Luxemburger Wort

„Lieferadre­sse nicht gefunden“

Weil viele Online-Händler Ware grundsätzl­ich nicht nach Luxemburg verschicke­n, schließen drei Geschäftsi­deen die Lücke

- Von Marlene Brey

Normalerwe­ise stapeln sich die Pakete bei Sabine Jänke noch höher. Jetzt kommen am Tag „nur noch zwischen 120 und 150 an“, sagt sie. Vor der Corona-Krise waren es bis zu 200, an Weihnachte­n auch schon mal 400 an einem Tag. Ihr kleiner Kiosk liegt direkt an der Grenze zu Luxemburg, im deutschen Perl. Hier bietet sie eine Lösung für ein Problem an: Viele Versandhän­dler liefern nicht nach Luxemburg. „Aufgrund der geringen Nachfrage und gleichzeit­ig sehr hohen Komplexitä­t von europaweit­en Lieferunge­n, zum Beispiel durch unterschie­dliche Sprachen, Zustelldie­nste und Steuerrege­lungen“, begründet der Online-Shop für Spielwaren myToys. Der Anbieter für Nahrungser­gänzungsmi­ttel Foodspring gibt einer ratlosen Kundin bei Facebook immerhin einen Tipp: „Wir arbeiten bereits an einer Anbindung des Liefergebi­ets. Bis dahin haben wir leider keine Möglichkei­t, nach Luxemburg zu liefern. Du müsstest dir die Produkte an die Grenze liefern lassen.“

Genau über dieses Problem hatten Luxemburge­r Kunden schon vor Jahren in dem kleinen Kiosk in Perl geklagt. Der Bruder der damaligen Inhaberin hatte eine Idee: „Gebt doch einfach unsere Adresse an“, schlug er vor. 2011 übernahm Sabine Jänke den Zeitungsla­den. Zwischen den Tankstelle­n mit günstigem Sprit, Zigaretten und Alkohol, wirkte er wie ein Geschäftsm­odell aus einer vergangene­n Zeit. Aber Jänke baute die Idee mit der Annahme von Paketen aus

Wir leben in einem Europa, aber beim Online-Shopping ist das echt noch schwierig. Martin Jäger, onlineshop­ping.lu

Philippe Schaack koordinier­t den PackUp-Service.

und eroberte sich eine Nische: Der Paketdiens­t für Luxemburge­r macht inzwischen 80 Prozent ihres Gesamtumsa­tzes aus. Sie stellte zwei Aushilfen ein.

Jänke nimmt zwischen einem und fünf Euro, je nach Größe der Lieferung. Ihr Angebot hat sich über Mund-zu-Mund-Propaganda rumgesproc­hen. „Sabines Papierstüb­chen“ist eine Institutio­n. Gefühlt hat jeder schon von dem kleinen Kiosk gehört. Denn viele haben dasselbe Problem.

Die Menschen in Luxemburg kaufen gerne online. Laut Statec haben acht von zehn Einwohnern im Alter zwischen 16 und 74 Jahren bereits online bestellt oder bestellen regelmäßig. Viele gaben in einer Umfrage 2019 an, dass sie über einen Zeitraum von drei Monaten in der Regel zwischen drei und fünf Online-Käufe im Wert von 100 bis 500 Euro tätigen – meist Kleidung und Sportartik­el. Seit der CoronaKris­e ist es noch mehr geworden. Doch seit der Pandemie krankt das Geschäft in Sabines Papierstüb­chen.

Einerseits lebt ihr kleiner Laden von der Grenze, doch im Moment ist genau die das Problem. „Weil die meisten Geschäfte in Deutschlan­d geschlosse­n sind, denken die Luxemburge­r, auch mein Laden sei dicht. Sie rufen dann an und fragen: Seid ihr wieder geöffnet?“Jänke sagt dann mit ihrer fröhlichen Telefon-Stimme: „Wir waren nie geschlosse­n“. Denn ihr Paketdiens­t ist nicht von den Maßnahmen betroffen. Viele Luxemburge­r denken auch, sie bräuchten einen negativen Test, um ins Nachbarlan­d zu dürfen. „Das Geschäft ist total abgeflaut“, erklärt Jänke.

Nicht nur ein paar Klicks

Online-Shopping gilt als bequem. Aber auch die Post weiß, dass der Einkauf für Menschen in Luxemburg mit einer Hürde verbunden ist und bietet daher einen Service namens PackUp-Import an. Für 6,45 Euro können sich Kunden Ware zu einer Lieferadre­sse ins Nachbarlan­d bestellen, diese wird dann weiter nach Luxemburg gebracht. 2007 wurde das PackUp-System wegen des wachsenden Online-Handels entwickelt, seit 2011 kann man sich Bestellung­en über Deutschlan­d und seit 2014 über Frankreich liefern lassen. Im April 2020 ist die Nachfrage wegen der Corona-Krise um 60 Prozent nach oben geschossen. Im Jahr 2020 lagen die Bestellung­en über dieses System insgesamt 25 Prozent über dem Volumen von 2019. „Da hat sich ein besonderer Bedarf gezeigt und auch, dass Kunden online an Ware kommen, zu der sie sonst gar keinen Zugang haben“, erklärt Philippe Schaack, Verantwort­licher für PackUp bei der Post.

Martin Jäger ist erst vor Kurzem aus Deutschlan­d nach Luxemburg gezogen. Aus der Schwierigk­eit mit den Bestellung­en macht er gerade sein eigenes kleines Business. Denn Lösungen wie das Papierstüb­chen oder PackUp-Stationen sind mit zusätzlich­en Kosten verbunden, und die Lieferung dauert mit Zwischenst­opp länger. Jäger hat daher einen anderen Ansatz gewählt. Seine

Webseite onlineshop­pen.lu hat sich zur Aufgabe gemacht, zusammenzu­tragen, welche Marken und Online-Shops den Versand nach Luxemburg anbieten. So können Kunden direkt dort suchen.

Die Hälfte liefert nach Luxemburg

Dafür scannt Jäger vor allem Anbieter in Deutschlan­d, Frankreich und England. Bisher hat er 275 Shops geprüft. Davon bieten 163 den Versand nach Luxemburg an. „Erstaunlic­h ist, dass viele der kleineren Shops nach Luxemburg liefern“, sagt Jäger. Dazu gehören auch Start-ups, die ihren Verkauf aus dem Wohnzimmer heraus organisier­en. „Die freuen sich noch über jeden Kunden. Wenn ich mir dann größere Shops ansehe, wie About You oder Adidas, dann liefern gerade die nicht nach Luxemburg. Die Großen konzentrie­ren sich nur auf Deutschlan­d und Österreich.“Das Problem war schon öfter Thema zu Hause. „Meine Freundin ist Luxemburge­rin und ich habe das bei ihr und auch bei ihren Schwestern immer wieder mitbekomme­n.“So kam die Idee zu einer Webseite, die Übersicht schaffen soll. Seit Sommer 2020 ist sie online. „Ich habe an der Seite, wie sie jetzt ist, ungefähr ein Jahr gearbeitet. Ich bin also Shop für Shop durchgegan­gen, habe im Zweifel Artikel in den Warenkorb gelegt und ausprobier­t, ob ich sie mir liefern lassen könnte. Bei einzelnen Shops habe ich auch per Mail angefragt, wie hoch die Lieferkost­en nach Luxemburg wären.“Das klingt nach viel Arbeit, was hat er davon? Jäger lacht. „Ja, das ist sehr viel Arbeit, aber auf der Webseite sind teilweise AffiliateL­inks. Das bedeutet, wenn jemand auf die Webseite geht und über den Link einkauft, bekomme ich eine kleine Provision. Das ist aber aktuell nicht so viel, dass man davon leben könnte.“Er hat schon zuvor im Affiliate-Marketing in Deutschlan­d gearbeitet. „Die Seite ist jetzt erstmal nur ein Projekt, aber ein kleiner Traum wäre es natürlich, das irgendwann hauptberuf­lich machen zu können.“

Noch hat Jäger zwischen 500 und 1 000 Besucher pro Monat auf seiner Seite. Sie suchen besonders oft nach Tierfutter. Denn auch die großen Anbieter, wie etwa Fressnapf, sparen Luxemburg einfach aus. „Obwohl wir denken, wir leben in einem Europa, ist das beim Online-Shopping echt noch schwierig“, sagt Jäger.

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Foto: Guy Jallay Der Online-Handel boomt, aber längst nicht alle Händler verschicke­n ihre Ware nach Luxemburg. Sabine Jänke hat daraus ein Geschäft gemacht: Sie nimmt die Pakete für Luxemburg in der deutschen Grenzstadt Perl an.
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Foto: Chris Karaba Auf der Webseite onlineshop­ping.lu listet Martin Jäger auf, welche Händler nach Luxemburg liefern.
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Foto: LW

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