Allheilmittel Corona-Impfpass?
Die EU will zum 1. Juni einen europaweit gültigen Impfpass einführen, um etwa Urlaubsreisen zu ermöglichen. Damit will Brüssel im Verbund mit den Staats- und Regierungschefs verhindern, dass auch in diesem Sommer die Tourismussaison in Europa mehr oder weniger komplett ins Wasser fällt. Vor allem jene Länder, deren Wirtschaft stark vom Tourismus abhängig ist, machen Druck. In dem EU-Impfpass sollen aber nicht nur Impfungen erfasst werden, sondern auch Ergebnisse von zugelassenen PCR- und Schnelltests. Die meisten Fluggesellschaften tendieren dazu, auch ein negatives Testergebnis
als Zugangsvoraussetzung zu akzeptieren; doch einzelne Airlines sowie Anbieter von Kreuzfahrten haben angekündigt, nur geimpfte Passagiere an Bord nehmen zu wollen. Zwar steigt die Zahl der gegen Corona geimpften Menschen kontinuierlich an, doch es zeichnet sich ab, dass längst nicht alle Impfwilligen bis zum Sommer zum Zug kommen werden. Sollten geimpften Menschen Sonderrechte zugestanden werden, die Nicht-Geimpften verwehrt bleiben? Oder verstößt der geplante Corona-Impfpass gegen das Chancengleichheitsprinzip und befeuert eine Neid-Debatte in der Gesellschaft? mer/stb
Die Erde mit ihren 7,7 Milliarden Menschen ist von großen Veränderungen geprägt, wie sie so noch nie zuvor in der Geschichte der Menschheit stattfanden. Wir verspüren die Auswirkungen des Klimawandels an allen Ecken des Planeten und zusätzlich lässt die Corona-Pandemie weder die Politik, noch die Wirtschaft und die Wissenschaft zur Ruhe kommen. Diese Unsicherheiten, gepaart mit den schreienden Ungerechtigkeiten, führen zu politischen Ausschreitungen und Verwerfungen in der Gesellschaft.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts lebten etwa zwei Prozent der Weltbevölkerung in den Städten und 100 Jahre später schon 13 Prozent – zur Jahrtausendwende waren es bereits 47 Prozent. Laut dem Bericht der Vereinten Nationen „World Urbanisation Prospects“wurde die 50-Prozent-Marke im Jahr 2007 erreicht und man schätzt, dass etwa 75 Prozent der Weltbevölkerung in den urbanen Regionen im Jahr 2050 leben werden.
Den größten Drang, in die Städte und deren Umgebung zu ziehen, verspüren die Menschen in den Entwicklungsländern. Das wirtschaftliche Wachstum, die Schaffung von Arbeitsplätzen verbunden mit „besseren“Arbeitsbedingungen sowie die „Chance die soziale Leiter emporzusteigen“, treibt vor allem die Jugendlichen an. Die mangelnden Perspektiven zur Bestreitung des Lebensunterhaltes auf dem Land und die Hoffnung auf etwas Lebensglück in den Städten veranlassen sie, diesen Schritt zu unternehmen. Doch der Weg ist nicht selten ein Weg in die nächste Armutsfalle. Im Jahr 2007 zählte man etwa eine Milliarde Menschen in den Slums der Welt und bereits 1,4 Milliarden Menschen im Jahr 2020.
Zahl der Megastädte wächst kontinuierlich
Angesichts dieser Fakten sollte ein Blick auf die Megastädte geworfen werden. Heute gibt es bereits über 30 Megastädte mit mehr als zehn Millionen Einwohnern und die Anzahl sowie deren Bevölkerung erhöhen sich permanent. Von den Megastädten befinden sich 20 im asiatischen Raum und in Lateinamerika, unter anderen Buenos Aires, New Delhi, Bangkok, Dhaka, Jakarta, Manila, Mexiko-Stadt, Mumbai, Peking, Shanghai, Rio de Janeiro und Tokio-Yokohama.
In Europa gehören nur Paris und London zu diesen Megastädten.
Hier stellt man eher das Gegenteil fest: Die Menschen wandern von der Stadt in das umliegende Land. China hat mittlerweile begonnen, die Infrastrukturen für die Gigastadt Jing-Jin-Ji zu bauen, die Peking, Tianjin und Hebei umfassen soll und in der 130 Millionen Menschen leben sollen. Es fällt des Weiteren auf, dass sich viele Megastädte an den Küsten befinden und es dürfte den Städteplanern nicht entgangen sein, dass hier ein hohes Risiko angesichts der dramatischen Folgen von Extremwetterlagen wie Überschwemmungen besteht.
In den Megastädten koexistieren die Infrastrukturen, die Verwaltungsgebäude und die riesigen Wohnkomplexe – dies auf kleinstem Raum: Die sozialen Spannungen sind hier vorprogrammiert. Bedingt durch die hohe Bevölkerungskonzentration drängen sich noch weitere Probleme auf wie unter anderem die prekäre Versorgung mit Grundnahrungsmitteln und die mangelhafte Bereitstellung von Wasser sowie elektrischer Energie. Vor allem aber werden die Entsorgung von Abwässern und deren Reinigung sowie die Beseitigung von Müll die Megastädte an den Rand des Zusammenbruchs führen.
Die Megastädte üben einen hohen Druck auf die verfügbaren Ressourcen aus und der innerstädtische Verkehr, beruhend auf der Verbrennung von fossilen Energieträgern, insbesondere in den Schwellen- und Entwicklungsländern, erhöht die Treibhausgasemissionen in einem erschreckenden Maß. Umfangreiche Studien seitens der EU-Umweltagentur belegen diese Fakten und das Anwachsen der Stadtbewohner von etwa vier Milliarden Menschen im Jahr 2015 auf mehr als sechs Milliarden im Jahr 2050, beunruhigt die Klimawissenschaftler und nicht nur diese. Als oberste Priorität gilt es nun, die schädlichen Treibhausgasemissionen in den Städten und gleichzeitig den ökologischen Fußabdruck zu verringern.
Die Entwicklung von intelligenten Städten, den „smart cities“, stellt den Königsweg dar und viele europäischen Städte, unter anderen Kopenhagen, Hamburg, Stockholm und Glasgow haben sich bereits dafür entschieden. Diese Städte zeichnen sich durch das vernetzte Quadrat aus: Umweltfreundlichkeit, nachhaltige Mobilität, Ressourceneffizienz und Sicherheitsmanagement. Die digitale Vernetzung zwischen der Versorgung mit elektrischer Energie, des öffentlichen Verkehrs sowie den anderen Ver- und Entsorgungssystemen stellt das „Kernelement der städtischen Wandlung“dar. Das europäische Modell sollte als Leitbild für die Entwicklung der Megastädte dienen.
Es sind alle Gebäude und Häuser so ausgelegt, dass sie möglichst wenig Energie verbrauchen, ihre elektrische Energie selbst erzeugen und speichern. Mit Solarkollektoren und Biokompostern wird die benötigte thermische Energie bereitgestellt, die nachhaltige Nutzung der erneuerbaren Ressourcen und der Aufbau der Kreislaufwirtschaft sind weitere Bestandteile des Prozesses. Die sanfte Mobilität steht im Mittelpunkt des Verkehrs und die Schaffung von Luftschneisen sowie das Anlegen von Grünanlagen sorgen für die nötige „Frische“in den Städten.
Der Erderschöpfungstag führt den Menschen vor Augen, dass sie umgehend nachhaltiger mit den endlichen Ressourcen des Planeten umgehen müssen – hier bedarf es der effizienten Suffizienzstrategie. Die nachhaltige Stadtentwicklung muss dafür Sorge tragen, dass die vorhandenen Natur- und Landschaftsräume nicht durch die Zersiedlung zerstört werden. Es muss die bauliche Verdichtung optimiert und der Übergang von der Stadt in das Umland muss fließend gestaltet werden, dies vor allem durch eine Lebensqualität spendende Siedlungs- und Verkehrsplanung.
Die Hausaufgaben, die auf Luxemburg warten
Die Vereinten Nationen haben sich mit Nachdruck mittels der Verabschiedung der Nachhaltigkeitsziele für die nachhaltige und zukunftsfähige Stadtentwicklung eingesetzt. Es besteht kein Zweifel: Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt bereits in den Städten und die Urbanisierung mitsamt den urbanen Infrastrukturen
wird eine der beherrschenden Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.
Durch den zunehmenden Einsatz der Informations- und Kommunikationstechnologien werden die physischen und die digitalen Infrastrukturen stärker vernetzt, so dass eine effizientere Nutzung aller Ressourcen ermöglicht wird – der globale Fußabdruck wird sich verringern.
Die Diskussion um die Verwirklichung der „smart city“steht am Beginn einer neuen Epoche und es müssen Brücken zwischen diesen beiden Herausforderungen – das Wachsen von urbanen Infrastrukturen und der nachhaltige Umgang mit den Naturressourcen – gebaut werden.
Luxemburg wird diese Gedanken der „smart city“im Rahmen der nachhaltigen Entwicklung mit den am 1. März 2021 in Kraft getretenen vier „plans sectoriels“umsetzen müssen. Es handelt sich um die enge Vernetzung der Bereiche Wohnungsbau, Wirtschaft und Aktivitätszonen, Verkehr sowie Umwelt, Schonung der natürlichen Ressourcen und Landschaftspflege. Auf allen politischen Ebenen müssen nunmehr die nötigen Maßnahmen ergriffen werden – die kommenden Generationen werden uns an den Ergebnissen messen.
Die Megastädte üben einen hohen Druck auf die verfügbaren Ressourcen aus.
Die Urbanisierung mitsamt den urbanen Infrastrukturen wird eine der beherrschenden Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.
Quellenhinweise: https://www.oecd.org/cfe/Cities-in-theWorld-Policy-Highlights-GER.pdf https://hub.beesmart.city/de/smart-citystrategie/tag/nachhaltige-stadtentwicklung
Fraunhofer – „Smart Cities“: eine Chance für die nachhaltige Urbanisierung?