Die zitternden Hände des Verrats
Der jordanische König Abdullah hat seinen Halbbruder Hamsa unter Hausarrest gestellt
Die Wut der Jordanier kannte keine Grenzen, als in der zweiten Märzwoche wegen einer angeblichen Panne bei der Sauerstoffversorgung sieben Covid-Patienten in ihren Krankenhausbetten in Amman erstickten. Trotz strikter Ausgangssperren gingen Tausende auf die Straßen. Sie forderten nicht nur den Rücktritt der Regierung, sondern wollten mehr.
Ohne ihn direkt beim Namen zu nennen, verlangten die Demonstranten auch die Ablösung von König Abdullah. An seiner Stelle solle Hamsa bin Hussein, der charismatische Sohn des verstorbenen Königs Hussein aus dessen Ehe mit Königin Noor, den Thron besteigen. „Oh Hamsa, das Land ist verloren. Wo bist Du?“, skandierten die Massen auf den Straßen der jordanischen Hauptstadt.
Der 41jährige Hamsa soll zu diesem Zeitpunkt bereits an einer „langfristigen Verschwörung zur Destabilisierung des Königreiches Jordanien“beteiligt gewesen sein, rechtfertigte der jordanische Außenminister Ayman al-Safadi am Sonntag die Festsetzung des Königssohn. Bei seinen Aktivitäten zur „Förderung von Aufruhr“habe er auch mit ausländischen Organisationen kollaboriert.
Rote Linie überschritten
„Die rote Linie“sei damit überschritten worden, empörte sich der Chef des jordanischen Parlaments, Faisal al-Fayaz. Niemals, fügte er hinzu, werde das Land die „zitternden Hände des Verrats, die nur darauf abzielen, Sicherheit und Stabilität zu untergraben, tolerieren“.
Der mutmaßliche Verschwörer war bereits einen Tag zuvor unter Hausarrest gestellt. Bevor ihm die Telefon– und Internetverbindung gekappt wurden, gelang es Hamsa über sein Satellitentelefon, mehrere Videobotschaften an die BBC zu übermitteln. Darin betonte er, dass es keinesfalls seine Schuld sei, dass Jordanien seit „mehr als 15 Jahren in Korruption, Inkompetenz sowie einem Zusammenbruch der Regierungsfähigkeit“versinke, die Jahr für Jahr schlimmer werde.
Es sei kein Wunder, wenn die Menschen das Vertrauen in die „Institutionen“verloren hätten, sagte Hamsa. In einem Land, das einmal die Führungsrolle im Nahen Osten eingenommen habe, dominierten jetzt Korruption und Vetternwirtschaft. Man habe einen Punkt erreicht, an dem niemand mehr seine Meinung äußern könne, ohne dafür „schikaniert und verhaftet“zu werden. In seinen in arabischer und englischer Sprache übermittelten Botschaften hatte Hamsa bereits antizipiert, dass ihn die Regierung beschuldigen würde, in ein „heimtückisches Komplott“, so Außenminister Safadi am Sonntag, verwickelt zu sein. „Ich bin nicht Teil einer vom Ausland unterstützten Gruppe“, sagte er, „sondern gehöre zu jenen Menschen,
die die Liebe zu diesem Land über alles andere stellen“.
Volksnah und bescheiden
Der vom jordanischen Hof als „Putschist“gebrandmarkte Hamsa gilt als volksnah und bescheiden. Mit seiner Liebenswürdigkeit und seiner geschliffenen arabischen Rhetorik erinnert der Prinz viele Jordanier an König Hussein, der 1999 auf seinem Sterbebett seinen Bruder Hassan als Kronprinzen entlassen hatte. Zu seinem Nachfolger ernannte er seinen ältesten Sohn Abdullah. Der heute 59-jährige stammt aus Husseins Ehe mit der Britin „Toni“Gardener.
Hamsa wurde damals zum Kronprinzen ernannt, bevor ihm der Titel fünf Jahre später von Abdullah wieder entzogen wurde. Im Gegenzug zu seinem eloquenten Halbbruder, der sich auch bei den staatstragenden jordanischen Beduinenstämmen großer Beliebtheit erfreut, wirkt der jordanische Monarch eher hölzern. Sein Arabisch, so Kritiker, sei „verbesserungsbedürftig“. Unter Abdullahs Führung hat sich die wirtschaftliche Dauerkrise in Jordanien weiter verschärft. Ohne ausländische Finanzhilfe könnte das Land nicht überleben. Neben den USA gehören die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien zu den größten Geldgebern. Mit beiden Staaten war es in den letzten Monaten zu Spannungen gekommen. Westliche Diplomaten in Amman halten es für möglich, dass Saudi-Arabien in das angebliche „Komplott“gegen König Abdullah verwickelt gewesen sein könnte. Sie verweisen in diesem Zusammenhang auf die bereits am Freitag erfolgte Verhaftung von Sharif Hassan Bin Zaid, der ebenfalls zur jordanischen Königsfamilie gehört und über Jahre Botschafter in Riad war.
Keine Beweise für ein Komplott
Ein weiterer Verhafteter, der ehemalige jordanische Finanzminister Bassem Awadallah, soll sogar zum Beraterstab des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman gehört haben. Beweise für die Verwicklung „ausländischer Organisationen“in das angebliche Komplott haben die jordanischen Behörden nicht vorgelegt.
Es sei „erstaunlich“, sagte ein jordanischer Journalist unter dem Versprechen der Anonymität, „wie schnell nahezu die gesamte arabische Welt, Saudi-Arabien und die Emirate eingeschlossen, dem jordanischen König volle Unterstützung versichert hat“. Er sieht darin den „Beweis für die tiefe Erschütterung, die die Vorgänge in unserem Land ausgelöst haben“.
„Beendet“sei das unschöne Kapitel mit der Festsetzung des Prinzen noch lange nicht. Schließlich habe Hamsa nur das ausgesprochen, „was seit Monaten im Land geflüstert wird“, betonte Daoud Kuttab, der in Amman das „Community Media Network“leitet. Die NGO setzt sich für den „Aufbau einer demokratischen Gesellschaft“ein.