Luxemburger Wort

Gegenpol zum Amtsvorgän­ger

Nach dem Rücktritt von Igor Matovic übernimmt Eduard Heger den Posten des slowakisch­en Premiermin­isters

- Von Stefan Schocher (Wien)

Am Ende der slowakisch­en Regierungs­krise, die das Land an den Rand von Neuwahlen gebracht hatte, steht also ein Kompromiss. Vermutlich eine Rochade: Gestern wurde der bisherige Finanzmini­ster Eduard Heger in der aus vier Parteien gestellten Regierung des Landes mit der Regierungs­bildung beauftragt. Das, nachdem der bisherige Premier Igor Matovic am vergangene­n Sonntag seinen Rücktritt angekündig­t hatte.

Weg von der politische­n Bühne ist das Raubein der slowakisch­en Innenpolit­ik damit aber keinesfall­s wie es scheint. Denn daraus, dass er, Matovic, im Kabinett seines Nachfolger­s Finanzmini­ster werden wollte, hatte der bei seinen Koalitions­partnern in Ungnade gefallene Rechtspopu­list kein Hehl gemacht. Fix war das gestern noch nicht. Allerdings hatten die Koalitions­partner dem bereits zugestimmt.

Damit ist der Bestand der Regierung aus der Partei „Gewöhnlich­e Leute und unabhängig­e Persönlich­keiten“(OLaNO) „Wir sind eine Familie“(Sme Rodina), „Freiheit und Solidaritä­t“(SaS) und „Für die Menschen“(Za Ludi) nach wochenlang­er Krise jedenfalls gesichert. Vor allem Matovic war es ja, der mit seinem Gebaren die Mehrheitsb­eschaffer in seiner Regierung gegen sich aufgebrach­t hatte. Das Fass zum Überlaufen gebracht hatte dann letztlich der Kauf von zwei Millionen Dosen des russischen Impfstoffe­s Sputnik V gegen den ausgesproc­henen Willen der Regierungs­partner.

Die Folge war der massenhaft­e Rücktritt von Ministern. Unter ihnen Außenminis­ter Ivan Korcok und Vizepremie­r Richard Sulik. Vor allem die zwei kleineren Regierungs­parteien

SaS und die Za Ludi hatten Matovic Selbstherr­lichkeit, Unberechen­barkeit und einen „unerträgli­chen Regierungs­stil“vorgeworfe­n. Sie gaben Matovic auch die Hauptschul­d am katastroph­alen Pandemie-Management in der Slowakei. Im Verhältnis zur Bevölkerun­gszahl verzeichne­t das Land mehr Corona-Tote als jedes andere Land Europas.

Im Verlauf der Vorwoche hatte sich die Lage dann praktisch unausweich­lich auf zwei Szenarien zugespitzt: Entweder Matovic tritt ab, oder es kommt zu Neuwahlen. Und letzteres dürfte Matovic selbst nicht zuletzt angesichts schlechter Umfragewer­te eher unattrakti­v erschienen sein. Und mit Heger hat Matovic einen Vertrauens­mann aus der eigenen OLaNO installier­t. Der scheidende Premier hatte seinen Minister selbst als Nachfolger vorgeschla­gen. Er sei „ein guter Mensch“, dem er voll vertraue, so Matovic über Heger.

Heger ist Mitbegründ­er von Matovics OLaNO. Öffentlich bekannt ist über den 44-jährigen Politiker aber relativ wenig. Finanzmini­ster ist er, aus der Privatwirt­schaft kommt er, dort war er als Manager

überwiegen­d in Kleinunter­nehmen tätig, aber auch als Berater des Verteidigu­ngsministe­riums. Unter Matovic trat er aber wenig öffentlich in Erscheinun­g. Als dann aber reihenweis­e Minister entnervt das Handtuch warfen war er es schließlic­h, der deren Ämter umgehängt bekam: Zuletzt war er neben seiner leitenden Tätigkeit im Finanzress­ort auch kommissari­scher Gesundheit­sminister sowie auch Bildungsmi­nister.

Zweifel an echtem Neuanfang

Zugerechne­t wird er dabei dem konservati­v-christlich­en Flügel der OLaNO. Zugleich eilt ihm aber der Ruf eines Konsenspol­itikers voraus. Er gilt als zutiefst religiös, so bezeichnet­e er sich selbst als „christlich­er Aktivist“, als kommunikat­iv, höflich aber auch konfliktsc­heu. In der Summe also: Der Gegenpol zu Ex-Premier Matovic.

Nicht zuletzt diesem Umstand verdankt er, dass die Koalitions­partner seiner Ernennung bereits am Sonntag zugestimmt hatten und zugleich Matovics Ambitionen auf das Finanzress­ort akzeptiert­en – wenn auch mit Bauchweh. „Ich werde der Präsidenti­n eine Liste der Namen der neuen Regierung überbringe­n“, sagte Heger vor seinem Treffen mit Staatspräs­identin Zuzana Chaputova.

Die konkrete Zusammense­tzung des neuen Kabinetts wolle er vor diesem Treffen nicht öffentlich machen, sagt er. Mit Matovic im Finanzress­ort bleibt jedenfalls ein Unsicherhe­itsfaktor: Der Rechtspopu­list gilt als streitsüch­tig, aufbrausen­d, unberechen­bar und aktionisti­sch. Die Frage ist also, ob er sich in Hegers Schatten stellen wird. Zweifel daran sind begründet.

 ?? Fotos: AFP ?? Eduard Heger (o.) gehört zum konservati­v-christlich­en Flügel der Matovic-Bewegung OLaNO. Im Gegensatz zum oft polarisier­enden Matovic (r.) galt er bisher als unauffälli­ger und ruhiger Konsenspol­itiker.
Fotos: AFP Eduard Heger (o.) gehört zum konservati­v-christlich­en Flügel der Matovic-Bewegung OLaNO. Im Gegensatz zum oft polarisier­enden Matovic (r.) galt er bisher als unauffälli­ger und ruhiger Konsenspol­itiker.
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