Ein überdimensionales Prestigeobjekt für 18 Millionen Euro
Über die geplante Rad- und Fußgängerbrücke von Cents nach Kirchberg
Die Stadt Luxemburg hat kürzlich das Vorprojekt einer gigantischen Rad- und Fußgängerbrücke von Cents über Neudorf nach Kirchberg vorgestellt. Ich habe mir die Unterlagen auf der Website der Stadt etwas genauer angeschaut:
Mobilität: Mit dem „nicht mehr diskutierbaren“Standort wird der wohl ungünstigste Platz zurückbehalten: auf Cents weit entfernt von den neuen Residenzvierteln und vom Bahnstopp Cents-Hamm; auf der Weimershofer Seite, wo Place d'Europe, Nationalbibliothek, Einkaufszentrum, Kino, Krankenhaus und Rehazenter gleichermaßen weit weg sind. Der Kritik von Seiten des Neudorfer Syndicats ist da nichts hinzuzufügen.
„Vorteile hinsichtlich der technischen Machbarkeit“: gestatten Sie, große Zweifel! Die geplanten Widerlager der Brücke sollen aus Beton gegossen werden, je Block – nach vorsichtiger Schätzung – mehrere tausend Tonnen. Für jeden Block ist noch eine gehörige Aufschüttung des Hanges notwendig. Und das alles knapp oberhalb der mittleren Talhänge, die wegen der weichen Fels- und Bodenbeschaffenheit
während der letzten PAG / PAP-Anpassung als Risikozonen deklariert worden waren. Wir haben beobachten können, dass Bohrungen zur Bodenuntersuchung an wenigen Stellen und erst im Dezember 2020 erfolgten; dass nur zwei Monate danach ein Vorprojekt mit schon dimensionierter Verankerung der geplanten Widerlager vorliegt, sollte für die Stadt zumindest Anlass sein, die Bodenstabilitätsanalyse ganz genau prüfen zu lassen und zu publizieren. „Herrlicher Panoramablick auf die Stadt“: Nun ist es offensichtlich: es geht vor allem ums Prestige, um Wettbewerb mit Eiffelturm, London Eye und Co. Der Blick in die Privatsphäre der Anrainer ist inklusive, wirbt der Architektentext zum für Neudorf geplanten Lift unverholen!
„Jede neue Infrastruktur hat viele Nutzer gebracht“: vielleicht. Absehbar ist, dass es in die falsche Richtung gehen wird. Ich bin sicher, dass man von Cents, Contern und Sandweiler auch weiterhin vornehmlich mit dem SUV nach Kirchberg zum Einkaufen, ins Büro oder in die Philharmonie fahren wird. Einige werden sich den Bus antun oder antun müssen. Bleibt die überschaubare Zahl der wirklich sportlichen AllwetterBiker, die an all den Tagen kleiner wird, an denen bei ihnen Kinder plus Einkaufen auf dem Zettel stehen. Die Anzahl der Leute, die diese Brücke regelmäßig nutzen, wird am Ende so gering sein, dass sie in Sachen Gesamtentlastung der Stadt von Autoverkehr keinerlei positive Auswirkung haben wird. Ab hier darf man sich fragen: ist das alles mehr als 18 Millionen Euro öffentlicher Gelder wert?
Leider erörtert der Artikel Umweltaspekte und die Lebensqualität der Anrainer während der Bauzeit und mit der Brücke überhaupt nicht. Was mich wirklich bewegt ist, wie so viel Geld für so ein „nice-to-have“-Objekt zu justifizieren ist in einem Land, wo es z. B. an bezahlbarem Wohnraum besonders für die junge Generation fehlt?
Steffen Köhler, Luxembourg
Dies ist eine Reaktion zum Artikel „Über den Dächern von Neudorf“vom 20. März 2021.