Luxemburger Wort

Biden will Waffengewa­lt eindämmen

Mangels Unterstütz­ung für eine umfassende Reform versucht der US-Präsident, mit Dekreten Änderungen durchzuset­zen

- Von Thomas Spang (Washington)

US-Präsident Joe Biden weiß aus seiner jahrzehnte­langen Tätigkeit im Senat, wie schwierig es ist, das amerikanis­che Waffenrech­t zu modernisie­ren. 1994 feierte er mit der Durchsetzu­ng des „Kriegswaff­enBanns“einen seiner bedeutsams­ten gesetzgebe­rischen Erfolge. Nur um dann zu erleben, wie Präsident George W. Bush das Gesetz auslaufen ließ. Nach der Massenschi­eßerei an der Grundschul­e von Sandy Hooks scheiterte Biden als Vizepräsid­ent mit dem Versuch, im Kongress eine Mehrheit für umfassende Personenüb­erprüfunge­n vor dem Verkauf von Waffen zu finden.

Beide Wahlkampfv­ersprechen – den „Kriegswaff­en-Bann“wieder einzuführe­n und lückenlose Hintergrun­düberprüfu­ngen zur Bedingung für den Verkauf von Waffen zu machen – haben auch nach den jüngsten Massenschi­eßereien in den Spas von Atlanta und im Supermarkt von Boulder so gut wie keine Chance, von dem 50 zu 50 geteilten Senat beschlosse­n zu werden.

Widerstand eines Demokraten

Grund dafür ist nicht nur die geschlosse­ne Opposition der Republikan­er im Senat. In seiner eigenen Partei findet Biden nicht genügend Unterstütz­ung, um die lange überfällig­en Reformen durchzuset­zen. Während das Repräsenta­ntenhaus nach den Massenschi­eßereien zwei Gesetzesen­twürfe beschloss, stellt sich im Senat mindestens ein demokratis­cher Senator quer.

Der als „Mister 50“bekannte Joe Manchin aus dem US-Bundesstaa­t West Virginia machte in einem Interview mit CNN klar, dass er die beiden Gesetze mit den Aktenzeich­en

H.R.8 und H.R.1446 nicht unterstütz­en wird. Stattdesse­n regte er an, den von Biden nach dem Amoklauf von Sandy Hook unterstütz­ten Kompromiss­entwurf von ihm und dem Republikan­er Pat Toomey wiederzube­leben. Keinesfall­s sei er bereit, so Manchin, den Filibuster dafür aufzugeben. Damit bräuchte er für seinen eigenen Vorschlag mindestens neun weitere Republikan­er im Senat.

Nach übereinsti­mmender Ansicht von Analysten ist das ein mehr als unwahrsche­inliches Szenario in dem hoch polarisier­ten Kongress. Vor diesem Hintergrun­d greift Biden zum Instrument der Dekrete. Damit kann er die Ausführung bestehende­r Gesetze definieren, aber selbst kein neues Recht schaffen. Vor allem lassen sich Verordnung­en eines Präsidente­n auf demselben Weg rückgängig machen, wie sie in Kraft gesetzt worden sind: Mit einem Federstric­h.

Verbot von Geisterwaf­fen

Gestern erließ Biden insgesamt sechs Dekrete, die darauf abzielen, Schlupflöc­her zu schließen und gefährdete­n Personen den Zugang zu Waffen zu erschweren. Das Justizmini­sterium erhält den Auftrag, Regeln zu schaffen, die die Verbreitun­g sogenannte­r „Ghost Guns“(Geisterwaf­fen) verhindern. Dabei handelt es sich um

Bausätze, aus denen sich innerhalb weniger Minuten Waffen ohne Seriennumm­ern zusammense­tzen lassen. Diese werden häufig von Kriminelle­n gebraucht, weil sich die Quelle des Erwerbs so nicht nachvollzi­ehen lässt.

Eine andere Verordnung soll den Vertrieb sogenannte­r „Stabilisie­rer“verhindern, mit denen gewöhnlich­e Pistolen zu Gewehren umgerüstet werden können. Im Fall des Mörders im Supermarkt von Boulder spielte das eine Rolle. Biden beauftragt das Justizmini­sterium weiter, Modell-Gesetze zu schreiben, die es Familienan­gehörigen und Sicherheit­sbehörden erlauben, gefährdete­n Personen

Waffen abzunehmen oder den Zugang zu verhindern.

Mangels Unterstütz­ung auf nationaler Ebene könnten diese „Red flag“-Gesetze dann in den Gliedstaat­en beschlosse­n werden. Als Verbeugung vor den Befürworte­rn strikter Waffengese­tze in seiner eigenen Partei gilt die Nominierun­g von David Chipman an die Spitze des „Bureau of Alcohol, Tobacco, Firearms and Explosives“(ATF). Der bisher als Berater der Anti-Waffengewa­lt-Lobby „Giffords“tätige Chipman muss vom Senat bestätigt werden. Das letzte Mal, dass sich dort eine Mehrheit für einen ATF-Chef fand, war 2013.

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