Es geht weiter
Was war es ein beklemmendes, trostloses Gefühl, das Millionen Fernsehzuschauer beschlichen haben muss, als sie die Bilder des einsamen Papstes sahen. In strömendem Regen schritt Franziskus vor rund einem Jahr, am 27. März 2020, die Stufen zum Vorplatz des Petersdoms empor. Es war eine Zeit großer Unsicherheit, als die CoronaWelle in immer größerer Geschwindigkeit über die Welt schwappte und mehr und mehr Länder strenge Maßnahmen von bislang ungekannter Härte erließen. Da entschied sich das Kirchenoberhaupt dazu, eine „besondere Andacht zur Zeit der Pandemie“mit dem hohen Segen Urbi et orbi abzuhalten. „Wir sind verängstigt und fühlen uns verloren“, sagte Franziskus damals. In seinem Gesicht spiegelten sich diese Sorgen wider, als er vor der Muttergottes und vor dem Kruzifix betete. Einige Tage später musste Franziskus, mussten Millionen Gläubige wohl zum ersten Mal in ihrem Leben das höchste Fest der Christenheit in Abgeschiedenheit feiern. Statt Beisammensein gab es nur Fernsehgottesdienste und Telefonate mit den Liebsten.
So trostlos dieses Ausnahme-Ostern 2020 war, so sehr war es doch mit der Hoffnung verbunden, dass Corona bald vorübergehen würde, dass im nächsten Jahr alles wieder „normal“sein würde. Aber von ihren alten Freiheiten, von der Möglichkeit des Zusammenseins, des uneingeschränkten Reisens, Feierns und Lebens, ist die Menschheit zum Osterfest 2021 noch immer weit entfernt. Viel schlimmer: Millionen Menschen sind der Pandemie zum Opfer gefallen; Menschen, denen es in den Tagen des Leidens und Sterbens Christi zu gedenken gilt. Weil es einen finanziellen Wettlauf um die begehrten Vakzine gibt und Hersteller die Patente für diese Goldgrube eisern verteidigen, sind weitere Millionen Tote, vor allem in den ärmeren Ländern der Welt, wohl unausweichlich. Das ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Auch in Luxemburg bangen viele Menschen um Angehörige. Manche resignieren.
Doch auch wenn Ostern wieder im Ausnahmezustand begangen werden muss, so geht die zentrale Botschaft des Festes nicht unter: Christinnen und Christen feiern die Auferstehung Jesu, die ihnen Trost und Halt in schwierigen Zeiten spendet. Aber auch, wer mit der Hoffnung auf ein ewiges Leben nichts anfangen kann, mag in diesen zarten Frühlingstagen einen Hoffnungsschimmer erkennen. Denn trotz aller Lieferprobleme schreitet die Impfung gegen Corona kontinuierlich voran. Drei Viertel der über 80 Jahre alten Luxemburger haben bereits ihre erste Dosis erhalten; je mehr Ältere dergestalt geschützt sind, desto schneller dürfte die Todesrate sinken. Das Land geht gebeutelt durch den Corona-Sturm, doch es wird nicht in seinen Grundfesten erschüttert. Auch wenn schwierige Frühjahrsmonate bevorstehen, kehren doch mehr und mehr Alltagsfreiheiten zurück. In weiter Ferne zeichnet sich so etwas wie Normalität ab. Freilich wird nicht mehr alles so sein, wie es vor der Pandemie war. Mit dem Klimawandel steuert die Menschheit schließlich auf eine noch viel grundlegendere Krise zu. Doch Ostern drückt jedes Jahr aufs Neue eine Gewissheit aus: Es geht weiter.
In diesen Frühlingstagen ist ein Hoffnungsschimmer erkennbar.
Kontakt: michael.merten@wort.lu