Schwarzer Monat März
Seit Beginn der Pandemie sind 741 Menschen in Luxemburg am oder mit dem Virus gestorben, um es mal mit den Worten der Regierung auszudrücken. Das sind viele, das sind zu viele! Mit der zweiten Welle und nach einer bis dahin stabilen Opferzahl um die 125 sind seit Oktober die Todesfälle um das Sechsfache hochgeschnellt. Schlimm ist es seit Jahresbeginn. Allein in den drei ersten Monaten hat das Virus 234 Menschen getötet. Und besonders grauenvoll ist dabei vor allem der März, in dem Covid-19 bereits 103 Menschenleben gefordert hat – fast doppelt so viel wie im Februar, wobei die Zahlen der verbleibenden zwei Tage bis Monatsende in der Statistik noch fehlen. Ein rabenschwarzer März demnach, den wir nun mit der Karwoche beschließen werden. Mit einer solch hohen Todesrate hat Ostern und das Fest der Auferstehung für gläubige Christen diesmal eine ganz besondere Bedeutung.
Es sind nur nackte Zahlen, und man kann sie so oft wiederholen wie man will, es bleiben nur Zahlen, namenlos und ohne Gesicht, die nach einem Jahr der Pandemie vielen unter uns kaum noch etwas bedeuten. Die Todeszahl, die uns gebetsmühlenartig mitgeteilt wird, redet längst nicht mehr zu uns. Der Corona-Tod ist eine Banalität geworden, den wir zwar zur Kenntnis nehmen, allerdings ohne Gefühle, ohne eine Träne im Auge. Vielleicht ist das auch so erwünscht, man will keine Emotionen im öffentlichen Diskurs, und dieses Abgebrühtsein passt einigen ganz bestimmt in den Kram, denn nur so lässt sich leichter vor der Verantwortung wegducken.
Wer soll was verantworten? Welcher Cluster geht auf wessen Kappe? Hätte man dies oder das verhindern können? Etwa die vielen Toten in den Altenheimen? Oder die vielen Ausfälle in der Schule? Regieren ist ganz gewiss nicht immer einfach, aber ein „laissez-faire“oder die unsichtbare Hand, die in der neoliberalen Welt alles regieren will, reicht in der Politik allenfalls für eine Schönwetterperiode, nicht aber dann, wenn der Schuh ernsthaft drückt.
Mit dem medizinischen Fortschritt haben sich Krankheit und Tod in den vergangenen Jahrzehnten weitestgehend auf Abstand halten lassen. Auch will der Mensch so wenig wie nur möglich mit dem Tod anderer Menschen konfrontiert werden. Aus den Augen, aus dem Sinn! Der Tod lässt uns ohne Worte zurück, denn in seinem Bereich hat die Sprache längst keinen Platz mehr, sie ist Eigentum der Lebenden. Dabei müsste aber gerade die Sprache die Waffe sein, mit der sich der Tod irgendwie fassen lässt. Ja, man muss über den Corona-Tod reden und ihn nicht dem Stillschweigen überlassen oder ihn hinter Zahlen verstecken. Vieles bleibt aufzuklären, etwa: Wer sind die Toten der Pandemie? Gab es welche, die sich in der Ausübung ihrer Arbeit, als Pfleger oder als Lehrer, angesteckt haben und daran verstorben sind? Diese und noch viele andere Fragen warten auf Antworten. „Mal nommer un objet, c'est ajouter au malheur de ce monde“, sagte einst Albert Camus, und das gilt auch für den Corona-Tod. Er darf nicht namenlos bleiben. Er hat ein Gesicht. Er hat eine Geschichte. Es sind Menschen, und nicht nur blanke Zahlen. Man muss darüber reden.
„Der CoronaTod darf nicht in Stillschweigen übergehen.“