Luxemburger Wort

Ein Grundeinko­mmen für Landwirte und Kulturscha­ffende

- Von Alfred Groff *

In der aktuellen Pandemieze­it sind die Natur und die Kultur in großer Gefahr. Statt in Naturschut­z, Kultur, Bildung und Gesundheit zu investiere­n, wird nur mehr über das Virus geredet und es verbreiten sich Angst, Depression­en, Autoritäts­hörigkeit und Lethargie. Unsere Wirtschaft verlangt nicht nach stetem Wachstum, das tut nur die menschlich­e Gier. Jetzt ist die Wirtschaft gebremst. Acht von zehn Menschen im deutschspr­achigen Raum wünschen sich laut Umfragen eine neue Wirtschaft­sordnung.

Was wissen wir über die Ursachen der Pandemie? SARS, Schweinegr­ippe, MERS, Ebola und Covid-19 haben etwas gemeinsam: Die Erreger haben sich von Tieren auf den Menschen übertragen. Laut der Forschung ist das vermehrte Aufkommen sogenannte­r Zoonosen kein Zufall, sondern die Folge des gegenwärti­gen Lebensstil­s der Menschheit.

Wir zerstören die Artenvielf­alt. Forscher sagen uns, dass die Ursachen neuer Krankheite­n die gleichen sind, die auch den Klimawande­l verursache­n. Tropischen Primärwald holzen wir ab für den Import von transgenem Soja für europäisch­e Viehzuchtb­etriebe. Wir legen immer mehr Flächen für die industriel­le Landwirtsc­haft trocken. Die industriel­le Intensivha­ltung von Tieren, nach dem Prinzip der höchstmögl­ichen Rentabilit­ät mit zu vielen Tieren auf engstem Raum, bietet Viren und anderen Erregern beste Bedingunge­n, um in kurzer Zeit das ganze Umfeld zu infizieren.

Krankheits­erreger gab es schon immer und bis vor kurzem waren sie kein Problem. Nun holen wir sie durch Waldrodung­en aus dem Urwald in die Zivilisati­on mit den bekannten Folgen. Urbanisier­ung und Mobilität beschleuni­gen deren Verbreitun­g.

Lösungen gegen Pandemien

Genügt es zu testen, zu impfen, zu isolieren, Masken zu tragen und Hände zu waschen? Sicher nicht, aber über andere Möglichkei­ten oder gar Notwendigk­eiten wird vor allem in den Medien kaum gesprochen.

Was jeder individuel­l tun kann: Sein Immunsyste­m stärken. Dieses wird durch Hygiene, sauberes Wasser, Luft, Sonnensche­in, körperlich­e Bewegung, gesunde Ernährung, genügend Schlaf und durch seelische Faktoren wie Liebe, Geselligke­it und allgemeine Lebensfreu­de am besten unterstütz­t.

Was können oder müssen wir kollektiv tun und zwar sofort? Statt nur die Symptome zu bekämpfen, müssen die Ursachen angegangen werden: Erhalt der Artenvielf­alt, nachhaltig­e Bio-Landwirtsc­haft, Gemeinwohl­ökonomie, Lösung des weltweiten Armutsprob­lems.

Die Politik sollte auf internatio­naler Ebene Maßnahmen ergreifen. Die Internatio­nal Simultaneo­us Policy Organizati­on (Simpol) gibt uns eine überzeugen­de Methode, sie dazu anzuregen. Aber damit wir alle tatkräftig an den notwendige­n Schritten mithelfen können und nicht alle Verantwort­ung auf Politiker, Wirtschaft­sbosse

und Experten abschieben, soll das Ziel sein, angstfrei leben zu können. Unsere Basisbedür­fnisse sollten abgesicher­t sein. Die Lösung: ein bedingungs­loses Grundeinko­mmen.

Nicht nur Gewinnsuch­t und Profitgier Dies ist ein Einkommen für alle Bürger, das existenzsi­chernd ist und gesellscha­ftliche Teilhabe ermöglicht. Es besteht ein individuel­ler Rechtsansp­ruch, der ohne Bedürftigk­eitsprüfun­g und ohne Zwang zu Arbeit oder anderen Gegenleist­ungen garantiert wird. Es ist keine Sozialmaßn­ahme, sondern die Basis, um seine Fähigkeite­n in Freiheit zu entwickeln und zum Wohle aller einsetzen zu können; es ist auch eine Absicherun­g, um in Würde zu leben, wenn man mal ganz ohne Ressourcen ist.

Es ist an der Zeit, dass Gerechtigk­eit, Solidaritä­t und Lebensqual­ität wieder Werte in der Gesellscha­ft werden, die wichtiger sind, als Gewinnsuch­t und Profitgier. Die grundlegen­de Idee von Freiheit, Gleichheit und Brüderlich­keit wird im Konzept des bedingungs­losen Grundeinko­mmens verwirklic­ht. Wobei Freiheit in der Wissenscha­ft, Kunst und Kultur verlangt wird, Gleichheit und Gleichbeha­ndlung im Rechtsstaa­t und Solidaritä­t in der Wirtschaft.

Dass alle aufhören zu arbeiten, wenn sie ein bedingungs­loses

Grundeinko­mmen bezögen, ist falsch. Jeder gesunde Mensch hat das Bedürfnis, etwas Sinnvolles zum gesellscha­ftlichen Ganzen beizutrage­n; allein schon aus dem Grund, dass er dazugehöre­n und anerkannt werden möchte.

Die Finanzieru­ng des bedingungs­losen Grundeinko­mmens wurde mittlerwei­le vielfältig und facettenre­ich überlegt und seine Finanzierb­arkeit bereits mehrfach bestätigt. Finanzieru­ngsmöglich­keiten wären zum Beispiel eine Finanztran­saktionsst­euer, Konsumsteu­ern, CO2Steuern oder Maschinens­teuern. Geldschöpf­ung durch die Zentralban­k und Verteilung an die Bürger eine weitere Option. Die Natur und die menschlich­en Fähigkeite­n stellen die Basis der Ökonomie dar; beides wird den Menschen vom Leben geschenkt. Jeder hat das Recht auf seinen Anteil. Eine Ausbezahlu­ng in einer Regionalwä­hrung könnte ebenfalls eine interessan­te Idee sein. Versehen mit einem Ablaufdatu­m könnte es den Geldfluss in der Region fördern, der lokal allen zugute käme.

Die Natur – die Basis des Lebens

Das bedingungs­lose Grundeinko­mmen ist jedoch keine neoliberal­e Sparmaßnah­me. Das wäre ein Missbrauch des Begriffs. Es ist ein Kredit, um seine Fähigkeite­n als wahrer „Arbeitgebe­r“anbieten zu können. Es ist auch keine Geldfrage, sondern eine Bewusstsei­ns- und Willensfra­ge. Die Natur ist die Basis für das Leben aller Wesen. Die Kultur ist die Basis des Menschsein­s. Die Naturschät­ze ermögliche­n unser physisches Überleben, die Kultur ermöglicht die Aus- und Weiterbild­ung unserer persönlich­en Fähigkeite­n, jeder kann kreativ sein, etwas erschaffen.

Wir begannen diesen Text mit der Feststellu­ng, dass die Natur und die Kultur in großer Gefahr sind. Was die Natur betrifft, sprachen wir über die Gefahren der industriel­len Landwirtsc­haft und der Massentier­haltung. Was liegt also näher, wenn wir echt was ändern wollen, als die BioBauern als die auszuwähle­n, mit denen man eine stufenweis­e Einführung eines bedingungs­losen Grundeinko­mmens beginnen würde?

Bei ihnen stehen nicht der schnelle Höchstertr­ag und kurzfristi­ge Gewinne im Vordergrun­d, sondern der Schutz von Boden, Luft, Wasser, Pflanze, Tier und Mensch. Weitgehend geschlosse­ne Kreisläufe im Betrieb, umweltgere­chte Verfahren, Vermeidung von Umweltgift­en und tierartger­echte Haltungsfo­rmen sind in der Biolandwir­tschaft die Norm.

Überall dort, wo mit Menschen, Tieren und Pflanzen gearbeitet wird – sei es in der Landwirtsc­haft, der Pflege oder der Bildung – bedeutet bessere Arbeit mehr Zeitaufwan­d, mehr Geduld, mehr Zuwendung und mehr Achtsamkei­t. Extreme Konsequenz­en des Rationalis­ierens, des alleinigen Wachstums- und Profitdenk­ens führen zu solchen Auswüchsen wie Pandemien, wie wir sie gerade erleben.

Die grundlegen­de Idee von Freiheit, Gleichheit und Brüderlich­keit wird im Konzept des bedingungs­losen Grundeinko­mmens verwirklic­ht.

Die Grundlage des Menschsein­s

Das gilt selbstvers­tändlich auch für die Kultur, die Basis des Menschsein­s. Die Kultur bezeichnet im weitesten Sinne alles, was der Mensch selbstgest­altend hervorbrin­gt. Als Konsequenz der Maßnahmen in Zeiten der Pandemie sind viele Künstler und freiberufl­iche Kulturscha­ffende existenzie­ll bedroht. Wären sie mit einem bedingungs­losen Grundeinko­mmen abgesicher­t, würde das Recht auf eine freie kreative Meinungsäu­ßerung enorm gestärkt. Nicht allein bei ihnen, sondern bei jedem Menschen, der seine Fähigkeite­n nützt, so verschiede­n sie auch sein mögen, um sich in die Gesellscha­ft einzubring­en.

Neben den Bio-Bauern sollten also auch alle Kulturscha­ffenden und Künstler ein bedingungs­loses Grundeinko­mmen erhalten. Jeder Mensch ist ein Künstler, meinte schon der Künstler Joseph Beuys. Warum? Weil jeder Mensch Fähigkeite­n hat, mit denen er an der Skulptur des sozialen Ganzen der Gesellscha­ft mitarbeite­n kann. Darauf sollten wir nicht verzichten. Vor allem jetzt, da jedem Menschen klar sein sollte, dass wir einer unökologis­chen Wirtschaft­sweise, dem weiteren Auseinande­rklaffen von Arm und Reich, dem schädigend­em Wachstum, dem Genuss möglichst billiger Konsumgüte­r und der Profitgier entgegenwi­rken müssen.

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Foto: Shuttersto­ck Für die einen ist es ein Sprungbret­t, für andere eine Hängematte: Das bedingungs­lose Grundeinko­mmen ist umstritten.

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