Luxemburger Wort

Die Sternchen-Frage

- Von Michael Juchmes

Liebe Leser ... oder Leserinnen und Leser? Wir hätten auch noch die Leser*innen, die Leser:innen oder auch die Leser_innen. Derzeit ist es für Print- und Online-Medien und selbst Radio- und Fernsehsen­der gar nicht so einfach, sich geschlecht­erkonform an ihr Publikum zu wenden. Denn: Dieses setzt sich nicht nur aus Männern zusammen – und will daher auch nicht ausschließ­lich in maskuliner Form angesproch­en werden. Frauen wollen als Frauen benannt werden. Die Zeiten der Unterdrück­ung, auch in sprachlich­er Hinsicht, sind passé. Gleiches gilt natürlich auch für Transperso­nen und nicht-binäre Menschen, also solche, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen. Sie sollten im Zuge der Diskussion nicht außen vor gelassen werden.

Das generische Maskulinum (wenn etwa der Begriff „Schüler“auch gleichzeit­ig die „Schülerinn­en“beinhaltet, selbst dann, wenn diese die Mehrheit bilden) entspricht längst nicht mehr dem Zeitgeist ... auch wenn es den Beruf des Journalist­en beziehungs­weise der Journalist­in oder die Behördensp­rache um einiges erleichter­t. Eine Umstellung auf eine andere Schreibwei­se ist kinderleic­ht, wie jüngere Generation­en beweisen. Auch das Genderster­nchen lässt sich problemlos in den Alltag einbinden, für den Anfang etwa in eine E-Mail oder WhatsAppNa­chricht.

Eine praktikabl­e und offizielle Lösung für geschlecht­ergerechte Sprache zu finden, ist jedoch gar nicht so einfach.

Und die Fronten sind verhärtet: Die Gesellscha­ft für deutsche Sprache (GfdS) etwa lehnt die Sternchen-Lösung ab – denn sie sei „weder mit der deutschen Grammatik noch mit den Regeln der Rechtschre­ibung konform“. Schön und gut, aber Sprache befindet sich in stetigem Wandel. Selbst der „Deppenapos­troph“(Genitivbil­dung mit Apostroph) hat es dadurch in den „Duden“geschafft.

Die Redaktion der Sprachbibe­l hält sich dagegen recht bedeckt. „Es gibt ganz viele Möglichkei­ten, geschlecht­ergerecht zu formuliere­n“, sagt zum Beispiel Chefredakt­eurin Kathrin Kunkel-Razum. Festlegen will man sich leider nicht. Ein Grund könnte die große Kritik sein, die dem „Duden“bei jeder Änderung entgegensc­hlägt. Jüngst etwa bei der gesonderte­n Definition weiblicher Nomenforme­n in der Onlineausg­abe – kaum zu glauben, aber wahr.

Die vielen Möglichkei­ten, die der „Duden“für machbar hält oder die von Medien genutzt werden, überforder­n leider große Teile der Leser- und Hörerschaf­t. Hier ein Sternchen, dort ein Doppelpunk­t und in der gesprochen­en Sprache eine kleine Pause vor dem „innen“. Aufklärung lautet die Devise, damit allen klar wird, was gemeint ist – und warum gendergere­chte Sprache ein absolutes Muss ist.

Was fehlt, ist eine gemeinsame Leitlinie. Die Gesellscha­ft für deutsche Sprache, die „Duden“-Redaktion, Sprachfors­cherinnen und -forscher sowie Gleichstel­lungsbeauf­tragte sollten gemeinsam an einer Lösung feilen, die für alle Gruppen gerecht und verständli­ch ist, die dem Zeitgeist entspricht, die aber auch noch in Jahren Bestand haben wird. Dann können auch die Medien diese einheitlic­h übernehmen. Wahrlich: Keine einfache Aufgabe, aber die Menschheit hat schon größere Hürden gemeistert.

Das generische Maskulinum entspricht längst nicht mehr dem Zeitgeist.

Kontakt: michael.juchmes@wort.lu

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