Kurz in der Schusslinie
In Österreich steht die Regierungspartei des Kanzlers wegen Spenden und möglicher Vetternwirtschaft in der Kritik
Begonnen hatte alles als Skandal in der und um die rechtsnationale FPÖ – damals in Koalition mit der ÖVP. Nur: In der Aufarbeitung der Ibiza-Affäre unter einer Regierung aus ÖVP und Grünen ist nur mehr wenig von der FPÖ die Rede. Viel eher dreht sich alles darum, wie die ÖVP an Spenden kam und Gefolgsleute in Schlüsselpositionen installiert wurden. Was die Indizienlage angeht, so waren die Einschläge zuletzt dramatisch nahe an Parteichef und Kanzler Sebastian Kurz herangekommen. Nun aber könnte es einen Volltreffer geben. Erstmals taucht Sebastian Kurz selbst in belastenden Chatprotokollen auf.
Es geht um den 2017 im Regierungsprogramm zwischen der ÖVP und der FPÖ verankerten Umbau der österreichischen Beteiligungsgesellschaft in eine Aktiengesellschaft (ÖBAG). Zuständig dafür: Das Finanzministerium. Und dort bekam ein gewisser Thomas
Schmid den Auftrag, sich um das Projekt zu kümmern. Nur, das sei vorweggenommen: Am Ende war es eben dieser Thomas Schmid, der zum Alleinvorstand der ÖBAG ernannt wurde. Schmid galt als einer aus dem engsten Slim-Fit-Kreis um Kurz. Wie der aktuelle Finanzminister und damalige Kanzleramtschef von Kurz, Gernot Blümel, an Schmid laut der den nun aufgetauchten Chatprotokolle schrieb: „Du bist Familie.“
Was diese Protokolle belegen: Die Bestellung Schmids war anscheinend bereits vor der Ausschreibung des Jobs fix. Auch Glückwünsche waren eingetrudelt, noch bevor es überhaupt eine Ausschreibung gab. Schmid dazu an den Kanzler: „Dich zu haben ist so ein Segen! Es ist so verdammt cool jetzt im BMF (Finanzministerium, Anm.d.Red.)!!! Danke Dir total dafür!!“
Maßgeschneidertes Jobprofil
Das Jobprofil wurde auf Schmid maßgeschneidert. Da bat Schmid etwa, „internationale Führungserfahrung“aus den Anforderungen herauszustreichen. Und schließlich wurde der Aufsichtsrat der ÖBAG für die Bestellung genehm besetzt. Dabei half die bereits in Sachen Parteispenden zu zweifelhafter Bekanntheit gelangte Netzwerkerin Gabi Spiegelfeld. Sie sollte geeignete Frauen finden. Das kommentierte sie so: „Mir gehen die Weiber so am Nerv. Scheiß Quote.“Die Aufsichtsratskandidatin Susanne Höllinger wird dann folgendermaßen charakterisiert: Eine „gute Frau“, vor allem aber „steuerbar“. Und weiter: „Raiffeisen (Bank, Anm.d.Red.). Niederösterreich
(Hochburg und Kaderschmiede der ÖVP, Anm.d.Red.). Hat Delikates erledigt.“Sie sitzt heute im Aufsichtsrat.
Als dann das gesetzliche Fundament des Projekts unter Dach und Fach war, schrieb Blümel an Schmid: „Schmid AG fertig.“Und Schmid schrieb an Kurz: „Ich bin so glücklich :-))) Ich liebe meinen Kanzler (…).“Der hatte Schmid zuvor zugesichert, dass er, Schmid, kein Vorstand ohne Mandat sein werde. Kurz dazu: „Kriegst eh alles, was du willst.“
Und so fließt es dahin – auf 187 Seiten. Zusammengetragen hat all das die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Im zuletzt eher zäh laufenden Ibiza-Ausschuss wird das für Tumulte sorgen. Im Ausschuss hatte der Kanzler im Juni 2020 ausgesagt, auf die Bestellung des ÖBAG-Vorstandes sowie des Aufsichtsrates keinerlei Einfluss genommen zu haben.
Und die ÖBAG-Affäre ist nur die letzte in einer Serie: Zuletzt hatte die WKStA etwa eine Hausdurchsuchung bei Finanzminister Blümel durchgeführt. Dabei ging es um Absprachen mit dem Glücksspielkonzern Novomatic. Nur: Der Laptop des Ministers wurde dabei nicht gefunden. Die Ehefrau Blümels hatte ihn am Tag der Durchsuchung zu einem Spaziergang mitgenommen. Später wurde bekannt, dass es zwischen Justiz und Politik zumindest in vielen anderen Belangen regen Informationsfluss gab. Und dabei ging es auch um Vorwarnungen. Durchsuchungen und Beschlagnahmen gab es indes auch bei Ex-Justizminister
Ich bin so glücklich :-))) Ich liebe meinen Kanzler (…). Thomas Schmid, der zum Alleinvorstand der ÖBAG ernannt wurde
Die Ehefrau Blümels hatte den Laptop am Tag der Durchsuchung zu einem Spaziergang mitgenommen.
und Verfassungsrichter Wolfgang Brandstetter und dem hohen Justizbeamten Christian Pilnachek. Auch da ging es um die Weitergabe von Informationen und Vorwarnungen.
Kurz fasst Justizreform ins Auge
Der Unterton des ganzen bilden anhaltende, zuletzt aber intensivierte Angriffe des Kanzlers auf die WKStA. Zuletzt gingen die Angriffe von Kurz auf die Ermittler schließlich so weit, dass der Kanzler laut über eine zwar jahrelang verschleppte, nun aber anscheinend sehr dringlich gewordene Justizreform nachdachte. Deren Kern: Die Zerschlagung der WKStA.