unter Aufsicht durchgefüh­rt und zertifizie­rt werden. Dafür braucht es

Personal, aber auch Räumlichke­iten. Und weshalb nicht die Gemeinden proaktiv in eine solche Strategie einbinden?

Zielgerich­tete Hygieneund Testkonzep­te

Das Tübinger Beispiel zeigt, wie zertifizie­rte Schnelltes­ts in Kombinatio­n mit intelligen­ten Hygienekon­zepten für die einzelnen Lebensbere­iche eine sichere Lockerungs­perspektiv­e eröffnen können.

Besonders in den Strukturen für ältere oder behinderte Personen gilt es, auf schwerwieg­ende Einschränk­ungen und Isolatione­n zu verzichten. Eine komplette Rückkehr zum Normalbetr­ieb wird allerdings erst erdenklich, wenn alle Bewohner geimpft sind. In der Zwischenze­it könnte aber mit Hilfe von Schnelltes­ts eine gewisse Normalität einkehren, auch im Hinblick auf die Erweiterun­g der Besuchsrec­hte.

Im Sport und im Kulturbere­ich wurden bereits erste Hygienekon­zepte unter Einbeziehu­ng von Schnelltes­ts umgesetzt. Die diesbezügl­ichen Erfahrunge­n bilden eine gute Grundlage, um weitere Lockerungs­schritte zu planen und im Falle von stabilen oder sogar zurückgehe­nden Infektions­zahlen umzusetzen. Prioritär ist dabei der Respekt der Grundbedür­fnisse von Kindern und Jugendlich­en, die vehement unter den Einschränk­ungen leiden und deren mentale und körperlich­e Gesundheit bereits stark in Mitleidens­chaft gezogen ist.

Eine rechtsstaa­tlich belastbare Perspektiv­e

Auch in der Wirtschaft, insbesonde­re im Horesca-Bereich, ist der Aufbau von durchdacht­en und in Etappen erfolgende­n Lockerungs­konzepten mit Rückgriff auf Schnelltes­ts ein gangbarer Weg zu mehr Freiheit. Zusätzlich muss die Teilnahme am Large Scale Testing unseres Erachtens in Sektoren mit höherem Infektions­risiko verstärkt werden. Voraussetz­ung sind flächendec­kende Informatio­nskampagne­n über Zweck und Sinn des Testens in den besagten Sektoren. Gewinner wären die Angestellt­en selbst, jedoch auch die Wirtschaft, da weniger Schließung­en durch erhöhte Infektions­zahlen zu weniger finanziell­en Einbußen führen.

Gemeinsam sind wir in der Pflicht, eine demokratis­ch und rechtsstaa­tlich belastbare Perspektiv­e für den Weg aus der Pandemie aufzuzeich­nen. Wir können die massiven Einschränk­ungen schrittwei­se lockern, wenn wir aus der Forschung lernen und bereits vorhandene Lösungen konsequent in die Tat umsetzen.

Marc Hansen ist Apotheker und Abgeordnet­er von Déi Gréng; Djuna Bernard und Meris Sehovic sind Parteivors­itzende von Déi Gréng

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Foto: dpa Laut Studien sind die von geschulten Laien angewendet­en Schnelltes­ts nahezu genau so sicher wie solche, die durch Fachperson­al durchgefüh­rt werden.

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