Die Sternchen-Frage
Liebe Leser ... oder Leserinnen und Leser? Wir hätten auch noch die Leser*innen, die Leser:innen oder auch die Leser_innen. Derzeit ist es für Print- und Online-Medien und selbst Radio- und Fernsehsender gar nicht so einfach, sich geschlechterkonform an ihr Publikum zu wenden. Denn: Dieses setzt sich nicht nur aus Männern zusammen – und will daher auch nicht ausschließlich in maskuliner Form angesprochen werden. Frauen wollen als Frauen benannt werden. Die Zeiten der Unterdrückung, auch in sprachlicher Hinsicht, sind passé. Gleiches gilt natürlich auch für Transpersonen und nicht-binäre Menschen, also solche, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen. Sie sollten im Zuge der Diskussion nicht außen vor gelassen werden.
Das generische Maskulinum (wenn etwa der Begriff „Schüler“auch gleichzeitig die „Schülerinnen“beinhaltet, selbst dann, wenn diese die Mehrheit bilden) entspricht längst nicht mehr dem Zeitgeist ... auch wenn es den Beruf des Journalisten beziehungsweise der Journalistin oder die Behördensprache um einiges erleichtert. Eine Umstellung auf eine andere Schreibweise ist kinderleicht, wie jüngere Generationen beweisen. Auch das Gendersternchen lässt sich problemlos in den Alltag einbinden, für den Anfang etwa in eine E-Mail oder WhatsAppNachricht.
Eine praktikable und offizielle Lösung für geschlechtergerechte Sprache zu finden, ist jedoch gar nicht so einfach.
Und die Fronten sind verhärtet: Die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) etwa lehnt die Sternchen-Lösung ab – denn sie sei „weder mit der deutschen Grammatik noch mit den Regeln der Rechtschreibung konform“. Schön und gut, aber Sprache befindet sich in stetigem Wandel. Selbst der „Deppenapostroph“(Genitivbildung mit Apostroph) hat es dadurch in den „Duden“geschafft.
Die Redaktion der Sprachbibel hält sich dagegen recht bedeckt. „Es gibt ganz viele Möglichkeiten, geschlechtergerecht zu formulieren“, sagt zum Beispiel Chefredakteurin Kathrin Kunkel-Razum. Festlegen will man sich leider nicht. Ein Grund könnte die große Kritik sein, die dem „Duden“bei jeder Änderung entgegenschlägt. Jüngst etwa bei der gesonderten Definition weiblicher Nomenformen in der Onlineausgabe – kaum zu glauben, aber wahr.
Die vielen Möglichkeiten, die der „Duden“für machbar hält oder die von Medien genutzt werden, überfordern leider große Teile der Leser- und Hörerschaft. Hier ein Sternchen, dort ein Doppelpunkt und in der gesprochenen Sprache eine kleine Pause vor dem „innen“. Aufklärung lautet die Devise, damit allen klar wird, was gemeint ist – und warum gendergerechte Sprache ein absolutes Muss ist.
Was fehlt, ist eine gemeinsame Leitlinie. Die Gesellschaft für deutsche Sprache, die „Duden“-Redaktion, Sprachforscherinnen und -forscher sowie Gleichstellungsbeauftragte sollten gemeinsam an einer Lösung feilen, die für alle Gruppen gerecht und verständlich ist, die dem Zeitgeist entspricht, die aber auch noch in Jahren Bestand haben wird. Dann können auch die Medien diese einheitlich übernehmen. Wahrlich: Keine einfache Aufgabe, aber die Menschheit hat schon größere Hürden gemeistert.
Das generische Maskulinum entspricht längst nicht mehr dem Zeitgeist.
Kontakt: michael.juchmes@wort.lu