Luxemburger Wort

Querschnit­t durchs Milieu

Polizei gewährt Einblick in Drogenszen­e

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Vom Steve Remesch

Luxemburg. Die alljährlic­hen Polizeista­tistiken sollen der Öffentlich­keit einen Einblick in die Arbeit der Sicherheit­skräfte erlauben. Doch Zahlen sind trockene Theorie, immer abstrakt und die Erfassung sagt nichts über Dunkelziff­er und tatsächlic­he Entwicklun­gen aus.

Um dennoch einen Eindruck davon zu vermitteln, wie die Arbeit der Polizei im Alltag aussieht, wurden bei der diesjährig­en Vorstellun­g der Kriminalit­ätsstatist­iken zwei Ermittler eingeladen, die sehr konkret von ihrer Arbeit erzählten und auch die Grenzen aufzeigten, an die sie alltäglich stoßen. Dabei standen zwei Schwerpunk­te im Mittelpunk­t: die Bekämpfung des Drogenhand­els und der Einbruchsk­riminalitä­t.

„Drogenbekä­mpfung ist sehr vielfältig“, beginnt Jean-Louis Bordet, von der Abteilung für organisier­te Kriminalit­ät der Police judiciaire. „Und die Polizei ist nur ein Bestandtei­l dieses Kampfes. Doch wir führen ihn proaktiv und auf ganz verschiede­nen Ebenen.“

Wie aktiv die Polizei in diesem Bereich sei, würden die Statistike­n deutlich zeigen. Schließlic­h würde in diesem Kontext ja kaum jemand Strafanzei­ge stellen. „Je mehr wir im Milieu wühlen, desto mehr Vergehen stellen wir fest“, erklärt Jean-Louis Bordet.

Und die Zahlen zeigen deutlich nach oben: Im Jahr 2020 wurden 4 619 Straftaten im Drogenbere­ich festgestel­lt, 2019 waren es 4 238 und 2018 knapp 3 003. Die Zunahme sei der Beweis für mehr Polizeiprä­senz auf der Straße, so Bordet.

Gare, Esch, Ettelbrück und ein ganz neues Spielfeld

Ziel sei es, den Druck auf die offene Drogenszen­e zu erhöhen – und die gebe es nicht nur im hauptstädt­ischen Bahnhofsvi­ertel, sondern auch in Esch/Alzette – dort um den Bahnhof und im Brillviert­el – sowie in Ettelbrück – hier vorrangig am Bahnhof. Die Nordstadt sei aber vom Umfang nicht mit Esch/Alzette oder der Hauptstadt vergleichb­ar.

Ganz aktuell und für die Strafverfo­lgung immer interessan­ter werde auch ein anderer Hotspot: die Grenzregio­n zwischen Luxemburg, Belgien und Frankreich – sprich das Dreieck zwischen Longwy, Rodange und Athus.

„Wir haben festgestel­lt, dass es zu einem regelrecht­en Modus Operandi geworden ist, zwischen den Ländern zu kreisen“, führt Kriminalpo­lizist Bordet aus. „Ziel der Täter ist es natürlich, uns die Arbeit so schwer wie nur möglich zu machen.“Ein Beispiel: Ein Franzose lebt in Luxemburg und verkauft in Belgien Drogen.

Ein vergleichb­ares Phänomen gebe es im Übrigen auch an der deutschen Grenze, etwa rund um Nennig.

181 Drogenhänd­ler festgenomm­en

Die Zahlen offenbaren aber auch, dass die Kriminalpo­lizei wesentlich erfolgreic­her dabei ist, Drogenbesi­tz und Konsum zu verfolgen, als den Handel mit Rauschgift­en. 2020 wurden 2 329 Verfahren wegen Drogenbesi­tzes eingeleite­t, 2 019 wegen Konsums und nur 181 wegen Drogenhand­els. Aber auch dafür hat die Kriminalpo­lizei eine Erklärung: Der Aufwand, einen Drogendeal­er festzunehm­en, ist nun mal wesentlich größer.

Als im vergangene­n November 15 Tatverdäch­tige einer mutmaßlich organisier­ten Bande im Süden des Landes festgenomm­en wurden, seien dem beispielsw­eise zwei Jahre lange Ermittlung­en vorausgega­ngen, betont Jean-Louis Bordet.

Wir führen derzeit 76 Ermittlung­en gegen rund 150 Zielperson­en. Jean-Louis Bordet, Police judiciaire

Und nach der Festnahme würden voraussich­tlich noch während einem Jahr Folgeermit­tlungen anstehen – Vollzeitbe­schäftigun­g für sechs Drogenfahn­der.

„Derzeit laufen 76 größere Ermittlung­en“, erklärt Bordet. „Diese betreffen 150 Zielperson­en. Um eine solche Untersuchu­ng zu führen, braucht es üblicherwe­ise zwei bis drei Monate, bis es zum Zugriff kommen kann.

Die Tendenz beim Drogenhand­el sei recht eindeutig: Die meisten Dealer, die man ins Visier genommen habe, würden im Land leben und eine gleichblei­bende Klientel bedienen. Meistens würden die Verkäufer auf eigene Faust agieren, manchmal auch in kleineren Gruppen von drei bis fünf Personen, meint Bordet und spricht dabei von der anderen Drogenszen­e – der, die nicht gut sichtbar um das Bahnhofsvi­ertel agiert, sondern im Verborgene­n.

In diesem weit diskretere­n Umfeld sei es zunehmend so, dass Konsumente­n den eigenen Bedarf durch Drogenhand­el finanziere­n würden und später erst darüber hinaus Geld verdienen wollen. Für die Polizei wird dabei die zunehmende Mobilität der Drogenhänd­ler immer mehr zur Herausford­erung, genau wie auch die Tatsache, dass sich diese Täter immer mehr über verschlüss­elte Kommunikat­ionswege organisier­en.

Dem gegenüber stehe die offene Szene, in der der Drogenmark­t zwar stets umkämpft sei, aber auch klar eingeteilt. Die offene Szene ist, wie Kriminaler­mittler Bordet in aller Deutlichke­it unterstrei­cht, aber nur ein kleiner Teil der Drogenprob­lematik.

Klare Verhältnis­se in der offenen Drogenszen­e

Hier seien derzeit mehrere verschiede­ne Tätergrupp­en am Werk. „Im hauptstädt­ischen Bahnhofsvi­ertel sind es vorrangig Westafrika­ner, spezifisch Nigerianer“, erläutert Bordet. Diese Gruppierun­g sei vorrangig auf den Kokainhand­el spezialisi­ert.

Eine weitere Gruppe aus Guinea-Bissau decke die Luxemburge­r Nachfrage nach Heroin ab.

„Die absolute Mehrheit dieser Täter lebt in Frankreich – vom ersten Ort hinter der Grenze bis hin nach Metz“, fährt Jean-Louis Bordet

fort. „Zu 98 Prozent leben sie dort in staatliche­n Gemeinscha­ftsunterkü­nften, weil sie in Frankreich einen Antrag auf Asyl gestellt haben. Vorrangig seien sie über Italien eingereist, zum Teil aber auch über Griechenla­nd.“

Keine klassische organisier­te Kriminalit­ät

Diese Tätergrupp­en würden nicht so funktionie­ren, wie man sich das gewöhnlich wohl vorstelle, meint Bordet weiter. Es sei keine organisier­te Kriminalit­ät im klassische­n Sinn.

„Die Dealer funktionie­ren quasi als Ich-AG“, erklärt der Spezialist die Organisati­on hinter dem illegalen Handel. „Das heißt, der Mensch, der es von Italien bis nach Frankreich schafft, der erhält dann täglich ein Set mit rund 20 Kugeln Drogen, und wenn er diese ver

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