Ein perfekter Sturm
Brüssel will mehr nachhaltige Investitionen, Luxemburg zum „Green Finance“-Standort werden – doch es gibt Hindernisse
Seit dem Ausbruch des Coronavirus ist ein interessantes Phänomen zu beobachten: Investitionen in nachhaltige, sogenannte ESGFonds sind deutlich angestiegen.
Das trifft sich gut, soll doch Luxemburgs Finanzplatz 20 Prozent aller Geldflüsse bis 2025 auf „Green finance“umstellen und ein weltweit anerkannter Finanzplatz für Investitionen in Energieeffizienz, erneuerbare Energien, Elektround Wasserstoffmobilität werden. So steht es im Regierungsprogramm. Warum dieser Wunsch? Sozial und ökologisch nachhaltige Finanzierungen, so die Hoffnung, werden zu einem ähnlichen Erfolgsmodell wie es die Luxemburger Publikumsfonds (Ucits) sind. Heute schon findet fast ein Fünftel aller ESG-Investitionen, die es weltweit gibt, am Luxemburger Finanzplatz statt. Dennoch ist auch Green Finance kein Selbstläufer, obwohl mehr und mehr Finanzinstitute dazu übergehen, ESG-Investitionen für ihre Kunden anzubieten – die einen mehr, die anderen weniger.
Chance für Luxemburg
Finanzminister Pierre Gramegna wünscht sich, dass mit der jüngst vorgeschlagenen EU-Taxonomie für nachhaltige Aktivitäten – womit definiert wird, was tatsächlich mit „nachhaltig“gemeint ist – Luxemburg die Ucits-Erfolgsgeschichte wiederholen kann und in naher Zukunft Luxemburger Green Finance-Produkte ähnlich wie heute Luxemburger Investmentfonds von Asien bis Amerika überall auf der Welt genutzt werden. Im Haushaltsgesetz für das Jahr 2021 wurde darum ein niedrigerer Steuersatz von 0,05 Prozent eingeführt für Investitionen in Assets, die der EU-Taxonomie entsprechen. Damit sollen Fonds „ermutigen werden, einen zunehmenden Anteil ihres Vermögens in grüne und nachhaltige Aktivitäten zu investieren“, teilt das Finanzministerium dazu mit. Mit der Einrichtung eines Rahmens für Nachhaltigkeitsanleihen hat das Land selbst eine erste Bewertung seiner öffentlichen Investitionspolitik gemäß den neuesten Empfehlungen der EU-Taxonomie vorgenommen. Die Empfehlungen, die im März 2020 veröffentlicht wurden, gäben eine ausführliche Umsetzungsanleitung, wie Unternehmen und Finanzinstitute die Taxonomie nutzen und offenlegen könnten. „Es ist jetzt der richtige Zeitpunkt, damit zu beginnen“, heißt es aus dem Finanzministerium.
Mit einem Klassifizierungssystem („Taxonomie“) will Brüssel nachhaltige Finanzen – vor allem Finanzierungen von Wirtschaftsaktivitäten, die CO2-arm sind oder CO2 einzusparen helfen – fördern. Damit führt die EU die weltweit erste „grüne Liste“für nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten ein: Nachhaltigkeit soll damit messbar gemacht werden. Anzuwenden ist die Taxonomie-Verordnung ab dem 1. Januar 2022. Manche Marktteilnehmer werten das als Zeitenwende in der Finanzbranche. Nur so, betont auch Gramegna, kann Europa
seine Klimaziele erreichen. In Europa wuchsen die Investitionen in ESG-Publikumsfonds und ETFs auf die Rekordsumme von rund 1,1 Billionen Euro – das ist fast zehn Prozent des gesamten europäischen Fondsvermögens. Und nicht nur die Nachfrage nimmt zu, auch das Angebot: So wurden letztes Jahr 330 ESG-Fonds neu aufgelegt. „Nachhaltige Finanzen steht bei allen wichtigen Konferenzen und Roadshows auf der Tagesordnung“, so Luxemburgs Fondsverband Alfi. Das Alfi Responsible Investing Technical Committee hat für seine Mitglieder einen Leitfaden zur Offenlegung von Nachhaltigkeitsinformationen erstellt.
Wo liegt aber für Fonds die Schwierigkeit, „grün“oder nachhaltig zu werden: Gibt es überhaupt genügend entsprechende Investitionsobjekte? Da macht sich ESG Produkt-Spezialist Oliver Plein von der DWS Group keine Sorge, denn die EU geht davon aus, dass allein zum Klimaschutz mehr als eine Billion Euro an Investitionen gebraucht werden, seien es für den Ausbau der erneuerbaren Energien oder der Elektro-Ladeinfrastruktur. Und so rechnet Plein auch weiter mit einem steigenden Zufluss an Investorengelder in ein wachsendes Angebot nachhaltiger Anlagen, zumal immer mehr auch erkannt werde, dass sich Rendite und Nachhaltigkeit nicht ausschließen: „Unternehmen, die langfristig orientiert sind, haben in der Regel auch eine bessere Kapitalrendite”, so Plein.
Neben immer mehr Fondsgesellschaften ist auch die Luxemburger Börse seit geraumer Zeit dabei, das Angebot an grünen Finanzprodukten auszubauen. Jüngst hat sie auf ihrer grünen Börsenplattform (LGX) eine Sektion eingerichtet, die Wertpapier-Emittenten hervorhebt, die mindestens 95 Prozent und solche, die mindestens 75 Prozent ihrer Einnahmen aus kohlenstoffarmen Aktivitäten erzielen. Damit sollen „Finanzinstrumente, die einen positiven Einfluss auf unseren Planeten haben, sichtbarer werden“, so LGX-Gründerin Julie Becker – die im April dieses Jahres Robert Scharfe als Börsenchef ablösen wird.
Was die „Taxonomie“Brüssels betrifft (das EU-Klassifizierungssystem soll einen ESG-Standard definieren und gleichzeitig „Greenwashing“bekämpfen), so haben insgesamt 26 Banken europaweit letztes Jahr die Taxonomie getestet und erklärten im Anschluss, die Verfügbarkeit und Qualität von Informationen sei die schwierigste Herausforderung bei der Bewertung, was nun wirklich nachhaltig ist und was nicht. Denn ohne eine verpflichtende Offenlegung können Investoren und Unternehmen wie Versicherungsgesellschaften oder Pensionsfonds nicht entscheiden, was eine „ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeit“ist. Eine Pflicht zur Investition in Nachhaltigkeitsprojekte oder Kapitalerleichterungen für grüne Investments schreibt die Taxonomie nicht fest. Versicherungsgesellschaften und Banken müssen allerdings künftig in ihrem Lagebericht ausführen, wie und in welchem Umfang ihre Tätigkeiten mit ökologisch nachhaltigen Wirtschaftstätigkeiten verbunden sind. Investmentfonds und andere Finanzmarktteilnehmer mit Produkten, die „ökologisch“genannt werden, müssen künftig über deren Taxonomie-konformen Anteil informieren.
Gefährdete Glaubwürdigkeit
Geteilter Meinung bei der Diskussion um ein EU-Umweltzeichen für Finanzprodukte und der regulatorischen Definition von „ESG“ist man darüber, ob die Kernenergie ein grünes Etikett verdient, die zwar CO2-arm Energie produziert, aber radioaktive Abfälle hinterlässt. Die meisten Menschen in der EU sehen darum Kernkraft nicht als nachhaltig an. Die Kommission beauftragte die Gemeinsame Forschungsstelle (JRC), ihren wissenschaftlichen Expertenarm, mit einem Bericht zu diesem Thema, der diese Woche veröffentlicht werden soll. Auch der Vorschlag der Kommission, neue Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen auf Erdgasbasis als „ökologisch nachhaltig“einzustufen, wenn sie stillgelegte Kohlekraftwerke ersetzen, wird von Umweltschutzverbänden, aber auch Finanzinstituten kritisiert. Das würde die Ambitionen für den europäischen Green Deal konterkarieren und der Taxonomie ihre Glaubwürdigkeit nehmen.
Unternehmen, die lang fristig orientiert sind, haben in der Regel auch eine bessere Kapitalrendite. Oliver Plein, ESG-Experte der DWS