Gegenpol zum Amtsvorgänger
Nach dem Rücktritt von Igor Matovic übernimmt Eduard Heger den Posten des slowakischen Premierministers
Am Ende der slowakischen Regierungskrise, die das Land an den Rand von Neuwahlen gebracht hatte, steht also ein Kompromiss. Vermutlich eine Rochade: Gestern wurde der bisherige Finanzminister Eduard Heger in der aus vier Parteien gestellten Regierung des Landes mit der Regierungsbildung beauftragt. Das, nachdem der bisherige Premier Igor Matovic am vergangenen Sonntag seinen Rücktritt angekündigt hatte.
Weg von der politischen Bühne ist das Raubein der slowakischen Innenpolitik damit aber keinesfalls wie es scheint. Denn daraus, dass er, Matovic, im Kabinett seines Nachfolgers Finanzminister werden wollte, hatte der bei seinen Koalitionspartnern in Ungnade gefallene Rechtspopulist kein Hehl gemacht. Fix war das gestern noch nicht. Allerdings hatten die Koalitionspartner dem bereits zugestimmt.
Damit ist der Bestand der Regierung aus der Partei „Gewöhnliche Leute und unabhängige Persönlichkeiten“(OLaNO) „Wir sind eine Familie“(Sme Rodina), „Freiheit und Solidarität“(SaS) und „Für die Menschen“(Za Ludi) nach wochenlanger Krise jedenfalls gesichert. Vor allem Matovic war es ja, der mit seinem Gebaren die Mehrheitsbeschaffer in seiner Regierung gegen sich aufgebracht hatte. Das Fass zum Überlaufen gebracht hatte dann letztlich der Kauf von zwei Millionen Dosen des russischen Impfstoffes Sputnik V gegen den ausgesprochenen Willen der Regierungspartner.
Die Folge war der massenhafte Rücktritt von Ministern. Unter ihnen Außenminister Ivan Korcok und Vizepremier Richard Sulik. Vor allem die zwei kleineren Regierungsparteien
SaS und die Za Ludi hatten Matovic Selbstherrlichkeit, Unberechenbarkeit und einen „unerträglichen Regierungsstil“vorgeworfen. Sie gaben Matovic auch die Hauptschuld am katastrophalen Pandemie-Management in der Slowakei. Im Verhältnis zur Bevölkerungszahl verzeichnet das Land mehr Corona-Tote als jedes andere Land Europas.
Im Verlauf der Vorwoche hatte sich die Lage dann praktisch unausweichlich auf zwei Szenarien zugespitzt: Entweder Matovic tritt ab, oder es kommt zu Neuwahlen. Und letzteres dürfte Matovic selbst nicht zuletzt angesichts schlechter Umfragewerte eher unattraktiv erschienen sein. Und mit Heger hat Matovic einen Vertrauensmann aus der eigenen OLaNO installiert. Der scheidende Premier hatte seinen Minister selbst als Nachfolger vorgeschlagen. Er sei „ein guter Mensch“, dem er voll vertraue, so Matovic über Heger.
Heger ist Mitbegründer von Matovics OLaNO. Öffentlich bekannt ist über den 44-jährigen Politiker aber relativ wenig. Finanzminister ist er, aus der Privatwirtschaft kommt er, dort war er als Manager
überwiegend in Kleinunternehmen tätig, aber auch als Berater des Verteidigungsministeriums. Unter Matovic trat er aber wenig öffentlich in Erscheinung. Als dann aber reihenweise Minister entnervt das Handtuch warfen war er es schließlich, der deren Ämter umgehängt bekam: Zuletzt war er neben seiner leitenden Tätigkeit im Finanzressort auch kommissarischer Gesundheitsminister sowie auch Bildungsminister.
Zweifel an echtem Neuanfang
Zugerechnet wird er dabei dem konservativ-christlichen Flügel der OLaNO. Zugleich eilt ihm aber der Ruf eines Konsenspolitikers voraus. Er gilt als zutiefst religiös, so bezeichnete er sich selbst als „christlicher Aktivist“, als kommunikativ, höflich aber auch konfliktscheu. In der Summe also: Der Gegenpol zu Ex-Premier Matovic.
Nicht zuletzt diesem Umstand verdankt er, dass die Koalitionspartner seiner Ernennung bereits am Sonntag zugestimmt hatten und zugleich Matovics Ambitionen auf das Finanzressort akzeptierten – wenn auch mit Bauchweh. „Ich werde der Präsidentin eine Liste der Namen der neuen Regierung überbringen“, sagte Heger vor seinem Treffen mit Staatspräsidentin Zuzana Chaputova.
Die konkrete Zusammensetzung des neuen Kabinetts wolle er vor diesem Treffen nicht öffentlich machen, sagt er. Mit Matovic im Finanzressort bleibt jedenfalls ein Unsicherheitsfaktor: Der Rechtspopulist gilt als streitsüchtig, aufbrausend, unberechenbar und aktionistisch. Die Frage ist also, ob er sich in Hegers Schatten stellen wird. Zweifel daran sind begründet.