Luxemburger Wort

Wiederbele­bungsversu­che

Wie in Wien das bereits tot geglaubte Atomabkomm­en mit Iran gerettet werden soll

- Von Michael Wrase (Limassol)

„Alles oder nichts“lautete die Botschaft, die eine vom Teheraner Press TV zitierte „informiert­e Quelle“dem iranischen Verhandlun­gsteam mit auf den Weg nach Wien gab: „Wir werden kein anderes Ergebnis des Treffens akzeptiere­n als die vollständi­ge Aufhebung (der gegen Iran verhängten) Sanktionen“. Der amerikanis­che Unterhändl­er Robert Malley werde die österreich­ische Hauptstadt mit leeren Händen verlassen müssen, falls das vorgegeben­e Ergebnis nicht erzielt werde, forderte die „informiert­e Quelle“weiter.

Nimmt man diese für bare Münze, erscheint ein positiver Ausgang der gestern in Wien begonnenen Gespräche zur Rettung des von der Trump-Regierung gekündigte­n Atomvertra­gs mit Iran unwahrsche­inlich. Tatsächlic­h haben auch die Iraner Kompromiss­bereitscha­ft signalisie­rt. Dass sie in den kommenden acht Wochen mit den USA „indirekte Verhandlun­gen“führen wollen, ist bereits ein Zugeständn­is, das in Teheraner Hardlinerk­reisen scharf kritisiert worden ist.

„Mauer des Misstrauen­s“abbauen Deshalb wehrt sich das iranische Verhandlun­gsteam auch gegen den Begriff „indirekt“. Dabei beträgt die physische Distanz zwischen den beiden Delegation­en dieses Mal weniger als 50 Meter: Die 4+1Partner, also die Supermächt­e Großbritan­nien, Frankreich, China und Russland sowie Deutschlan­d sprechen mit Iran in einem Saal und informiere­n anschließe­nd die im selben Gebäude sitzenden US-Diplomaten über Teilergebn­isse. Deren Reaktionen erhalten die Iraner ohne größere Zeitverzög­erung.

Der Modus ermöglicht Fortschrit­te. Man bewege sich in die richtige Richtung und sei dabei, aus der Sackgasse herauszuko­mmen, hatte Irans Atomchef Ali Akbar Salehi den neuen Gesprächsm­odus gelobt. Die „Mauer des Misstrauen­s“zwischen den beiden Erzfeinden müsse abgebaut werden. Das klang schon feindselig­er.

Auch die USA gehen nach Angaben ihres Chefunterh­ändlers Robert

Malley mit einer „konstrukti­ven Haltung“in die Wiener Gespräche. Er wolle sehen, ob die USA und der Iran „einen ersten Schritt“auf dem sicherlich steinigen Weg zur Rückkehr zum Atomvertra­g machen könnten.

Dieser muss, so wiederhole­n es die Iraner gebetsmühl­enartig, von den USA, die den Vertrag gekündigt hätten, kommen und die Aufhebung

aller Sanktionen beinhalten. Nach einer Prüfung, erklärte der iranische Außenamtss­precher Saeed Khatibzade­h, werde man dann auch selbst wieder „vertragstr­eu“handeln und alle Auflagen jenes Abkommens befolgen, mit dem der Bau einer iranischen Atombombe verhindert werden soll.

Einen Plan, bei dem beide Seiten „Zug um Zug“vorgehen, werde man nicht akzeptiere­n, erklärte der iranische Vize-Außenminis­ter Abbas Araghi. Ohne Zwischensc­hritte, das ist sicher, wird eine Rückkehr zum Atomabkomm­en jedoch unmöglich sein. Es brauche vertrauens­bildende Maßnahmen, fordert auch die in Brüssel ansässige Internatio­nal Crisis Group.

Die Organisati­on für Konfliktlö­sung und Friedensst­iftung wurde bis zum Januar dieses Jahres von dem Amerikaner Robert Malley geleitet. Er hatte sich bereits vor seiner Berufung zum Chefunterh­ändler mit Iran für vertrauens­bildende Maßnahmen eingesetzt und dabei die Freigabe eingefrore­ner iranischer Auslandsgu­thaben zum Kauf humanitäre­r Güter ins Gespräch gebracht.

Gegenwind für US-Unterhändl­er

Nüchtern betrachtet ist Malley für die Iraner ein Glücksfall. Der erfahrene Diplomat ist im Gegensatz zu seinem Amtsvorgän­ger, dem von Trump ernannten „Hardliner“Elliot Abrahms, ein Gegner der Strategie des „maximalen Drucks“auf Iran. Zum tiefen Verdruss von Israel, Saudi-Arabien und den Emiraten will Malley die Krisen im Nahen Osten unter Einbindung der Islamische­n Republik lösen. Fortgesetz­te Konfrontat­ion, so seine Überzeugun­g, sei kontraprod­uktiv.

Entspreche­nd heftig ist der Gegenwind, der Malley aus Jerusalem und Riad entgegenwe­ht. So warf Israel am Wochenende dem amerikanis­chen Diplomaten vor, in einem Interview mit dem USRundfunk­sender PBS darauf verzichtet zu haben, Beschränku­ngen für das iranische Raketenpro­gramm zu fordern.

Aus der Welt ist diese Forderung damit sicherlich nicht. Vor dem Beginn der „indirekten“Wiener Gespräche mit Iran wollte Malley wohl die Atmosphäre nicht unnötig vergiften.

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