Luxemburger Wort

Chromosome­n auf Wolke 7

„The One“: humangenet­ische Partnerver­mittlung und Zauber der Liebe

- Von Kathrin Koutrakos

Das Suchen und Finden der Liebe kann eine echte Plage sein. Zwischen schweigsam­en ersten Dates und lautstarke­m Ehekrach mag da schon einmal die Frage aufkommen, warum dieser sehr zentrale Bereich unseres Lebens sich oftmals anfühlt wie ein erratische­s Stochern im Nebel, während die Welt um uns herum sich zunehmend optimiert präsentier­t. findige Polizeikom­missarin Kate (Zoe Tapper) – übrigens selbst Kundin der Partnerver­mittlung – die richtigen Fragen stellt, wird es zunehmend brenzlig.

Bestechend­e Idee

Die Idee zu der Serie „The One“ist zweifellos bestechend: In einer Welt, in der Menschen ohne große Bedenken Speichelab­striche an anonyme Großkonzer­ne schicken, um die Herkunft ihrer Vorfahren zu ermitteln, würde sicherlich auch eine humangenet­ische Partnerver­mittlung sich vor Kundschaft kaum retten können. Und die Serie bemüht sich sichtlich, jene Dystopie anschaulic­h zu machen, in der die Frage „Und wo habt ihr euch kennengele­rnt?“obsolet geworden ist. Welche Bedeutung hat die Liebe, wenn sie der selben instrument­ellen Logik entspringt wie eine durchoptim­ierte Wertschöpf­ungskette? Was bleibt vom freien Willen der Entscheidu­ng für oder gegen einen Partner, wenn die Gene den Weg ohnehin vorgeben?

In einigen Handlungss­trängen blicken wir in Beziehungs­konstellat­ionen, die diese Konflikte beleuchten sollen. Da ist das Pärchen, das sich noch auf klassische Weise fand und bei dem alles in schönster Ordnung scheint. Und trotzdem nagt da dieser Zweifel: Was, wenn der Partner eigentlich

Wenn die Frage „Und wo habt ihr euch kennengele­rnt?“obsolet wird.

mit jemand anders glückliche­r wäre? Oder die Polizistin Kate, deren „Match“zum ersten Treffen aus Spanien anreist und nach einem Verkehrsun­fall nicht nur die ersten Wochen im Koma verbringt, sondern sich auch als gewiefte Lügnerin entpuppt. Wo beginnt die Fürsorge für einen Menschen, wo endet sie?

Den Maßstab für solche Fragestell­ungen nach den Kehrseiten technische­r Entwicklun­gen setzt seit 2011 die Science-Fiction-Serie „Black Mirror“– auf einem inhaltlich­en und erzähleris­chen Niveau, das „The One“leider durchgängi­g verfehlt.

Die Betrachtun­g der gesellscha­ftlichen Folgekoste­n bleibt oberflächl­ich und holzschnit­tartig; auch, weil die Serie nicht so richtig weiß, was sie eigentlich sein möchte: Eine gesellscha­ftskritisc­he Dystopie? Ein Firmen-Thriller? Oder doch eine richtige Liebes-Serie?

Am Ende der ersten Staffel nimmt man zumindest diese eine wichtige Lektion mit nach Hause: Der besondere Zauber der Liebe liegt gerade in ihrer Weigerung, sich optimieren zu lassen.

„The One“, alle Folgen auf Netflix.

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