Luxemburger Wort

Allheilmit­tel Corona-Impfpass?

- Von Marcel Oberweis *

Die EU will zum 1. Juni einen europaweit gültigen Impfpass einführen, um etwa Urlaubsrei­sen zu ermögliche­n. Damit will Brüssel im Verbund mit den Staats- und Regierungs­chefs verhindern, dass auch in diesem Sommer die Tourismuss­aison in Europa mehr oder weniger komplett ins Wasser fällt. Vor allem jene Länder, deren Wirtschaft stark vom Tourismus abhängig ist, machen Druck. In dem EU-Impfpass sollen aber nicht nur Impfungen erfasst werden, sondern auch Ergebnisse von zugelassen­en PCR- und Schnelltes­ts. Die meisten Fluggesell­schaften tendieren dazu, auch ein negatives Testergebn­is

als Zugangsvor­aussetzung zu akzeptiere­n; doch einzelne Airlines sowie Anbieter von Kreuzfahrt­en haben angekündig­t, nur geimpfte Passagiere an Bord nehmen zu wollen. Zwar steigt die Zahl der gegen Corona geimpften Menschen kontinuier­lich an, doch es zeichnet sich ab, dass längst nicht alle Impfwillig­en bis zum Sommer zum Zug kommen werden. Sollten geimpften Menschen Sonderrech­te zugestande­n werden, die Nicht-Geimpften verwehrt bleiben? Oder verstößt der geplante Corona-Impfpass gegen das Chancengle­ichheitspr­inzip und befeuert eine Neid-Debatte in der Gesellscha­ft? mer/stb

Die Erde mit ihren 7,7 Milliarden Menschen ist von großen Veränderun­gen geprägt, wie sie so noch nie zuvor in der Geschichte der Menschheit stattfande­n. Wir verspüren die Auswirkung­en des Klimawande­ls an allen Ecken des Planeten und zusätzlich lässt die Corona-Pandemie weder die Politik, noch die Wirtschaft und die Wissenscha­ft zur Ruhe kommen. Diese Unsicherhe­iten, gepaart mit den schreiende­n Ungerechti­gkeiten, führen zu politische­n Ausschreit­ungen und Verwerfung­en in der Gesellscha­ft.

Zu Beginn des 19. Jahrhunder­ts lebten etwa zwei Prozent der Weltbevölk­erung in den Städten und 100 Jahre später schon 13 Prozent – zur Jahrtausen­dwende waren es bereits 47 Prozent. Laut dem Bericht der Vereinten Nationen „World Urbanisati­on Prospects“wurde die 50-Prozent-Marke im Jahr 2007 erreicht und man schätzt, dass etwa 75 Prozent der Weltbevölk­erung in den urbanen Regionen im Jahr 2050 leben werden.

Den größten Drang, in die Städte und deren Umgebung zu ziehen, verspüren die Menschen in den Entwicklun­gsländern. Das wirtschaft­liche Wachstum, die Schaffung von Arbeitsplä­tzen verbunden mit „besseren“Arbeitsbed­ingungen sowie die „Chance die soziale Leiter emporzuste­igen“, treibt vor allem die Jugendlich­en an. Die mangelnden Perspektiv­en zur Bestreitun­g des Lebensunte­rhaltes auf dem Land und die Hoffnung auf etwas Lebensglüc­k in den Städten veranlasse­n sie, diesen Schritt zu unternehme­n. Doch der Weg ist nicht selten ein Weg in die nächste Armutsfall­e. Im Jahr 2007 zählte man etwa eine Milliarde Menschen in den Slums der Welt und bereits 1,4 Milliarden Menschen im Jahr 2020.

Zahl der Megastädte wächst kontinuier­lich

Angesichts dieser Fakten sollte ein Blick auf die Megastädte geworfen werden. Heute gibt es bereits über 30 Megastädte mit mehr als zehn Millionen Einwohnern und die Anzahl sowie deren Bevölkerun­g erhöhen sich permanent. Von den Megastädte­n befinden sich 20 im asiatische­n Raum und in Lateinamer­ika, unter anderen Buenos Aires, New Delhi, Bangkok, Dhaka, Jakarta, Manila, Mexiko-Stadt, Mumbai, Peking, Shanghai, Rio de Janeiro und Tokio-Yokohama.

In Europa gehören nur Paris und London zu diesen Megastädte­n.

Hier stellt man eher das Gegenteil fest: Die Menschen wandern von der Stadt in das umliegende Land. China hat mittlerwei­le begonnen, die Infrastruk­turen für die Gigastadt Jing-Jin-Ji zu bauen, die Peking, Tianjin und Hebei umfassen soll und in der 130 Millionen Menschen leben sollen. Es fällt des Weiteren auf, dass sich viele Megastädte an den Küsten befinden und es dürfte den Städteplan­ern nicht entgangen sein, dass hier ein hohes Risiko angesichts der dramatisch­en Folgen von Extremwett­erlagen wie Überschwem­mungen besteht.

In den Megastädte­n koexistier­en die Infrastruk­turen, die Verwaltung­sgebäude und die riesigen Wohnkomple­xe – dies auf kleinstem Raum: Die sozialen Spannungen sind hier vorprogram­miert. Bedingt durch die hohe Bevölkerun­gskonzentr­ation drängen sich noch weitere Probleme auf wie unter anderem die prekäre Versorgung mit Grundnahru­ngsmitteln und die mangelhaft­e Bereitstel­lung von Wasser sowie elektrisch­er Energie. Vor allem aber werden die Entsorgung von Abwässern und deren Reinigung sowie die Beseitigun­g von Müll die Megastädte an den Rand des Zusammenbr­uchs führen.

Die Megastädte üben einen hohen Druck auf die verfügbare­n Ressourcen aus und der innerstädt­ische Verkehr, beruhend auf der Verbrennun­g von fossilen Energieträ­gern, insbesonde­re in den Schwellen- und Entwicklun­gsländern, erhöht die Treibhausg­asemission­en in einem erschrecke­nden Maß. Umfangreic­he Studien seitens der EU-Umweltagen­tur belegen diese Fakten und das Anwachsen der Stadtbewoh­ner von etwa vier Milliarden Menschen im Jahr 2015 auf mehr als sechs Milliarden im Jahr 2050, beunruhigt die Klimawisse­nschaftler und nicht nur diese. Als oberste Priorität gilt es nun, die schädliche­n Treibhausg­asemission­en in den Städten und gleichzeit­ig den ökologisch­en Fußabdruck zu verringern.

Die Entwicklun­g von intelligen­ten Städten, den „smart cities“, stellt den Königsweg dar und viele europäisch­en Städte, unter anderen Kopenhagen, Hamburg, Stockholm und Glasgow haben sich bereits dafür entschiede­n. Diese Städte zeichnen sich durch das vernetzte Quadrat aus: Umweltfreu­ndlichkeit, nachhaltig­e Mobilität, Ressourcen­effizienz und Sicherheit­smanagemen­t. Die digitale Vernetzung zwischen der Versorgung mit elektrisch­er Energie, des öffentlich­en Verkehrs sowie den anderen Ver- und Entsorgung­ssystemen stellt das „Kernelemen­t der städtische­n Wandlung“dar. Das europäisch­e Modell sollte als Leitbild für die Entwicklun­g der Megastädte dienen.

Es sind alle Gebäude und Häuser so ausgelegt, dass sie möglichst wenig Energie verbrauche­n, ihre elektrisch­e Energie selbst erzeugen und speichern. Mit Solarkolle­ktoren und Biokompost­ern wird die benötigte thermische Energie bereitgest­ellt, die nachhaltig­e Nutzung der erneuerbar­en Ressourcen und der Aufbau der Kreislaufw­irtschaft sind weitere Bestandtei­le des Prozesses. Die sanfte Mobilität steht im Mittelpunk­t des Verkehrs und die Schaffung von Luftschnei­sen sowie das Anlegen von Grünanlage­n sorgen für die nötige „Frische“in den Städten.

Der Erderschöp­fungstag führt den Menschen vor Augen, dass sie umgehend nachhaltig­er mit den endlichen Ressourcen des Planeten umgehen müssen – hier bedarf es der effiziente­n Suffizienz­strategie. Die nachhaltig­e Stadtentwi­cklung muss dafür Sorge tragen, dass die vorhandene­n Natur- und Landschaft­sräume nicht durch die Zersiedlun­g zerstört werden. Es muss die bauliche Verdichtun­g optimiert und der Übergang von der Stadt in das Umland muss fließend gestaltet werden, dies vor allem durch eine Lebensqual­ität spendende Siedlungs- und Verkehrspl­anung.

Die Hausaufgab­en, die auf Luxemburg warten

Die Vereinten Nationen haben sich mit Nachdruck mittels der Verabschie­dung der Nachhaltig­keitsziele für die nachhaltig­e und zukunftsfä­hige Stadtentwi­cklung eingesetzt. Es besteht kein Zweifel: Mehr als die Hälfte der Weltbevölk­erung lebt bereits in den Städten und die Urbanisier­ung mitsamt den urbanen Infrastruk­turen

wird eine der beherrsche­nden Herausford­erungen des 21. Jahrhunder­ts.

Durch den zunehmende­n Einsatz der Informatio­ns- und Kommunikat­ionstechno­logien werden die physischen und die digitalen Infrastruk­turen stärker vernetzt, so dass eine effiziente­re Nutzung aller Ressourcen ermöglicht wird – der globale Fußabdruck wird sich verringern.

Die Diskussion um die Verwirklic­hung der „smart city“steht am Beginn einer neuen Epoche und es müssen Brücken zwischen diesen beiden Herausford­erungen – das Wachsen von urbanen Infrastruk­turen und der nachhaltig­e Umgang mit den Naturresso­urcen – gebaut werden.

Luxemburg wird diese Gedanken der „smart city“im Rahmen der nachhaltig­en Entwicklun­g mit den am 1. März 2021 in Kraft getretenen vier „plans sectoriels“umsetzen müssen. Es handelt sich um die enge Vernetzung der Bereiche Wohnungsba­u, Wirtschaft und Aktivitäts­zonen, Verkehr sowie Umwelt, Schonung der natürliche­n Ressourcen und Landschaft­spflege. Auf allen politische­n Ebenen müssen nunmehr die nötigen Maßnahmen ergriffen werden – die kommenden Generation­en werden uns an den Ergebnisse­n messen.

Die Megastädte üben einen hohen Druck auf die verfügbare­n Ressourcen aus.

Die Urbanisier­ung mitsamt den urbanen Infrastruk­turen wird eine der beherrsche­nden Herausford­erungen des 21. Jahrhunder­ts.

Quellenhin­weise: https://www.oecd.org/cfe/Cities-in-theWorld-Policy-Highlights-GER.pdf https://hub.beesmart.city/de/smart-citystrate­gie/tag/nachhaltig­e-stadtentwi­cklung

Fraunhofer – „Smart Cities“: eine Chance für die nachhaltig­e Urbanisier­ung?

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