Einfach anders
Leichtathletin Fanny Arendt freut sich auf ein neues Kapitel an der Texas Tech University
Dank der Corona-Pandemie sind selbst die Vereinigten Staaten von Amerika zum Land der begrenzten Möglichkeiten geworden. Doch für viele Menschen – vor allem viele Sportler – sind die USA weiterhin ein Paradies. „Ich finde, dass es in den USA viel einfacher ist, den Sport ernsthaft auszuüben und gleichzeitig eine normale Zeit an der Universität zu haben“, sagt Fanny Arendt. Ob das auch in der Praxis so ist, wird die dann 19-jährige Leichtathletin voraussichtlich ab August herausfinden, wenn sie fürs Studium den Atlantik überquert.
An der Texas Tech University wird Arendt Maschinenbau studieren. „In der Schule bin ich in der Mathesektion, das passt also ganz gut“, erklärt sie. Unter anderem wegen der Tatsache, dass Arendt ein volles Stipendium bekommt, fiel die Wahl auf die Hochschule im Nordwesten des südlichsten Bundesstaates. Die letzte mutmaßlich Hürde sind nun die Examen in Luxemburg, die Mitte Mai auf dem Programm stehen. „Ich hoffe, dass ich danach wenigstens eine Woche frei habe und nicht sofort mit dem Training weitermachen muss“, sagt sie.
Training ohne Wettkampf
Denn die 18 Jahre alte Mittelstreckenläuferin ist aktuell voll im Saft. Trotz der – wie für wohl alle Athleten – schwierigen Hallensaison, ist Arendt schneller unterwegs als jemals zuvor. Beim CMCM-Meeting Mitte Februar lief Arendt über 800 m in 2'07''81 neue persönliche Bestzeit. „Obwohl ich nicht viel laufen konnte, war ich ziemlich zufrieden“, sagt das Mitglied des Promotionskaders des COSL (Comité olympique et sportif luxembourgeois).
„Dieser Wettkampf war meine einzige Chance, in diesem Winter ein schnelles Rennen zu bestreiten. Die habe ich genutzt. Aber ich hätte nichts dagegen gehabt, ein paar mehr Hallenmeetings zu haben.“Auch auf die nationalen Indoor-Meisterschaften hatte Arendt gehofft, doch diese fielen vor etwa zwei Wochen ins Wasser.
Ohne Wettkämpfe als Orientierungspunkte ist das Training – vor allem in Laufdisziplinen – eine große Herausforderung. „Es ist schon ein bisschen schwierig, sich ohne Ziel vor Augen immer wieder zu motivieren“, erzählt Arendt. „Ich gebe zu: Wenn ich eine Woche mit vielen Prüfungen habe, dann ist es nicht so schlimm, wenn mal ein Training wegfällt. Trotzdem versuche ich mich immer durchzubeißen.“
Die Läuferin braucht genau diese Tugend, um Tag für Tag ihre Paradestrecken meistern zu können. Denn neben den zwei Stadionrunden läuft Arendt auch die 400 m. „Da ist es fast egal, wie langsam ich laufe. Es ist immer schrecklich“, gibt die Luxemburgerin zu. „Die 800 m sind aber wichtiger für mich, da habe ich im Verhältnis auch die bessere Zeit.“Dann kann Arendt auch ihre Stärken besser ausspielen: „Normalerweise kann ich am Ende immer noch zulegen, wenn ich nicht komplett tot bin“, erläutert sie bildhaft.
Die Grundlage für die vergangenen guten Leistungen schuf die Leichtathletin nicht nur trotz, sondern auch wegen der Corona-Umstände. „Wir hatten weniger Wettkämpfe und demnach viel mehr Zeit, spezifischer zu trainieren und uns um die Grundlagen zu kümmern“, sagt Arendt. „Ich habe von Oktober bis Februar Zeit gehabt, um intensiv an meiner Ausdauer zu arbeiten.“
Ihre größte körperliche Baustelle hat Arendt ebenfalls im Griff: Wegen einer angeborenen Skoliose – einer seitlichen Verbiegung der Wirbelsäule – musste sie in ihrer Kindheit ein Korsett tragen. Auch in der Gegenwart geht Arendt deshalb mehrmals in der Woche zum Physiotherapeuten.
„Das wird mich vermutlich für immer begleiten“, sagt sie. „Ich habe fast jeden Tag Rückenschmerzen. Aber ich habe mich daran gewöhnt – vor allem, weil ich viel daran gearbeitet habe und mein Rücken stärker geworden ist.“
In den USA will Arendt an ihre läuferische Entwicklung anknüpfen – obwohl sie vor allem in der ersten Zeit keine großen Sprünge erwartet. „Im ersten Jahr wäre es gut, wenn ich nicht schlechter werde, weil sich auch die Methoden ändern werden“, sagt sie. „Da muss ich mich erst einmal dran gewöhnen.“Nächste Woche hat die künftige Studentin ein erstes Gespräch mit dem Leichtathletiktrainer der Texas Tech. Als Universitätsneuling wird Arendt aller Voraussicht nach auf dem Campus wohnen.
„Für mich waren die USA die erste Wahl, weil die Modelle in Kombination mit Sport in Europa
Normalerweise kann ich am Ende immer noch zulegen, wenn ich nicht komplett tot bin.
Ich habe fast jeden Tag Rückenschmerzen. Aber ich habe mich daran gewöhnt.
meistens komplizierter sind“, verrät sie. Einen eigenen Eindruck konnte sich die 18-Jährige noch nicht verschaffen. Ein Besuch im vergangenen September fand wegen der Pandemie nicht statt und aktuell hat Arendt nicht genug Schulferien, um eine eventuelle Quarantäne abzusitzen.
Der Plan ist, vier Jahre in Texas zu studieren. „Ich freue mich darauf, mal etwas ganz anderes zu erleben. Damit meine ich nicht nur Schule oder Training, sondern auch die Mentalität“, erklärt Arendt. „Der Sport hat in den Vereinigten Staaten einen ganz anderen Stellenwert. Auch die Wettkämpfe sind anders, weil sich generell mehr Leute dafür interessieren.“
Doch bevor das Abenteuer jenseits des großen Teichs beginnt, steht der Start der Freiluftsaison auf dem Programm, auf die sich die Luxemburgerin ganz besonders freut. „Ich laufe draußen viel lieber“, verrät Arendt. „Ich hoffe, dass ich meine Form aus der Halle mitnehmen kann.“Vor dem Abflug ins Land der begrenzten Möglichkeiten will Fanny Arendt zeigen, wie schnell sie im Winter geworden ist.