Alternative Route
Bryan Mélisse wechselt aus der Europa League in die Ehrenpromotion und mischt jetzt wieder im Titelkampf mit
Wenn Bryan Mélisse am Montag ins Auto steigt, fährt er eine Strecke, die er sonst tagtäglich zurücklegte. Von 2010 bis 2013 und später von 2016 bis 2019 spielt Mélisse für F91. Mit Düdelingen gewinnt er fünf Mal die Meisterschaft und drei Mal den Pokal. In seiner letzten Saison im F91-Trikot erreicht er sogar die Gruppenphase der Europa League.
Doch am Montag (19.30 Uhr) ist Mélisse als Gast im Stade Jos Nosbaum. „Ich bin noch mit einigen ehemaligen Teamkollegen und Verantwortlichen in Kontakt. Wir schreiben zwar nicht täglich, doch das Verhältnis ist gut.“
Nur wenige Monate, nachdem er mit F91 in der Saison 2018/2019 erstmals in der nationalen Geschichte im zweitgrößten Clubwettbewerb Europas antritt und auf den AC Mailand, Betis Sevilla und Olympiakos Piräus trifft, wechselt der Linksverteidiger in die Ehrenpromotion zu Hesperingen. „Flavio Becca fragte mich damals, ob ich zum FC Swift oder nach Virton gehen möchte. Aus Zeit- und Distanzgründen war Virton für mich keine Option“, erzählt Mélisse.
Stattdessen unterschreibt er in Hesperingen und steigt mit seinem neuen Team nach dem coronabedingten Saisonabbruch in die BGL Ligue auf. „Mich hat die Herausforderung gereizt, aufzusteigen und in der Folgesaison direkt um den Titel mitzuspielen“, sagt der 32-Jährige.
Nach anfänglichen Problemen mischen die prominent besetzten Hesperinger nun tatsächlich im Titelrennen mit. Vor dem 19. Spieltag beträgt der Rückstand auf den Tabellenersten Fola fünf Punkte. Mit einem Sieg gegen den ehemaligen Club von Mélisse könnte die Mannschaft von Trainer Pascal Carzaniga an Düdelingen vorbeiziehen und Platz zwei übernehmen. „Wenn wir Meister werden wollen, dürfen wir kaum noch Punkte liegen lassen. Vor allem nicht gegen direkte Konkurrenten“, weiß Mélisse.
Unfall verändert alles
Die eigene Trophäensammlung zu erweitern, ist die Hauptmotivation des Franzosen. „Solange ich Fußball spiele, möchte ich um Titel kämpfen“, sagt er. Sein Vertrag läuft bis zum Ende der nächsten Saison, dann hat der Club die Option, diesen um eine weitere Spielzeit zu verlängern. „Ich denke, dass ich in den vergangenen Jahren besser geworden bin. Wie viele ehemalige und aktuelle Teamkollegen habe ich enorm von der Arbeit mit Trainer Dino Toppmöller bei F91 profitiert. Im Alter hat sich unter anderem mein Stellungsspiel verbessert.“
Schon als junger Fußballer hat Mélisse viele Stärken. Dass ihm der große Durchbruch verwehrt bleibt, liegt an einem Schicksalsschlag. „2009 sollte ich nach Sedan wechseln. Dann hatte ich einen schweren Motorradunfall. Ich ging nach Belgien zum RFC Liège, musste aber vier Mal innerhalb von sechs Wochen am Arm operiert werden. Danach
suchte ich nach Stabilität, und bin so in Luxemburg gelandet.“
Weil Mélisse früh erfahren muss, dass ein Moment sein ganzes Leben verändern kann, baut er sich noch während der aktiven Karriere ein zweites Standbein auf. Seit 2017 verkauft er Crêpes in Metz. „Als wir in der Europa League gespielt haben, stand ich fast jeden Morgen im Laden“, berichtet er. „Wir leiden natürlich unter der Corona-Krise. Doch Crêpes kann man zum Essen mitnehmen, deshalb haben wir trotzdem Kunden.“Nachmittags vor Trainingseinheiten oder Spielen erholt sich Mélisse. Dass er trotz seines Unfalls viele Erfolge feiert, macht den Franzosen stolz. „Ich hatte nicht die Karriere, die ich wollte. Doch ich habe in Luxemburg zahlreiche Titel gewonnen und mit einer kleinen Mannschaft in der Europa League gespielt. Das sind unvergessliche Erinnerungen.“
Ich hatte nicht die Karriere, die ich wollte. Bryan Mélisse
Jetzt soll ausgerechnet gegen den Club, bei dem Mélisse seine schönsten Momente erlebte, der Weg zum nächsten Titel geebnet werden. „Wenn wir die Duelle mit F91 und Fola gewinnen, können wir noch Meister werden. Ich möchte das unbedingt, schließlich ist es alles andere als normal, mit zwei verschiedenen Clubs ganz oben zu landen.“
Zurück zur Topform
Dabei hatte die Saison für den Aufsteiger schwierig begonnen. „Wir mussten sehr viele neue Spieler integrieren. Außerdem waren einige nicht auf dem Niveau, auf dem sie sein können. Dazu zähle ich mich selbst auch. Der Trainerwechsel von Jeff Strasser zu Pascal Carzaniga tat uns gut. Ich möchte Strasser nicht kritisieren, aber wir kannten Caza alle, das hat geholfen. Mittlerweile sind wir in Topform und zählen in allen Bereichen zu den besten Mannschaften der BGL Ligue.“
Hesperingen ist seit dem Restart ungeschlagen und ging zuletzt sechs Mal in Folge als Sieger vom Platz. „Uns bleiben 13 Spiele, also ist alles möglich“, weiß der Linksverteidiger. Wenn er das nächste Mal nach Düdelingen fährt, will sich Mélisse wieder Meister nennen können.