Luxemburger Wort

„Es war die Hölle“

Der 84-jährige Jozef Reijners hat den CoronaClus­ter im Altenheim in Niederkorn miterlebt

- Von David Thinnes

Remich. Jozef Reijners genießt das gute Wetter auf der Esplanade in Remich und die Zeit mit seiner Tochter und seinen beiden Enkelinnen. „Die frische Luft tut gut“, sagt der 84-Jährige, der seit Juli 2020 im Altenheim „Um Lauterbann“in Niederkorn wohnt. Er hat also die schwierige­n Wochen mit 22 Toten seit dem 17. Februar hautnah miterlebt.

Jozef Reijners wollte eigentlich nie in ein Altenheim. Seit mehr als neun Jahren hat er Parkinson. Der gelernte Jurist lebte in Ulflingen in einer Struktur für Betreutes Wohnen. Das Problem war der Einfluss der Parkinson-Krankheit auf seinen Alltag: Manchmal verschwand er aus der Struktur, war desorienti­ert, stürzte und musste zurückgebr­acht werden.

Irgendwann benötigte er dann so viel Pflege, dass nur noch das Altenheim als Lösung blieb. Das einzig freie Zimmer zu diesem Moment im vergangene­n Jahr war in Niederkorn, weit weg von seinem Wohnort Weiswampac­h. Jozef Reijners versuchte, sich so gut es geht dort einzuleben. Er liest jeden Tag das „Luxemburge­r Wort“, vor allem den Politik- und Lokalteil. Kognitiv war er beim Einzug in Niederkorn gut in Form. Außerdem war er noch mobil, hatte aber Schwierigk­eiten bei alltäglich­en Aufgaben wie zum Beispiel dem Waschen oder Schreiben.

Dann kam im Februar dieses Jahres das Cluster. Bereits zuvor hatte es im CIPA „Um Lauterbann“im Sommer und Herbst 2020 kleinere Cluster gegeben. Diese sind aber nicht mit dem zu vergleiche­n, was vom 17. Februar an, als die erste Person positiv getestet wurde, dort passieren sollte. In den folgenden Wochen sollten 84 Bewohner und 25 Mitarbeite­r positiv getestet werden. 22 Bewohner verstarben.

Positiv auf Corona getestet

Auch den 84-Jährigen erwischte das Virus: Am 2. März wurde er positiv getestet, etwa zwei Wochen nach der ersten Impfung am 18. Februar. Jozef Reijners hatte schwere Symptome – hohes Fieber und Kopfschmer­zen. Sein Zustand verschlech­terte sich im Vergleich zu seiner vorherigen Verfassung. „Am 23. Februar waren wir noch zwei Kilometer entlang der Mosel spazieren“, erzählt seine Tochter Petra Hinderer, die 400 Kilometer entfernt in den Niederland­en wohnt.

Nach diesem Tag musste ihr Vater in Quarantäne und fünf Wochen alleine in seinem Zimmer bleiben. Jozef Reijners beschreibt diese Phase als „sehr schwierig, es war die Hölle“. Seine Tochter hat er in dieser Zeit gar nicht gesehen, außer zwei Mal an seinem Fenster.

Die Auswirkung­en des Virus – kombiniert mit der ParkinsonK­rankheit – waren sofort zu sehen. „Er wurde sehr schnell müde. Und die durch die Parkinson-Krankheit bedingten Kreislaufs­törungen wurden durch das Covid-19-Virus verstärkt. Mein Vater schaffte es nicht, mehrere Minuten hintereina­nder zu sitzen. Er hatte viele Schmerzen. Außerdem muss er jetzt die ganze Zeit im Rollstuhl sitzen, da er zu schwach ist. Dies schränkt seine Freiheiten noch mehr ein.“

Manchmal war auch ein Telefonges­präch nicht möglich. Und wenn sie miteinande­r redeten, stellte sich ihr Vater viele Fragen. „Seine Moral war am Boden. Er hat gesagt, dass er sterben will.“Die Einsamkeit habe ihm sehr zu schaffen gemacht. Da der Essensraum vom 21. Februar an geschlosse­n war, wurde das Essen auf die Zimmer gebracht.

Das Vertrauen fehlt

Jozef Reijners macht sich Sorgen um die Zukunft. Neben der Parkinson-Krankheit hat er auch ein Krebsleide­n. In den kommenden Wochen soll die Strahlenbe­handlung beginnen. Momentan fühlt er sich schwach, auch wenn seine Tochter den Tag des Spaziergan­gs in Remich als „den ersten guten Tag seit Langem“bezeichnet.

Mein Vater will an einem Ort sterben, an dem er wieder Vertrauen spürt. Petra Hinderer, Tochter von Jozef Reijners

Jozef Reijners lächelt, als er seinen Enkelinnen zuschaut, wie sie auf der Esplanade spielen. Auch wenn er vom Reden müde wird, merkt man ihm an, dass die frische Luft gut für das Gemüt und auch für den physischen Zustand ist. Wegen seines positiven CoronaTest­s konnte er nicht wie der Großteil der anderen Bewohner die zweite Impfung am 18. März, sondern erst am vergangene­n Montag erhalten. Seine Tochter ist überzeugt, dass die erste Impfung wohl sein Leben gerettet hat. „Wir haben Glück, dass er noch da ist.“

Dennoch haben die vergangene­n Wochen Spuren hinterlass­en. Jozef Reijners und seine Tochter haben das Vertrauen in die Verantwort­lichen des CIPA Niederkorn verloren. Die Familie bemängelt vor allem die Kommunikat­ion während des Cluster. „Die Kommunikat­ion fand nur über SMS statt. Wenn ich bei den Verant

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