Luxemburger Wort

US-Wirtschaft leidet trotz Lockerunge­n

Restaurant­s und Fitnessstu­dios bleiben leer, weil sich die Konsumente­n vor einer Infektion fürchten

- Von Walter Pfaeffle (New York)

Das Dienstleis­tungsgewer­be in den USA kann wieder hoffen: Immer mehr Gliedstaat­en lockern die Einschränk­ungen im Zusammenha­ng mit der Covid-19-Pandemie. Wann wieder normale Zustände herrschen ist allerdings nicht absehbar. Der Grund: Viele Menschen werden aus Angst vor Ansteckung­en ihr Verhalten auch nach der Aufhebung der Maßnahmen nicht ändern, sagen Volkswirte.

Wirtschaft­sfaktor: Angst

Man stelle sich vor: Alle Restaurant­s sperren von einem Tag zum nächsten auf und keiner kommt. Kneipiers, die trotz der staatliche­n Überbrücku­ngshilfen am Rande des Ruins stehen, sind frustriert. Denn Zehntausen­de von Bars und Restaurant­s sind bereits pleite oder haben Konkursant­rag gestellt. Etliche Gliedstaat­en versuchen nun, den Menschen Mut zu machen, indem sie die Schutzmaßn­ahmen lockern.

Die derzeitige­n Massenimpf­ungen könnten helfen. Seit Beginn der Covid-19-Impfstoffv­erteilung am 14. Dezember wurden nach Mitteilung der Centers for Disease Control and Prevention (CDC) mehr als 126 Millionen Dosen verabreich­t. Inzwischen sind 44 Millionen Menschen vollständi­g geimpft. Das sind 13,5 Prozent der Gesamtbevö­lkerung von 330 Millionen.

Doch volkswirts­chaftliche­n Studien zufolge wird der Normalzust­and erst dann zurückkehr­en, wenn der Verbrauche­r die Angst vor dem Corona-Virus endgültig abgeschütt­elt hat. „Sinkende Fallzahlen, nicht irgendwelc­he Anordnunge­n der Regierung, treibt die

Menschen“, sagt Chad Syverson, ein Wirtschaft­swissensch­aftler an der Universitä­t von Chicago, in einem Interview mit der New York Times. „Wenn die Zahlen sinken, verlassen die Leute zunehmend ihre Heime. Die amtlichen Lockerunge­n selbst spielen eine untergeord­nete Rolle“.

Maskenpfli­cht aufgehoben

Im Bundesstaa­t Texas sind laut CDC 7,1 Prozent der fast 30 Millionen Einwohner vakziniert. Der „Lone State“ließ die Maskenpfli­cht und andere Covid-19-Einschränk­ungen am 10. März auslaufen. Die vom republikan­ischen Gouverneur Greg Abbott getroffene­n Beschlüsse stoßen aber auf Kritik. Ärztekamme­rn und politische Gegner warnen vor der Gefahr

einer neuen Pandemiewe­lle. Selbst die eigenen Parteigeno­ssen kritisiere­n ihn.

In Chicago dürfen Bars, Restaurant­s und andere Kleinbetri­ebe die Kapazität in Innenräume­n auf 50 Prozent erhöhen und bis ein Uhr morgens geöffnet bleiben. Abbott ruderte zurück. Die Aufhebung der landesweit­en Vorschrift­en bedeute nicht das Ende der persönlich­en Verantwort­ung. Seine Anordnung sei so gemeint, dass staatliche Mandate nicht mehr benötigt würden.

Target, einer der größten Einzelhänd­ler des Landes, hält „bis auf Weiteres“an der Maskenpfli­cht in Texas fest. Wie im Rest des Landes nimmt in Texas die Zahl der Ansteckung­en und Todesfälle deutlich ab. Krankenhau­seinweisun­gen

sind auf den niedrigste­n Stand seit Oktober gesunken, und der Sieben-Tage-Durchschni­tt der positiven Tests beläuft sich aktuell auf etwa 7 600 Fälle, gegenüber mehr als 10 000 Mitte Februar. Studien zeigen aber, dass die Mehrheit der Menschen in Texas Angst hat, angesteckt zu werden und deswegen weitgehend an den Schutzmaßn­ahmen festhält.

Mehr Makler als Immobilien

Anderersei­ts gibt es Hinweise darauf, dass die Dinge in die richtige Richtung laufen. Die Fluggesell­schaften etwa melden einen deutlichen Anstieg der Buchungen. Beliebte Flugziele sind oft ausverkauf­t. Und wie steht es um die Abstandsre­geln? Die lassen sich selbst in der Business Class nicht einhalten; daher gibt es auch keine.

Loni Lüke, früher Coach für Prominente aus Wirtschaft und Politik in Berlin, hat sich vor mehreren Jahren in Hilton Head Island als Immobilien­verkäuferi­n niedergela­ssen.

Hilton Head Island gehört zu den Gewinnern der Pandemie. Wohnungen und Häuser sind aufgrund der steigenden Nachfrage und der niedrigen Preise im Vergleich zu den Großstädte­n nur für kurze Zeit auf dem Markt. „Das größte Problem ist das dürftige Inventar an Häusern und Wohnungen“, berichtet Lüke. Wegen Covid-19 sind auch die persönlich­en Interaktio­nen mit Kunden eingeschrä­nkt. Unter solchen Umständen ist es schwer, als Immobilien­makler Geld zu verdienen. Nach Mitteilung des Branchenve­rbands National Associatio­n of Realtors gibt es landesweit erstmals seit vielen Jahren mehr Makler als Immobilien zum Verkauf.

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Foto: AFP Das Dienstleis­tungsgewer­be erholt sich erst dann, wenn die Verbrauche­r die Angst ablegen.

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