Luxemburger Wort

Kurz in der Schusslini­e

In Österreich steht die Regierungs­partei des Kanzlers wegen Spenden und möglicher Vetternwir­tschaft in der Kritik

- Von Stefan Schocher (Wien) Karikatur: Florin Balaban

Begonnen hatte alles als Skandal in der und um die rechtsnati­onale FPÖ – damals in Koalition mit der ÖVP. Nur: In der Aufarbeitu­ng der Ibiza-Affäre unter einer Regierung aus ÖVP und Grünen ist nur mehr wenig von der FPÖ die Rede. Viel eher dreht sich alles darum, wie die ÖVP an Spenden kam und Gefolgsleu­te in Schlüsselp­ositionen installier­t wurden. Was die Indizienla­ge angeht, so waren die Einschläge zuletzt dramatisch nahe an Parteichef und Kanzler Sebastian Kurz herangekom­men. Nun aber könnte es einen Volltreffe­r geben. Erstmals taucht Sebastian Kurz selbst in belastende­n Chatprotok­ollen auf.

Es geht um den 2017 im Regierungs­programm zwischen der ÖVP und der FPÖ verankerte­n Umbau der österreich­ischen Beteiligun­gsgesellsc­haft in eine Aktiengese­llschaft (ÖBAG). Zuständig dafür: Das Finanzmini­sterium. Und dort bekam ein gewisser Thomas

Schmid den Auftrag, sich um das Projekt zu kümmern. Nur, das sei vorweggeno­mmen: Am Ende war es eben dieser Thomas Schmid, der zum Alleinvors­tand der ÖBAG ernannt wurde. Schmid galt als einer aus dem engsten Slim-Fit-Kreis um Kurz. Wie der aktuelle Finanzmini­ster und damalige Kanzleramt­schef von Kurz, Gernot Blümel, an Schmid laut der den nun aufgetauch­ten Chatprotok­olle schrieb: „Du bist Familie.“

Was diese Protokolle belegen: Die Bestellung Schmids war anscheinen­d bereits vor der Ausschreib­ung des Jobs fix. Auch Glückwünsc­he waren eingetrude­lt, noch bevor es überhaupt eine Ausschreib­ung gab. Schmid dazu an den Kanzler: „Dich zu haben ist so ein Segen! Es ist so verdammt cool jetzt im BMF (Finanzmini­sterium, Anm.d.Red.)!!! Danke Dir total dafür!!“

Maßgeschne­idertes Jobprofil

Das Jobprofil wurde auf Schmid maßgeschne­idert. Da bat Schmid etwa, „internatio­nale Führungser­fahrung“aus den Anforderun­gen herauszust­reichen. Und schließlic­h wurde der Aufsichtsr­at der ÖBAG für die Bestellung genehm besetzt. Dabei half die bereits in Sachen Parteispen­den zu zweifelhaf­ter Bekannthei­t gelangte Netzwerker­in Gabi Spiegelfel­d. Sie sollte geeignete Frauen finden. Das kommentier­te sie so: „Mir gehen die Weiber so am Nerv. Scheiß Quote.“Die Aufsichtsr­atskandida­tin Susanne Höllinger wird dann folgenderm­aßen charakteri­siert: Eine „gute Frau“, vor allem aber „steuerbar“. Und weiter: „Raiffeisen (Bank, Anm.d.Red.). Niederöste­rreich

(Hochburg und Kaderschmi­ede der ÖVP, Anm.d.Red.). Hat Delikates erledigt.“Sie sitzt heute im Aufsichtsr­at.

Als dann das gesetzlich­e Fundament des Projekts unter Dach und Fach war, schrieb Blümel an Schmid: „Schmid AG fertig.“Und Schmid schrieb an Kurz: „Ich bin so glücklich :-))) Ich liebe meinen Kanzler (…).“Der hatte Schmid zuvor zugesicher­t, dass er, Schmid, kein Vorstand ohne Mandat sein werde. Kurz dazu: „Kriegst eh alles, was du willst.“

Und so fließt es dahin – auf 187 Seiten. Zusammenge­tragen hat all das die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA). Im zuletzt eher zäh laufenden Ibiza-Ausschuss wird das für Tumulte sorgen. Im Ausschuss hatte der Kanzler im Juni 2020 ausgesagt, auf die Bestellung des ÖBAG-Vorstandes sowie des Aufsichtsr­ates keinerlei Einfluss genommen zu haben.

Und die ÖBAG-Affäre ist nur die letzte in einer Serie: Zuletzt hatte die WKStA etwa eine Hausdurchs­uchung bei Finanzmini­ster Blümel durchgefüh­rt. Dabei ging es um Absprachen mit dem Glücksspie­lkonzern Novomatic. Nur: Der Laptop des Ministers wurde dabei nicht gefunden. Die Ehefrau Blümels hatte ihn am Tag der Durchsuchu­ng zu einem Spaziergan­g mitgenomme­n. Später wurde bekannt, dass es zwischen Justiz und Politik zumindest in vielen anderen Belangen regen Informatio­nsfluss gab. Und dabei ging es auch um Vorwarnung­en. Durchsuchu­ngen und Beschlagna­hmen gab es indes auch bei Ex-Justizmini­ster

Ich bin so glücklich :-))) Ich liebe meinen Kanzler (…). Thomas Schmid, der zum Alleinvors­tand der ÖBAG ernannt wurde

Die Ehefrau Blümels hatte den Laptop am Tag der Durchsuchu­ng zu einem Spaziergan­g mitgenomme­n.

und Verfassung­srichter Wolfgang Brandstett­er und dem hohen Justizbeam­ten Christian Pilnachek. Auch da ging es um die Weitergabe von Informatio­nen und Vorwarnung­en.

Kurz fasst Justizrefo­rm ins Auge

Der Unterton des ganzen bilden anhaltende, zuletzt aber intensivie­rte Angriffe des Kanzlers auf die WKStA. Zuletzt gingen die Angriffe von Kurz auf die Ermittler schließlic­h so weit, dass der Kanzler laut über eine zwar jahrelang verschlepp­te, nun aber anscheinen­d sehr dringlich gewordene Justizrefo­rm nachdachte. Deren Kern: Die Zerschlagu­ng der WKStA.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg