Luxemburger Wort

100 Jahre Luxemburge­r Kunst in Strassen

Eine einmalige Dichte und zugleich viel Unbekannte­s, denn die meisten der ausgestell­ten Werke sind im Privatbesi­tz

- Von Marc Thill

Wer einiges über die Luxemburge­r Kunst erfahren möchte, der sollte diese einmalige Ausstellun­g im Kulturzent­rum Paul Barblé in Strassen nicht verpassen: 130 Gemälde, Skulpturen und Fotografie­n von 66 Künstlern geben dem Besucher einen berauschen­den Einblick in das künstleris­che Schaffen der letzten hundert Jahre im Großherzog­tum.

Es ist eine einmalige Dichte an gleicherma­ßen herausrage­nden und unbekannte­n Werken, denn die gezeigten Objekte stammen zu einen großen Teil aus privatem Besitz. Einige wurden von Gemeinden zur Verfügung gestellt, aber keines der ausgestell­ten Werke ist eine Leihgabe eines Museums.

„Genau dieser Aspekt macht diese Ausstellun­g dermaßen interessan­t“, betont Kurator Jean Fetz, zugleich auch Präsident des Lëtzebuerg­er Artisten Center, anlässlich der Vernissage, „es sind Überraschu­ngen dabei, wichtige Werke, die nur wenige bislang gesehen haben.“

Der Kurator dieser Kunstschau ist sichtlich berührt, als er erstmals Besucher durch seine Ausstellun­g führt. Auch wenn „100 Joer Lëtzebuerg­er Konscht“keinesfall­s den Anspruch erhebt, die Kunst Luxemburgs in seiner vollen Breite und ganzen Tiefe darstellen zu wollen, so zeugt sie dennoch vom kulturelle­n Reichtum eines kleinen Landes und ehrt viele Künstler, die allesamt die luxemburgi­sche Kunstlands­chaft über eine lange Zeit nachhaltig geprägt haben. „Zwei Jahre haben wir hieran gearbeitet“, betont der Kurator. Ursprüngli­ch war die Schau für 2020 geplant. Wegen der Pandemie hat einiges aber zeitlich verschoben werden müssen, was bei der Planung natürlich eine enorme zusätzlich­e Mühe gekostet hat.

„Ich musste das Vertrauen der Leihgeber gewinnen und über die Zeit auch aufrecht halten“, erklärt Jean Fetz. „Als dann der Termin der Ausstellun­g gekommen ist, mussten Verpackung­en, Spezialtra­nsporte, und, und, und organisier­t werden, um die Gemälde und Skulpturen sicher in die Ausstellun­gsräume zu bekommen.“

Eine Auswahl ist immer subjektiv

Das Centre Barblé mit seinen verwinkelt­en Räumen auf unterschie­dlichen Ebenen ist zu einer richtigen Höhle des Ali Baba geworden. Die fast museale Retrospekt­ive zeichnet die Entwicklun­g der luxemburgi­schen Kunst chronologi­sch nach, beginnend im 20. Jahrhunder­t mit impression­istischen oder expression­istischen Gemälden von Dominique Lang, Joseph Kutter, Nico Klopp und Jean Schaack, über Michel Stoffel und Henri Dillenburg, die für ihre abstrakten Bilder bekannt sind, bis hin zu Foni Tissen und dessen Surrealism­us. „Unser James Ensor“, schwärmt Jean Fetz über Tissen. Drei Bilder werden stellvertr­etend für sein Lebenswerk gezeigt, darunter ein Gemälde seines Heimathaus­es in Rümelingen sowie „L'enterremen­t“, ein Bild, in dem sich der Künstler auch indirekt über die Kunstkriti­k lustig macht.

Robert Brandy, Patricia Lippert, Jean-Marie Biwer und Moritz Ney, die die 1980er Jahre geprägt haben, sind ebenso vertreten wie die Konzeptkun­st von Marco Godinho und Su Mei-Tse oder die PopArt von Michel Majerus. Die Fotografie­n von Edward Steichen, Daniel Wagener, Michel Medinger und Jeff Weber geben einen Überblick über die Welt der Fotografie, derweil die Skulpturen von Auguste Trémont, Bertrand Ney, Jhemp Bastin und Lucien Wercollier die Entwicklun­g der plastische­n Kunst verdeutlic­hen. Nicht vergessen wurde in dieser Retrospekt­ive

die urbane Kunst von Sumo oder der Malerin Tina Gillen, die Luxemburg auf der nächsten Biennale von Venedig vertreten wird.

„Ich habe getan, was machbar war“, warnt Jean Fetz, der sich bewusst ist, dass man ihm auch einiges unterstell­en wird: Warum dieser eine Künstler und nicht dieser andere? Warum dieses Werk und nicht das? Es sei immer eine subjektive Auswahl, zudem sei auch die Ausstellun­gsfläche im Kulturzent­rum beschränkt – mehr Werke als die ausgestell­ten hätten nicht reingepass­t. „Klar macht man sich bei einer solchen Arbeit die Hände schmutzig, aber nur wer die Kunst liebt, hat auch den Mut dazu, das zu tun“, meint Fetz und verweist auf die geleistete Arbeit.

Wer beim Besuch dieser Ausstellun­g seinen ersten Blick durch den Hauptraum schweifen lässt, wird dabei förmlich angezogen von großflächi­gen Werken von Brandy,

Biewer und Roda. Derweil Fernand Roda mit seinem Ölbild „De Gringewald“in seiner gesamten Fülle mit einem satten Grün darstellt, konzentrie­rt sich Jean-Marie Biwer auf zwei, drei schlanke Birkenstäm­me auf blauem Hintergrun­d. Davor findet der Besucher dann – ganz passend zu Bäumen und Wäldern – die Holz-Skulpturen von Marie-Josée Kerschen und Jhemp Bastin.

Blickfang Kutter, Gerson, Klopp

Ein Blickfang sonderglei­chen mit besonderer Ausstrahlu­ng ist aber auch ein schmaler Flur, dessen Wände mit rotem Tuch überhängt wurden und in dem Gemälde unter anderem von Kutter, Gerson, Klopp und Rabinger ausgestell­t sind. Skulpturen von Auguste Trémont dialogiere­n mit denen von Lucien Wercollier und Jean Mich.

Diese Ausstellun­g ist ganz bestimmt ein Meilenstei­n, was die Luxemburge­r Kunst anbelangt.

 ?? Fotos: Gerry Huberty ?? Tierskulpt­ur von Auguste Trémont „Panthère noire“im Dialog mit „La Rampante“(1962) von Lucien Wercollier (großes Bild); Bronzeskul­ptur „Vache l'enfonçant“von Charles Kohl vor einem Gemälde von Brandy (oben rechts); Alabasters­kultur von Tom Flick vor zwei Acrylmaler­eien von Sumo (untern rechts).
Fotos: Gerry Huberty Tierskulpt­ur von Auguste Trémont „Panthère noire“im Dialog mit „La Rampante“(1962) von Lucien Wercollier (großes Bild); Bronzeskul­ptur „Vache l'enfonçant“von Charles Kohl vor einem Gemälde von Brandy (oben rechts); Alabasters­kultur von Tom Flick vor zwei Acrylmaler­eien von Sumo (untern rechts).
 ??  ?? „Jeune homme à la rose“, eine Skulptur in Bronze von Jean Mich, dahinter ein Ausstellun­gsraum mit viel Ausstrahlu­ng und Werken unter anderem von Kutter, Klopp, Gerson und Rabinger.
„Jeune homme à la rose“, eine Skulptur in Bronze von Jean Mich, dahinter ein Ausstellun­gsraum mit viel Ausstrahlu­ng und Werken unter anderem von Kutter, Klopp, Gerson und Rabinger.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg