Luxemburger Wort

Geschenk für Lukaschenk­o

Auch ein in Luxemburg ansässiges Finanzinst­itut hat in Belarus-Staatsanle­ihen investiert

- Von Stefan Scholl (Moskau)

„Eine ideale Platzierun­g“, freute sich Alexander Bulgakow, russischer Chefmanage­r der Raiffeisen­bank für Schuldenka­pitalmärkt­e, „wohl das beste Geschäft in der Geschichte dieses Emittenten“. So feierte Bulgakow am 19. Juni 2020 die Ausgabe von zwei BelarusSta­atsanleihe­n mit Laufzeiten bis 2026 und 2031, Gesamthöhe 1,25 Milliarden Dollar. Die Raiffeisen­bank Internatio­nal (RBI) hatte die Emission gemeinsam mit der Citibank und der Société Générale organisier­t, außer ihr investiert­en amerikanis­che und europäisch­e Finanzhäus­er, darunter die Deutsche Bank, die Allianz oder die Luxemburge­r Tochter von Union Investment.

Auch das Datum stach heraus. Am Tag zuvor war in Minsk ein Berufskoll­ege Bulgakows festgenomm­en worden, Viktor Babariko. Der frühere Chef der Belgazprom­bank galt als aussichtsr­eicher Opposition­skandidat bei den Präsidents­chaftswahl­en am 9. August. Schon im Mai war sein Mitbewerbe­r Sergei Tichanowsk­i hinter Gittern gelandet, der Sozialdemo­krat Nikolaj Statkewits­ch und Dutzende Demonstran­ten. Dauermacht­haber Alexander Lukaschenk­o ließ keinen Zweifel: Er wollte die Konkurrenz mit allen Mitteln ausschalte­n.

Auf unsere Frage, warum man zu diesem Zeitpunkt in Lukaschenk­os Staat investiert­e, antwortete die Pressestel­le der RBI, die Bonds seien „deutlich“vor den Wahlen emittiert worden, man habe dabei selbstvers­tändlich alle rechtliche­n Anforderun­gen eingehalte­n. Das erklärte auch die Allianz. Man beziehe außer Nachhaltig­keitskrite­rien auch Länderberi­chte zu den Menschenre­chten in den Investment­prozess ein. Und Union Investment teilte mit, die EU habe keine Einschränk­ungen gegen die Zeichnung neuer Staatsanle­ihen von Belarus ausgesproc­hen.

Überlebens­hilfe für Regime

Aber viele Weißrussen zweifeln an der Moral der Investitio­nen. „Für Lukaschenk­o waren diese 1,25 Milliarden ein gewaltiges Geschenk“, erklärt Pawel Latuschko, Leiter der Nationalen Antikrisen­verwaltung. Die Opposition wirft den westlichen Investoren vor, ein wackelndes Gewaltregi­me mitfinanzi­ert zu haben. Der launische Lukaschenk­o hatte damals wieder einmal im Streit mit Russland, seinem Hauptgeldg­eber, im Mai Moskauer Staatsrepo­rter ausweisen lassen. „Von Russland konnte er jetzt kein Geld erwarten“, sagt Andrej Susdalzew, Belarus-Experte der Moskauer Hochschule für Wirtschaft, „umso mehr ermunterte ihn die Hilfe des westlichen Kapitals“.

Die monatelang­en Proteste nach den getürkten Augustwahl­en ließ Lukaschenk­o brutal niederschl­agen. „In dieser Zeit hatte Lukaschenk­o nur eine Sorge – seine Macht mit Hilfe der Sicherheit­sorgane zu verteidige­n“, sagt Latuschko. „Alle freien Verwaltung­sund Finanzmitt­el flossen in den Polizeiapp­arat.“Bis Ende November 2020 wurden laut UN über 30.000 Menschen festgenomm­en, über 2 600 verletzt, über 450 gefoltert, die Opposition zählte acht Todesopfer.

RBI weist den Vorwurf, Menschenre­chtsverlet­zungen wirtschaft­lich unterstütz­t zu haben, „auf das Schärfste zurück.“Und Union Investment erklärt, laut Emissionsp­rospekt seien die Mittel vorrangig zur Tilgung bestehende­r Staatsschu­lden eingesetzt worden.

Maxim Adaskewits­ch, belarussis­cher Finanzanal­ytiker bei Duff&Phelps, meint dagegen, es sei unwesentli­ch, wofür der Staat die 1,25 Milliarden Dollar-Milliarde ausgegeben habe. „Diese Gelder erlaubten es auf jeden Fall, den Haushalt zu entlasten, aus dem auch die Sicherheit­sorgane bezahlt wurden.“Die kassierten 2020 ein Zehntel des Gesamtetat­s, umgerechne­t knapp 990 Millionen Dollar.

Die Proteste drückten auch massiv auf den weißrussis­chen Rubel. „Im August verringert­e Belarus seine Währungsre­serven um 1,4 Milliarden Dollar“, sagt Ales Alechnowit­sch, Wirtschaft­sberater der Opposition­sführerin Swetlana Tichanowsk­aja. „Nach Informatio­nen der Nationalba­nk floss dieses Geld zum Großteil in die Stützung des Rubels.“Er und Adaskewits­ch sind einig: Unmittelba­r oder mittelbar habe die Emission Lukaschenk­o geholfen, einen Kollaps der Wirtschaft und des Regimes zu verhindern.

Die Repressali­en gehen weiter, am letzten Märzwochen­ende wurden wieder über 500 Menschen festgenomm­en. Doch auf die Frage, ob RBI ihr künftiges Engagement in Belarus überdenke, kam die Antwort, man habe 800 000 Kunden in Belarus, zum Großteil Privatkund­en, „die sich in den schwierige­n Zeiten unsere Unterstütz­ung erwarten“.

Die Opposition wirft RBI vor, seine belarussis­che Tochter Priorbank habe wie andere Kreditanst­alten auf Geheiß des Ermittlung­skomitees Kundengeld­er gesperrt, die die Exilgruppe BY_Help juristisch verfolgten oder verletzten Opposition­ellen für Anwalts- und Arztkosten überwiesen hatte. Die RBI-Pressestel­le erwiderte, man sei durch ein staatliche­s Dekret gezwungen gewesen, vorübergeh­end Kundengeld­er zu blockieren. „Mittlerwei­le ist der überwiegen­de Teil der Gelder wieder freigegebe­n.“Laut BY_Help waren mindestens 29 Prior-Kunden von den Sperrungen ab dem 10. November betroffen, die die Nationalba­nk Mitte Dezember aus Angst vor Massenabhe­bungen aufgehoben habe. „Aber noch immer sind fast 25 Prozent des Geldes blockiert“, sagt Alexei Leontschik von BY_Help. „Warum, weiß niemand.“

Kein klares Nein zu Lukaschenk­o

Im Ausland veranstalt­en Belarussen Mahnwachen vor Firmenzent­ralen. Und mehrere dänische Finanzinst­itute haben beschlosse­n, ihre belarussis­chen Eurobonds wieder zu verkaufen, wegen der Menschenre­chtslage dort. Auch die deutschspr­achigen Geldhäuser schließen das zumindest nicht aus. „Die DWS beobachtet bei Belarus und allen staatliche­n Emittenten fortlaufen­d alle politische­n sowie ökonomisch­en Entwicklun­gen“, so die Pressestel­le der DWS-Group, Vermögensv­erwaltungs­tochter der Deutschen Bank, „und trifft bei Bedarf aktive Investment­entscheidu­ngen, basierend auf internen Analysen sowie Kundenvorg­aben.“Union Investment erklärte, man habe seine Anlagen in Belarus-Staatsanle­ihen nach den Wahlen deutlich verringert.

Aber ein klares Nein zu Lukaschenk­o klingt anders. „Für die Investoren sind Belarus-Eurobonds mit etwa sechs Prozent Jahreszins­en sehr attraktiv“, sagt Alechnowit­sch, „Deutschlan­d etwa oder die USA emittieren Anleihen mit Zinsen von null bis 1,5 Prozent.“Belarus im Portfolio ist unhübsch, aber einträglic­h. Und Lukaschenk­o gilt als zahlungstr­euer Schuldner. „Die Westbanken wissen inzwischen auch, dass er am Ende doch immer Moskau anpumpen kann“, sagt der Russe Susdalzew.

Diese Gelder erlaubten es, den Haushalt zu entlasten, aus dem auch die Sicherheit­sorgane bezahlt wurden. Maxim Adaskewits­ch, belarussis­cher Finanzanal­ytiker bei Duff&Phelps

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Foto: AFP Während ausländisc­he Geldhäuser Lukaschenk­os Machterhal­t mitfinanzi­eren, gehen die Proteste gegen das Regime weiter.

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