US-Wirtschaft leidet trotz Lockerungen
Restaurants und Fitnessstudios bleiben leer, weil sich die Konsumenten vor einer Infektion fürchten
Das Dienstleistungsgewerbe in den USA kann wieder hoffen: Immer mehr Gliedstaaten lockern die Einschränkungen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie. Wann wieder normale Zustände herrschen ist allerdings nicht absehbar. Der Grund: Viele Menschen werden aus Angst vor Ansteckungen ihr Verhalten auch nach der Aufhebung der Maßnahmen nicht ändern, sagen Volkswirte.
Wirtschaftsfaktor: Angst
Man stelle sich vor: Alle Restaurants sperren von einem Tag zum nächsten auf und keiner kommt. Kneipiers, die trotz der staatlichen Überbrückungshilfen am Rande des Ruins stehen, sind frustriert. Denn Zehntausende von Bars und Restaurants sind bereits pleite oder haben Konkursantrag gestellt. Etliche Gliedstaaten versuchen nun, den Menschen Mut zu machen, indem sie die Schutzmaßnahmen lockern.
Die derzeitigen Massenimpfungen könnten helfen. Seit Beginn der Covid-19-Impfstoffverteilung am 14. Dezember wurden nach Mitteilung der Centers for Disease Control and Prevention (CDC) mehr als 126 Millionen Dosen verabreicht. Inzwischen sind 44 Millionen Menschen vollständig geimpft. Das sind 13,5 Prozent der Gesamtbevölkerung von 330 Millionen.
Doch volkswirtschaftlichen Studien zufolge wird der Normalzustand erst dann zurückkehren, wenn der Verbraucher die Angst vor dem Corona-Virus endgültig abgeschüttelt hat. „Sinkende Fallzahlen, nicht irgendwelche Anordnungen der Regierung, treibt die
Menschen“, sagt Chad Syverson, ein Wirtschaftswissenschaftler an der Universität von Chicago, in einem Interview mit der New York Times. „Wenn die Zahlen sinken, verlassen die Leute zunehmend ihre Heime. Die amtlichen Lockerungen selbst spielen eine untergeordnete Rolle“.
Maskenpflicht aufgehoben
Im Bundesstaat Texas sind laut CDC 7,1 Prozent der fast 30 Millionen Einwohner vakziniert. Der „Lone State“ließ die Maskenpflicht und andere Covid-19-Einschränkungen am 10. März auslaufen. Die vom republikanischen Gouverneur Greg Abbott getroffenen Beschlüsse stoßen aber auf Kritik. Ärztekammern und politische Gegner warnen vor der Gefahr
einer neuen Pandemiewelle. Selbst die eigenen Parteigenossen kritisieren ihn.
In Chicago dürfen Bars, Restaurants und andere Kleinbetriebe die Kapazität in Innenräumen auf 50 Prozent erhöhen und bis ein Uhr morgens geöffnet bleiben. Abbott ruderte zurück. Die Aufhebung der landesweiten Vorschriften bedeute nicht das Ende der persönlichen Verantwortung. Seine Anordnung sei so gemeint, dass staatliche Mandate nicht mehr benötigt würden.
Target, einer der größten Einzelhändler des Landes, hält „bis auf Weiteres“an der Maskenpflicht in Texas fest. Wie im Rest des Landes nimmt in Texas die Zahl der Ansteckungen und Todesfälle deutlich ab. Krankenhauseinweisungen
sind auf den niedrigsten Stand seit Oktober gesunken, und der Sieben-Tage-Durchschnitt der positiven Tests beläuft sich aktuell auf etwa 7 600 Fälle, gegenüber mehr als 10 000 Mitte Februar. Studien zeigen aber, dass die Mehrheit der Menschen in Texas Angst hat, angesteckt zu werden und deswegen weitgehend an den Schutzmaßnahmen festhält.
Mehr Makler als Immobilien
Andererseits gibt es Hinweise darauf, dass die Dinge in die richtige Richtung laufen. Die Fluggesellschaften etwa melden einen deutlichen Anstieg der Buchungen. Beliebte Flugziele sind oft ausverkauft. Und wie steht es um die Abstandsregeln? Die lassen sich selbst in der Business Class nicht einhalten; daher gibt es auch keine.
Loni Lüke, früher Coach für Prominente aus Wirtschaft und Politik in Berlin, hat sich vor mehreren Jahren in Hilton Head Island als Immobilienverkäuferin niedergelassen.
Hilton Head Island gehört zu den Gewinnern der Pandemie. Wohnungen und Häuser sind aufgrund der steigenden Nachfrage und der niedrigen Preise im Vergleich zu den Großstädten nur für kurze Zeit auf dem Markt. „Das größte Problem ist das dürftige Inventar an Häusern und Wohnungen“, berichtet Lüke. Wegen Covid-19 sind auch die persönlichen Interaktionen mit Kunden eingeschränkt. Unter solchen Umständen ist es schwer, als Immobilienmakler Geld zu verdienen. Nach Mitteilung des Branchenverbands National Association of Realtors gibt es landesweit erstmals seit vielen Jahren mehr Makler als Immobilien zum Verkauf.