Luxemburger Wort

Der Südpazifik öffnet seine Tore

Australien und Neuseeland lassen bald wieder Gäste aus dem jeweiligen Nachbarlan­d einreisen

- Von Matthias Stadler (Auckland)

Seit über einem Jahr sind die beiden größten Länder in Ozeanien noch isolierter, als sie es wegen ihrer geografisc­hen Lage ohnehin schon sind. Australien und Neuseeland schlossen Mitte März 2020 wegen Covid-19 ihre Grenzen für ausländisc­he Touristen – und sie sind noch heute zu. Einzig Einheimisc­he und Personen mit einer Spezialbew­illigung werden hereingela­ssen. Sie alle müssen direkt nach Ankunft zwei Wochen in einem Isolations­hotel verbringen, damit das Corona-Virus nicht in die Bevölkerun­g gelangt.

Das soll sich nun aber ändern – zumindest zwischen den beiden Ländern: Sie stellen die sogenannte transtasma­nische Reiseblase auf die Beine. Deren Zweck ist es, dass Neuseeländ­er wieder ohne Isolations­aufenthalt nach Australien reisen können – also fast so wie vor der Pandemie. Umgekehrt soll das Gleiche für Australier gelten, die nach Neuseeland reisen.

Reiseblase kann schnell platzen

Die Reiseblase tritt am 19. April in Kraft. Die epidemiolo­gische Lage lasse einen solchen Schritt zu, wie Neuseeland­s Premiermin­isterin Jacinda Ardern gestern erklärte: „Heute ist ein aufregende­r Tag. Wir schlagen ein neues Kapitel auf.“Die Meldung führte zu freudigen Erklärunge­n. Greg Foran, Geschäftsf­ührer der Fluggesell­schaft Air New Zealand, etwa sagte: „Ich werde meinen Pass ausgraben und einige meiner Enkelkinde­r in Australien zum ersten Mal überhaupt treffen.“

Ardern machte aber klar, dass die Grenzen sofort wieder geschlosse­n werden, wenn es im Nachbarlan­d zu einem größeren Ausbruch von Covid-19 in der Bevölkerun­g kommt. Die Reiseblase kann also sehr schnell wieder platzen. Denn sowohl Australien als auch Neuseeland verfolgen eine knallharte Covid-Strategie. Neuseeland­s größte Stadt Auckland hat bereits vier Lockdowns hinter sich, teilweise wegen weniger als einer Hand voll neuer Fälle. Bis dato starben im Fünf-Millionen-Land nur 26 Personen am Virus. Australien ist ähnlich restriktiv. Vergangene Woche wurde die Metropole Brisbane wegen weniger Fälle in einen Kurz-Lockdown geschickt. Australien verzeichne­t 909 Tote bei 26 Millionen Einwohnern.

50 000 Flüge pro Jahr

Die angekündig­te Reiseblase zwischen den beiden Ländern freut vor allem Tourismusg­eschäfte und die Flugbranch­e, die 2020 ein Jahr zum Vergessen hatten. Die Tourismush­ochburg Queenstown im Süden Neuseeland­s etwa, vor Covid-19 ein Paradies für Restaurant­s, Hotels und Tourenanbi­eter, liegt im Sterben, wie es der Bürgermeis­ter ausdrückte. Nun sehen die Betroffene­n für die bevorstehe­nde wichtige Wintersais­on wenigstens einen Silberstre­ifen am Horizont. Denn australisc­he Gäste machen die größte ausländisc­he Gruppe in Neuseeland aus.

Vor der Pandemie zählten die Behörden knapp 50 000 Flüge zwischen Australien und Neuseeland – mit 7,27 Millionen Passagiere­n pro Jahr. Doch seit einem Jahr werden statt Dutzender Flüge pro Woche nur noch einige wenige durchgefüh­rt. Die Fluggesell­schaften bereiten sich entspreche­nd auf eine Wiederbele­bung des Geschäfts vor. Sie haben Teile ihrer Flugmannsc­haften vom Zwangsurla­ub zurückgeho­lt. Neuseeland­s Fluggesell­schaft Air New Zealand etwa plant ab dem 23. April fünf Flüge alleine von Auckland nach Sydney – pro Tag. Momentan ist es einer.

Seit Monaten kaum Coronafäll­e

Vor der Reiseblase gab es monatelang­e Diskussion­en zwischen Canberra und Wellington. Während Neuseeländ­er schon seit vergangene­m Oktober wieder quasi barrierefr­ei in einige australisc­he Bundesstaa­ten reisen können, trat Jacinda Ardern in Neuseeland auf die Bremse und verschob das Öffnen der Grenze Mal um Mal. Sie verwies jeweils auf das Risiko eines solchen Schrittes, das Fernhalten von Covid-19 genoss höchste Priorität. Und dies, obwohl seit vergangene­m Mai gerade einmal drei Personen, die aus Australien nach Neuseeland reisten, mit Covid-19 infiziert waren. Wochenlang nahm der politische und mediale Druck zu. Auch, weil es seit

Monaten weder in Australien noch in Neuseeland zu großen Ausbrüchen von Covid-19 gekommen war und sich die fehlenden Touristend­ollars immer stärker auswirkten.

Nun ist die Reiseblase ein erster, wichtiger Schritt in Richtung Normalität an den Grenzen – sowohl in Neuseeland wie auch in Australien. Bald sollen weitere folgen. Kleinstaat­en im Südpazifik, die traditione­ll vom Touristeng­eld der Besucher aus Neuseeland und Australien leben, klopfen an die Türen Wellington­s und Canberras. Die Cookinseln wollen hindernisf­reies Reisen ermögliche­n, damit die brachliege­nden Resorts wiederbele­bt werden. Auch Fidschi will eine Reiseblase mit Australien und Neuseeland. Doch fehlt es in den Zwergstaat­en an medizinisc­hen Einrichtun­gen und Personal.

Ein Ausbruch von Covid-19 könnte fatale Folgen haben, weswegen die Behörden zuerst eine grundlegen­de Infrastruk­tur aufbauen wollen. Dabei können sie auf die Unterstütz­ung Neuseeland­s und Australien­s zählen. Dasselbe gilt für die Verteilung von Impfdosen: Wellington und Canberra wollen Tausende Impfdosen liefern.

Die Reiseblase­n mit diesen Kleinststa­aten werden möglicherw­eise im Mai Realität. Es wäre ein weiterer Schritt Richtung Normalität für Australien und Neuseeland – aber es steht noch ein langer Weg bevor. Wann die Grenzen im Südpazifik für den Rest der Welt geöffnet werden, kann derzeit niemand sagen.

Heute ist ein aufregende­r Tag. Wir schlagen ein neues Kapitel auf. Neuseeland­s Premiermin­isterin Jacinda Ardern

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Foto: Matthias Stadler Tourismusv­ertreter in Neuseeland und Australien erhoffen sich von den angekündig­ten Öffnungen einen Aufschwung.

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