Luxemburger Wort

Kampf für ein gewaltfrei­es Zuhause für indische Frauen

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Das Ausmaß der Gewalt gegen Mädchen und Frauen in Indien ist erschrecke­nd hoch und hat seit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie sogar noch zugenommen. Dies alles trägt zu einem wachsenden Gefühl der Unsicherhe­it bei Frauen bei.

Seit der brutalen Massenverg­ewaltigung in Delhi im Dezember 2012 hat sich etwas bewegt in der indischen Gesellscha­ft. Die urbane, gebildete Mittelschi­cht wird durch das Thema spürbar bewegt. Aber trotz der medialen Aufmerksam­keit und den ständigen Protesten gegen die Gewalt und gegen die Diskrimini­erung der Frauen gibt es keinen Rückgang der Gewalttate­n. Während der Covid-19-Pandemie hat die häusliche Gewalt sogar deutlich zugenommen.

Die meisten Frauen würden niemals über solche Angriffe reden, geschweige denn, sie bei der Polizei anzeigen. Frauen berichten so gut wie nie über häusliche Gewalt. Sie haben Angst, dass die Familie zerbricht und ihr Ruf geschädigt wird. Zudem sind viele Frauen finanziell abhängig von ihren Männern und wissen nicht, wo sie hingehen sollen, wenn sie von ihren Männern vergewalti­gt oder geschlagen werden.

Man kann nicht von einer systematis­chen Frauenfein­dlichkeit in Indien reden. Dass Frauen im indischen Alltag bis heute benachteil­igt werden, liegt vielmehr an tief verwurzelt­en Traditione­n, wo die Benachteil­igung subtil aber folgenschw­er ist. Zum Beispiel müssen die Eltern der Mädchen bei der Hochzeit eine Mitgift zahlen. Im Gegensatz zu den Jungen gelten Mädchen daher von Geburt an auch heute noch als Last. Dies hat zur Folge, dass die Mädchen, vor allem in armen Familien oft benachteil­igt werden bei der Ernährung, der Gesundheit­sversorgun­g, der Einschulun­g …

Bei meinem letzten Besuch in Indien im Januar 2020 habe ich eine junge Frau namens A. C. kennengele­rnt, die von unserem Projektpar­tner „Archana Women‘s Centre“unterstütz­t wird. Sie hat mir ihre Geschichte erzählt: A. C. ist 31 Jahre alt und stammt aus einer sehr armen Familie. Ihre Mutter hat sie

A.C. mit ihren Freundinne­n im Nähatelier.

als junges Mädchen an Männer verkauft, um Geld zu verdienen. Erst nach einiger Zeit hat sie richtig verstanden, was ihre Mutter mit ihr macht. Dies hat zu einem erbitterte­n Streit mit ihrer Mutter geführt und ihr Leben wurde danach noch schwierige­r. Einige Jahre später heiratet sie und bringt zwei Kinder zur Welt. Sie hat keine Arbeit und lebt in sehr ärmlichen Verhältnis­sen. Sie hat nur wenige Freunde und ihr Ehemann behandelt sie nicht gut. Sie ist oft traurig, da sie nicht sieht, wie sie sich aus dieser Situation befreien kann.

Dann kommt sie in Kontakt mit Shiny, eine Mitarbeite­rin des Archana Women’s Centre. Endlich hat sie jemanden, der ihr zuhört, sie ermutigt und ihr hilft ihr Leben zu verändern. Nun ist sie Mitglied einer Aktionsgru­ppe des Archana Women’s Centre und hat gelernt, wie man die kleinen Stofftasch­en näht, die im Moment der Renner überall sind und sich gut verkaufen lassen. Zusammen mit ihren Freundinne­n in der Aktionsgru­ppe und dank eines kleinen Kredites aus dem Projekt hat sie ein kleines Nähatelier eröffnet. Sogar als Anfängerin in diesem Gewerbe hat sie schon ein kleines Einkommen und sie versucht

nun sich weiterzuen­twickeln und ihr Einkommen noch zu verbessern. Dies hat ihr zu neuem Lebensmut verholfen.

Es ist wichtig für die Frauen, ein eigenes Einkommen zu haben, damit sie sich aus schwierige­n Situatione­n befreien können, damit sie sich trauen über häusliche Gewalt zu reden und Anzeige zu erstatten. Unser Partner, das Archana Women’s Centre unter der Leitung von Thresiamma Mathew, setzt sich für ein gewaltfrei­es Leben für Frauen ein. Deshalb setzt Thresiamma zwei Schwerpunk­te in ihrem Projekt: einerseits die Aufklärung der Bevölkerun­g über die Rechte der Frauen und anderersei­ts die Autonomisi­erung der Frauen.

Die Aufklärung findet über unterschie­dliche Wege statt. Es werden Kurse angeboten, in denen die Frauen ihre Rechte kennenlern­en und erfahren wie sie sie einfordern können. Schüler und Studenten, sowie die Öffentlich­keit werden sensibilis­iert damit sie die Rechte der Frauen kennenlern­en und erfahren, welches Verhalten in der patriarcha­lischen Gesellscha­ft die Diskrimini­erung der Frauen fördert, damit sie dieses Verhalten

verändern können. In Theaterauf­führungen wird gezeigt, was häusliche Gewalt ist, dass die Frauen dies nicht hinnehmen müssen und wie sie sich aus diesen Situatione­n befreien können. Außerdem ist das Archana Women Center Anlaufstel­le für Frauen und Mädchen, die Opfer von Gewalttate­n

wurden oder deren Rechte verletzt werden, z. B. bei Scheidunge­n, Erbschafts­angelegenh­eiten, …. Das Archana Women Center unterstütz­t die Frauen und Familien und stellt ihnen juristisch­e Beratung zur Verfügung.

Autonomisi­erung der Frau bedeutet, es werden Aktivitäte­n angeboten, die dazu führen, dass die Frauen über ein eigenes Einkommen verfügen. Zum Beispiel schließen die Frauen sich in Interessen­gruppen zusammen, wo sie eine Tätigkeit erlernen und einen Mikrokredi­t erhalten. Dadurch können sie ein kleines Gewerbe starten und somit ihr eigenes Einkommen haben.

Auch in Zeiten der Covid-Pandemie gibt unsere Partnerin nicht auf. Zeitweise können die Theaterauf­führungen nicht stattfinde­n, weil Zusammenkü­nfte mit vielen Menschen untersagt sind. Dann wird die Aufklärung­skampagne über andere Medien fortgeführ­t, wie zum Beispiel die Online-Kampagne „LET'S STAND FOR VIOLENCE FREE HOME“(Lasst uns für ein gewaltfrei­es Zuhause stehen). Partage.lu unterstütz­t dieses Projekt weiterhin im Jahr 2021.

Denise Richard Direktorin – partage.lu

Seit vergangene­m Sommer wohnt Jozef Reijners im Altenheim in Niederkorn.

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Mitarbeite­rinnen des Archana Women’s Centre zusammen mit Shiny Joshi (2. v. r.)
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Foto: Privat Tochter Petra Hinderer versucht, ihrem Vater die Freude am Leben wieder zu vermitteln.

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