„Ich bin dankbar für dieses Leben“
BAP-Frontmann Wolfgang Niedecken über seinen 70. Geburtstag, sein Fitnessprogramm und seinen ersten kölschen Song
Wolfgang Niedecken steht wohl wie kein anderer für Köln und den kölschen Dialekt, der selbst Luxemburgern nicht ganz fremd ist. Am 30. März feiert der Kopf der Band BAP seinen 70. Geburtstag – bereits zwei Tage vorher, am Sonntag, ehrt ihn das ZDF mit einer Dokumentation: In „Alles ist im Fluss“(23:45 Uhr) begleiten Kameras das kölsche Original durch seine Stadt und halten auch Begegnungen mit treuen Weggefährten fest.
Wolfgang Niedecken, eigentlich wollten Sie ihren 70. Geburtstag mit einem großen Konzert in der Kölnarena zelebrieren. Wie groß ist die Enttäuschung, dass daraus nichts wird?
Wat willste maache?!
Wie feiern Sie Ihren Geburtstag nun stattdessen?
Im kleinen Kreis. Meine Frau Tina, unsere Töchter, deren
Freunde und der kleine einjährige Enkel. Die kommen aus Berlin, wir testen uns alle, und dann gibt es eine schöne Runde.
Freuen Sie sich eigentlich über diese „7“vorne?
Ach, das ist mir sowas von egal. In meinem normalen Alltag denke ich nicht ständig darüber nach, wie alt ich bin. Aber jetzt werde ich halt ständig dazu befragt. Aus der Innensicht spüre ich irgendwas mit 50. Mein Körper sagt mir, dass ich keine 25 mehr bin, die Zipperlein werden mehr, und meine Gelbe Karte habe ich vor zehn Jahren gekriegt, als ich meinen Schlaganfall hatte. Ich versuche mich fit zu halten, mich gut zu ernähren, Sport zu treiben und mindestens eine Stunde am Tag mit dem Hund an der frischen Luft zu sein.
Wie sieht Ihr Sportprogramm aus?
Ich setze mich jeden Morgen nach dem Aufstehen eine Stunde auf den Heimtrainer und schwitze ordentlich, während ich meine 28 bis 30 Kilometer fahre. Zwischen 50 und 60 habe ich das auf einem real existierenden Rad gemacht, bin bei Wind und Wetter am Rhein entlanggefahren. Doch die Knochen werden brüchiger, und ich habe Angst, mich aufs Maul zu legen.
Sie haben das aktuelle BAP-Album „Alles fließt“in einer Geburtstagsedition um vier Lieder erweitert. Eines davon heißt „Leev Frau Hermanns“und ist das erste Stück, für das Sie einen kölschen Text geschrieben haben.
Bisher war man davon ausgegangen, dass 1977 „Helfe kann dir keiner“mein erstes Lied auf Kölsch war, doch die BAP-Geschichte muss neu geschrieben werden: „Leev Frau Hermanns“entstand schon ein Jahr zuvor, als ich meinen Zivildienst in einer Altentagesstätte in der Kölner Südstadt machte.
Wer war die Frau?
Eine Schaustellerin. Ich kannte sie schon als kleines Kind. Sie kam oft zu meinen Eltern in den Laden. Während meines Zivildiensts waren wir ein Herz und eine Seele. Ich schrieb das Lied zu ihrem 93. Geburtstag und trug es ihr auch vor. Anschließend wanderte es in die Schublade. BAP war ja damals noch eine Coverband, wir spielten vor allem die Stones, die Kinks und Dylan nach. Umso schöner, dass ich es jetzt wiederentdeckt und im Alleingang aufgenommen habe. Die Arbeit machte mir so viel Spaß, dass ich gleich noch drei weitere Raritäten eingespielt habe, darunter zwei Dylan-Songs auf Kölsch. „Wo dä Nordwind weht“, im Original „Girl From The North Country“, war der erste DylanText, den ich je ins Deutsche übersetzt habe. Als ich mein neues Dylan-Buch schrieb, dachte ich, es wird Zeit, dass ich den endlich mal aufnehme.
Der 70. Geburtstag ist ein Anlass, um das bisherige Leben Revue passieren zu lassen. Was denken Sie, wenn Sie zurückblicken?
Wie dankbar ich bin für dieses Leben. Ich habe unglaublich viel erlebt. Ein langweiliges Leben geht echt anders. Was wir für exotische Tourneen gemacht haben! China, Nicaragua, Russland, Mosambik. Das war schon irre, dass der kleine Junge, der mit Fernweh einst auf der Kölner Südbrücke stand, auf diese Weise die Welt gesehen hat.
Mein Körper sagt mir, dass ich keine 25 mehr bin, die Zipperlein werden mehr.
Wie stark ist Ihr Fernweh im Moment?
Mich juckt es jetzt nicht so, dass ich unbedingt bald nach Australien müsste oder so. Aber wenn es geht, dann würden wir im Sommer gern mit dem Auto nach Kreta runterfahren, wo wir oft sind und auch einige Leute kennen.
Wir wollen unbedingt den Hund mitnehmen. Außerdem: Ich bin zum ersten Mal 1973 mit einem kaputten VW Bus bis mitten in die Türkei gefahren. Ich war so oft in der Ecke, meist mit schrottreifen Karren. Die Strecke fahr‘ ich locker auf einer Arschbacke.
Gibt es Entscheidungen, die Sie bereuen? Dinge, die Sie gern anders gemacht hätten?
Natürlich war nicht alles eitel Sonnenschein. Ich bin überhaupt nicht stolz darauf, wie mein erster Familienversuch gescheitert ist. Das hängt mir nach. Es vergeht kaum ein Tag, an dem ich nicht denke „Verdammt, das hast du in den Sand gesetzt“. Ich tröste mich damit, dass ich nicht der Einzige bin, dem so etwas passiert ist.
Und die Beziehung zu meinen Söhnen ist zum Glück in Ordnung.