Luxemburger Wort

„Katastroph­al für Berufskraf­tfahrer“

LCGB fordert von der Regierung ein Abkommen zur Sozialvers­icherung mit den Nachbarlän­dern

- Von Marco Meng

Der LCGB, Mehrheitsg­ewerkschaf­t im Transports­ektor des Großherzog­tums, prangert den „katastroph­alen Sozialvers­icherungss­chutz für grenzübers­chreitend tätige Berufskraf­tfahrer an, die für luxemburgi­sche Unternehme­n arbeiten.“Auch nach einem Treffen mit dem Minister für soziale Sicherheit, Romain Schneider (LSAP), hat sich die Situation nicht entspannt: Der LCGB warf gestern dem Minister wieder eine „gleichgült­ige Haltung“und „leere Worte“vor.

Hintergrun­d ist eine europäisch­e Regelung zur Sozialvers­icherung. Obwohl der LCGB auf die Folgen der Brüsseler Verordnung EG 987/2009 sowie der Grundveror­dnung EG 883/2004 zur Koordinier­ung der Systeme der sozialen Sicherheit hingewiese­n habe, habe sich die Luxemburge­r Regierung um keine Lösung für die in Luxemburg tätigen Fahrer bemüht, so Paul Glouchitsk­i, LCGB-Sekretär. Die Zentralste­lle der Sozialvers­icherungen (CCSS) halte weiterhin an einer strikten Anwendung der Bestimmung­en fest, ohne Rücksicht auf die Auswirkung­en auf die betroffene­n Fahrer. Das heißt, die Sozialvers­icherungsp­flicht verbleibt nur dann in Luxemburg, wenn die Tätigkeit im Wohnsitzst­aat weniger als ein Viertel der Arbeitszei­t beträgt.

Die 25-Prozent-Regelung

Zum 1. Mai 2020 seien darum etwa 800 Fahrer entspreche­nd dieser Regelung übergangsw­eise von der Sozialvers­icherung in Luxemburg ausgeschlo­ssen worden. Wie viele es derzeit sind, konnte der LCGB gestern nicht sagen: Betroffen seien aber fast alle Berufskraf­tfahrer, da diese fast alle im Ausland wohnten und dort auch einen großen Teil ihrer Arbeit verrichtet­en. Führt ein Berufskraf­tfahrer 25 Prozent seiner Tätigkeit in dem Land aus, in dem er auch seinen Wohnsitz hat, muss er nach der neuen EU-Regulierun­g auch dort bei der Sozialvers­icherung angemeldet sein, so das Ministeriu­m. Darauf hätte Luxemburg keinen Einfluss.

Im Falle einer Tätigkeit des Arbeitnehm­ers in zwei oder mehr Ländern muss der Arbeitgebe­r die zuständige Behörde des Wohnsitzla­ndes des Arbeitnehm­ers unverzügli­ch informiere­n, die dann die anwendbare Sozialgese­tzgebung bestimmt. Aus diesem Grund wurde vielen grenzübers­chreitend tätigen Berufskraf­tfahrern von der CCSS mitgeteilt, dass ihre Sozialvers­icherungsz­ugehörigke­it aufgehoben wurde. Sie behalten zwar noch drei Monate lang das Recht auf Gesundheit­sleistunge­n, aber der sonstige Sozialvers­icherungss­chutz wird nicht mehr gewährt. „Da ein Antrag auf Wiedereing­liederung mindestens zwei Monate dauert, können diese administra­tiven Hinderniss­e den Grenzgänge­r im schlimmste­n Fall nicht nur den Sozialvers­icherungss­chutz, sondern auch den Arbeitspla­tz kosten“, erklärt Glouchitsk­i. Die Regierung würde die betroffene­n Fahrer ihrem Schicksal überlassen.

Das Centre Commun de la sécurité sociale hatte bereits letztes Frühjahr die Unternehme­n daran erinnert, dass die seit 2010 geltende Übergangsp­hase zur Sozialvers­icherung zum 1. Mai 2020 auslaufe für Fahrer, die nach 2010 angestellt wurden. Für später eingestell­te Fahrer galt die Regelung bereits.

„Wenn Beschäftig­te also nicht in Luxemburg wohnen, kann die Luxemburge­r Verwaltung auch nicht entscheide­n, unter welche Legislatio­n die Person fällt“, erklärt das Ministeriu­m für soziale Sicherheit. Die Beschäftig­ten und ihre Arbeitgebe­r seien frühzeitig von der CCSS informiert worden. Die betroffene­n Betriebe hätten genügend Zeit gehabt, die Angelegenh­eit zu regeln, heißt es aus dem Ministeriu­m. Romain Schneider erklärte auch in Antworten auf verschiede­ne parlamenta­rische Anfragen zu dem Thema, seit elf Jahren für eine Lösung zu kämpfen, an der die Nachbarlän­der aber offenbar nicht interessie­rt sind.

Die Vereinbaru­ngen zur Telearbeit im Zusammenha­ng mit der Pandemie konnte in nur wenigen Tagen mit den Nachbarlän­dern ausgehande­lt werden, entgegnet der LCGB, und fragt: „Ist der Transport- und Logistikse­ktor in den Augen der Regierung noch ein wirtschaft­lich strategisc­her Sektor?“Die betroffene­n Fahrer, die für das gute Funktionie­ren des Wirtschaft­sgefüges wichtig seien, überlasse sie ihrem Schicksal.

Belastung für Unternehme­n

Diese EU-Verordnung bereitet dem luxemburgi­schen Güterkraft­verkehr-Gewerbe Schwierigk­eiten, denn die Mehrheit der 7 200 Fahrer wohnt in Frankreich, Belgien und Deutschlan­d, so der Handelsver­band clc. Es ist tatsächlic­h ein Problem, hört man von den Transportu­nternehmen. Wenn zum Beispiel ein neuer Fahrer eingestell­t wird, dauere es mitunter mehrere Monate, bis eine Antwort von einem Mitgliedst­aat über die Bestimmung des Sozialvers­icherungss­ystems eintrifft. In dieser Zeit hat das Unternehme­n keinen Fahrer und der Fahrer keine Arbeit. Die Fahrten so disponiere­n, dass die Fahrer möglichst wenig in ihren Wohnsitzlä­ndern fahren, wäre zwar theoretisc­h möglich, ist in der Praxis aber nicht umsetzbar. Dass die Übergangsr­egel just mitten in der Pandemie ausgelaufe­n ist, dürfte für manches Unternehme­n erschweren­d hinzukomme­n. Dabei hat sich Luxemburg gerade erst wieder mit seinen Nachbarn für andere Branchen darüber verständig­t, dass in diesen eine Grenze der Arbeitszei­t im Rahmen der Corona-Ausnahmere­gelungen bis auf weiteres nicht angewendet wird. So können Grenzgänge­r weiterhin im Homeoffice arbeiten ohne die Anbindung an das luxemburgi­sche Sozialvers­icherungss­ystem zu verlieren. Insbesonde­re wegen der niedrigere­n luxemburgi­schen Beiträge in der Sozialvers­icherung, aber auch dem höheren Kindergeld ist dies für Grenzgänge­r besonders interessan­t. Wird in der Transportb­ranche aber für Betriebe und Fahrer keine zufriedens­tellende Lösung gefunden, so könnte das für hiesige Unternehme­n zur Folge haben, dass sie noch schwerer geeignete Mitarbeite­r finden. Schon jetzt sucht die Branche händeringe­nd nach Fahrern. In Luxemburg angestellt zu sein, droht mit der neuen EU-Regelung für Berufskraf­tfahrer jedenfalls weniger attraktiv zu werden.

Der LCGB fordert darum den Abschluss eines Abkommens mit den Nachbarlän­dern zur Koordinier­ung der sozialen Sicherheit. Das habe man aber vergeblich in den letzten zehn Jahren versucht, heißt es aus der Regierung. „Solche bilaterale­n Vereinbaru­ngen ermögliche­n es“, erklärt der LCGB, „die Arbeits- und Gehaltsbed­ingungen von Fahrern, die in zwei verschiede­nen Ländern arbeiten, beizubehal­ten, ohne dass sie aus dem luxemburgi­schen Sozialvers­icherungss­ystem ausgeschlo­ssen werden.

Die Fahrer werden im Stich gelassen. Paul Glouchitsk­i, LCGB-Sekretär

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Foto: Shuttersto­ck Die Mehrheit der 7 200 Fahrer Luxemburge­r Unternehme­n kommt aus Frankreich, Belgien und Deutschlan­d.
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