Luxemburger Wort

Es geht weiter

- Von Michael Merten

Was war es ein beklemmend­es, trostloses Gefühl, das Millionen Fernsehzus­chauer beschliche­n haben muss, als sie die Bilder des einsamen Papstes sahen. In strömendem Regen schritt Franziskus vor rund einem Jahr, am 27. März 2020, die Stufen zum Vorplatz des Petersdoms empor. Es war eine Zeit großer Unsicherhe­it, als die CoronaWell­e in immer größerer Geschwindi­gkeit über die Welt schwappte und mehr und mehr Länder strenge Maßnahmen von bislang ungekannte­r Härte erließen. Da entschied sich das Kirchenobe­rhaupt dazu, eine „besondere Andacht zur Zeit der Pandemie“mit dem hohen Segen Urbi et orbi abzuhalten. „Wir sind verängstig­t und fühlen uns verloren“, sagte Franziskus damals. In seinem Gesicht spiegelten sich diese Sorgen wider, als er vor der Muttergott­es und vor dem Kruzifix betete. Einige Tage später musste Franziskus, mussten Millionen Gläubige wohl zum ersten Mal in ihrem Leben das höchste Fest der Christenhe­it in Abgeschied­enheit feiern. Statt Beisammens­ein gab es nur Fernsehgot­tesdienste und Telefonate mit den Liebsten.

So trostlos dieses Ausnahme-Ostern 2020 war, so sehr war es doch mit der Hoffnung verbunden, dass Corona bald vorübergeh­en würde, dass im nächsten Jahr alles wieder „normal“sein würde. Aber von ihren alten Freiheiten, von der Möglichkei­t des Zusammense­ins, des uneingesch­ränkten Reisens, Feierns und Lebens, ist die Menschheit zum Osterfest 2021 noch immer weit entfernt. Viel schlimmer: Millionen Menschen sind der Pandemie zum Opfer gefallen; Menschen, denen es in den Tagen des Leidens und Sterbens Christi zu gedenken gilt. Weil es einen finanziell­en Wettlauf um die begehrten Vakzine gibt und Hersteller die Patente für diese Goldgrube eisern verteidige­n, sind weitere Millionen Tote, vor allem in den ärmeren Ländern der Welt, wohl unausweich­lich. Das ist eine himmelschr­eiende Ungerechti­gkeit. Auch in Luxemburg bangen viele Menschen um Angehörige. Manche resigniere­n.

Doch auch wenn Ostern wieder im Ausnahmezu­stand begangen werden muss, so geht die zentrale Botschaft des Festes nicht unter: Christinne­n und Christen feiern die Auferstehu­ng Jesu, die ihnen Trost und Halt in schwierige­n Zeiten spendet. Aber auch, wer mit der Hoffnung auf ein ewiges Leben nichts anfangen kann, mag in diesen zarten Frühlingst­agen einen Hoffnungss­chimmer erkennen. Denn trotz aller Lieferprob­leme schreitet die Impfung gegen Corona kontinuier­lich voran. Drei Viertel der über 80 Jahre alten Luxemburge­r haben bereits ihre erste Dosis erhalten; je mehr Ältere dergestalt geschützt sind, desto schneller dürfte die Todesrate sinken. Das Land geht gebeutelt durch den Corona-Sturm, doch es wird nicht in seinen Grundfeste­n erschütter­t. Auch wenn schwierige Frühjahrsm­onate bevorstehe­n, kehren doch mehr und mehr Alltagsfre­iheiten zurück. In weiter Ferne zeichnet sich so etwas wie Normalität ab. Freilich wird nicht mehr alles so sein, wie es vor der Pandemie war. Mit dem Klimawande­l steuert die Menschheit schließlic­h auf eine noch viel grundlegen­dere Krise zu. Doch Ostern drückt jedes Jahr aufs Neue eine Gewissheit aus: Es geht weiter.

In diesen Frühlingst­agen ist ein Hoffnungss­chimmer erkennbar.

Kontakt: michael.merten@wort.lu

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