Wiederbelebungsversuche
Wie in Wien das bereits tot geglaubte Atomabkommen mit Iran gerettet werden soll
„Alles oder nichts“lautete die Botschaft, die eine vom Teheraner Press TV zitierte „informierte Quelle“dem iranischen Verhandlungsteam mit auf den Weg nach Wien gab: „Wir werden kein anderes Ergebnis des Treffens akzeptieren als die vollständige Aufhebung (der gegen Iran verhängten) Sanktionen“. Der amerikanische Unterhändler Robert Malley werde die österreichische Hauptstadt mit leeren Händen verlassen müssen, falls das vorgegebene Ergebnis nicht erzielt werde, forderte die „informierte Quelle“weiter.
Nimmt man diese für bare Münze, erscheint ein positiver Ausgang der gestern in Wien begonnenen Gespräche zur Rettung des von der Trump-Regierung gekündigten Atomvertrags mit Iran unwahrscheinlich. Tatsächlich haben auch die Iraner Kompromissbereitschaft signalisiert. Dass sie in den kommenden acht Wochen mit den USA „indirekte Verhandlungen“führen wollen, ist bereits ein Zugeständnis, das in Teheraner Hardlinerkreisen scharf kritisiert worden ist.
„Mauer des Misstrauens“abbauen Deshalb wehrt sich das iranische Verhandlungsteam auch gegen den Begriff „indirekt“. Dabei beträgt die physische Distanz zwischen den beiden Delegationen dieses Mal weniger als 50 Meter: Die 4+1Partner, also die Supermächte Großbritannien, Frankreich, China und Russland sowie Deutschland sprechen mit Iran in einem Saal und informieren anschließend die im selben Gebäude sitzenden US-Diplomaten über Teilergebnisse. Deren Reaktionen erhalten die Iraner ohne größere Zeitverzögerung.
Der Modus ermöglicht Fortschritte. Man bewege sich in die richtige Richtung und sei dabei, aus der Sackgasse herauszukommen, hatte Irans Atomchef Ali Akbar Salehi den neuen Gesprächsmodus gelobt. Die „Mauer des Misstrauens“zwischen den beiden Erzfeinden müsse abgebaut werden. Das klang schon feindseliger.
Auch die USA gehen nach Angaben ihres Chefunterhändlers Robert
Malley mit einer „konstruktiven Haltung“in die Wiener Gespräche. Er wolle sehen, ob die USA und der Iran „einen ersten Schritt“auf dem sicherlich steinigen Weg zur Rückkehr zum Atomvertrag machen könnten.
Dieser muss, so wiederholen es die Iraner gebetsmühlenartig, von den USA, die den Vertrag gekündigt hätten, kommen und die Aufhebung
aller Sanktionen beinhalten. Nach einer Prüfung, erklärte der iranische Außenamtssprecher Saeed Khatibzadeh, werde man dann auch selbst wieder „vertragstreu“handeln und alle Auflagen jenes Abkommens befolgen, mit dem der Bau einer iranischen Atombombe verhindert werden soll.
Einen Plan, bei dem beide Seiten „Zug um Zug“vorgehen, werde man nicht akzeptieren, erklärte der iranische Vize-Außenminister Abbas Araghi. Ohne Zwischenschritte, das ist sicher, wird eine Rückkehr zum Atomabkommen jedoch unmöglich sein. Es brauche vertrauensbildende Maßnahmen, fordert auch die in Brüssel ansässige International Crisis Group.
Die Organisation für Konfliktlösung und Friedensstiftung wurde bis zum Januar dieses Jahres von dem Amerikaner Robert Malley geleitet. Er hatte sich bereits vor seiner Berufung zum Chefunterhändler mit Iran für vertrauensbildende Maßnahmen eingesetzt und dabei die Freigabe eingefrorener iranischer Auslandsguthaben zum Kauf humanitärer Güter ins Gespräch gebracht.
Gegenwind für US-Unterhändler
Nüchtern betrachtet ist Malley für die Iraner ein Glücksfall. Der erfahrene Diplomat ist im Gegensatz zu seinem Amtsvorgänger, dem von Trump ernannten „Hardliner“Elliot Abrahms, ein Gegner der Strategie des „maximalen Drucks“auf Iran. Zum tiefen Verdruss von Israel, Saudi-Arabien und den Emiraten will Malley die Krisen im Nahen Osten unter Einbindung der Islamischen Republik lösen. Fortgesetzte Konfrontation, so seine Überzeugung, sei kontraproduktiv.
Entsprechend heftig ist der Gegenwind, der Malley aus Jerusalem und Riad entgegenweht. So warf Israel am Wochenende dem amerikanischen Diplomaten vor, in einem Interview mit dem USRundfunksender PBS darauf verzichtet zu haben, Beschränkungen für das iranische Raketenprogramm zu fordern.
Aus der Welt ist diese Forderung damit sicherlich nicht. Vor dem Beginn der „indirekten“Wiener Gespräche mit Iran wollte Malley wohl die Atmosphäre nicht unnötig vergiften.