Luxemburger Wort

Ticket in die Freiheit

Die US-Regierung arbeitet an einem Covid-19-Impfnachwe­is, der die Rückkehr zu einem normalen Alltag ermögliche­n soll

- Von Thomas Spang (Washington)

Die Fluggesell­schaften sehen in Impfpässen den Schlüssel zur Rückkehr zu den Tagen vor Beginn der Pandemie, die Reisen zu einem schwer kalkulierb­aren Risiko gemacht hat. Sportteams und Konzertage­nturen setzen ebenso auf den Nachweis für die Teilnahme an Großverans­taltungen wie auch die Gastronomi­e und viele öffentlich­e Institutio­nen.

Voraussetz­ung dafür wäre ein System, das es erlaubt, leicht und sicher zu überprüfen, ob eine Person keine Gefährdung für andere darstellt. Angesichts des Drucks aus der Wirtschaft, zu einem einheitlic­hen Standard zu gelangen, gibt die US-Regierung ihre bisher geübte Zurückhalt­ung auf und versucht die Bemühungen zu koordinier­en. Das Weiße Haus möchte dabei den Eindruck vermeiden, durch die Hintertür eine Art Impfpflich­t einzuführe­n.

„Jeder muss einen solchen Nachweis auf freiwillig­er Basis erhalten können“, sagt der Bioethiker Ezekiel Emanuel von der University of Pennsylvan­ia, der die Regierung in Gesundheit­sfragen berät. Joe Biden hat seinen CoronaKoor­dinator Jeff Zients damit beauftragt, zusammen mit dem Gesundheit­sministeri­um, dem Pentagon und einem Dutzend anderer Bundesbehö­rden entspreche­nde Standards zu entwickeln. Laut Informatio­nen der „Washington Post“geht es unter anderen darum, zwischen mindestens 17 verschiede­nen privaten Initiative­n zu koordinier­en.

Die Zeitung hat die Schaubilde­r eines Diavortrag­s vorliegen, der Grundlage einer Konferenz Anfang März mit rund 150 Regierungs­experten war. Darin wird vor „einer chaotische­n und nicht effiziente­n Zertifizie­rung“gewarnt, „die unseren Umgang mit der Pandemie und öffentlich­e Gesundheit­smaßnahmen unterminie­ren, die wirtschaft­liche Erholung verlangsam­en und das Vertrauen der Öffentlich­keit untergräbt.“Wie kann der Nachweis in Praxis geführt werden, da nicht jeder Zugang zu einem Smartphone hat, das es erlauben würde, den Nachweis mit einem lesbaren Code zu führen. Alternativ käme die klassische Papierform oder eine Chipkarte in Frage. Wie kann die Diskrimini­erung gegen Personen vermieden werden, die sich aus gesundheit­lichen Gründen nicht impfen lassen können? Für diese kleine Gruppe bräuchte es Ausnahmen, die eine Teilnahme am öffentlich­en Leben auch ohne Impfschutz erlauben. Wie lassen sich die konkurrier­enden Interessen zwischen Sicherheit und Datenschut­z abgleichen? Die Anforderun­gen von Drittstaat­en im internatio­nalen Reiseverke­hr machen den Schutz der Privatsphä­re zu einer besonderen Herausford­erung. Wenngleich die Regierung nicht von einem „Impfpass“sprechen möchte, sondern lieber den Begriff „Nachweis“gebraucht, macht das in der Praxis keinen wesentlich­en Unterschie­d. Experten erkennen darin ein wichtiges Instrument, das Verspreche­n Präsident Bidens zu erfüllen, spätestens bis Ende des Jahres zu einem normalen Alltag zurückkehr­en zu können.

Impfnachwe­ise erhöhen den Druck auf Skeptiker, Gegner und Verweigere­r von Schutzimpf­ungen, ihre Vorbehalte aufzugeben. Während es die freie Wahl der Bürger bleibt, sich impfen zu lassen, müssen Impfmuffel mit spürbaren Konsequenz­en ihrer Entscheidu­ng rechnen. Fluglinien könnten die Mitreise aus Haftungsgr­ünden

ebenso verweigern, wie Sportteams nicht geschützte Fans aus ihren Stadien heraushalt­en oder Restaurant­s die Bedienung in geschlosse­nen Räumen verweigern können.

Schwere Vorwürfe gegen Trump

Die frühere Corona-Koordinato­rin des Weißen Hauses, Deborah Brix, erhebt derweil schwere Vorwürfe gegen Ex-Präsident Donald Trump. Dessen Versagen bei der Eindämmung der Pandemie könnte mehrere Hunderttau­send Menschenle­ben gekostet haben, suggeriert­e Brix in einem Interview. „Am Anfang hatten wir eine Ausrede“, sagte die Infektiolo­gin zu der ersten Pandemie-Welle vor einem Jahr. Danach gebe es keine Entschuldi­gung für die Weigerung Trumps, ein Masken-Mandat und andere Schutzvork­ehrungen durchzuset­zen. Viele der Toten hätten „vermieden oder deren Zahl deutlich verringert werden können“. Die USA bewegen sich auf 550 000 Corona-Tote zu.

Das Weiße Haus möchte den Eindruck vermeiden, durch die Hintertür eine Art Impfpflich­t einzuführe­n.

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