Biden will Waffengewalt eindämmen
Mangels Unterstützung für eine umfassende Reform versucht der US-Präsident, mit Dekreten Änderungen durchzusetzen
US-Präsident Joe Biden weiß aus seiner jahrzehntelangen Tätigkeit im Senat, wie schwierig es ist, das amerikanische Waffenrecht zu modernisieren. 1994 feierte er mit der Durchsetzung des „KriegswaffenBanns“einen seiner bedeutsamsten gesetzgeberischen Erfolge. Nur um dann zu erleben, wie Präsident George W. Bush das Gesetz auslaufen ließ. Nach der Massenschießerei an der Grundschule von Sandy Hooks scheiterte Biden als Vizepräsident mit dem Versuch, im Kongress eine Mehrheit für umfassende Personenüberprüfungen vor dem Verkauf von Waffen zu finden.
Beide Wahlkampfversprechen – den „Kriegswaffen-Bann“wieder einzuführen und lückenlose Hintergrundüberprüfungen zur Bedingung für den Verkauf von Waffen zu machen – haben auch nach den jüngsten Massenschießereien in den Spas von Atlanta und im Supermarkt von Boulder so gut wie keine Chance, von dem 50 zu 50 geteilten Senat beschlossen zu werden.
Widerstand eines Demokraten
Grund dafür ist nicht nur die geschlossene Opposition der Republikaner im Senat. In seiner eigenen Partei findet Biden nicht genügend Unterstützung, um die lange überfälligen Reformen durchzusetzen. Während das Repräsentantenhaus nach den Massenschießereien zwei Gesetzesentwürfe beschloss, stellt sich im Senat mindestens ein demokratischer Senator quer.
Der als „Mister 50“bekannte Joe Manchin aus dem US-Bundesstaat West Virginia machte in einem Interview mit CNN klar, dass er die beiden Gesetze mit den Aktenzeichen
H.R.8 und H.R.1446 nicht unterstützen wird. Stattdessen regte er an, den von Biden nach dem Amoklauf von Sandy Hook unterstützten Kompromissentwurf von ihm und dem Republikaner Pat Toomey wiederzubeleben. Keinesfalls sei er bereit, so Manchin, den Filibuster dafür aufzugeben. Damit bräuchte er für seinen eigenen Vorschlag mindestens neun weitere Republikaner im Senat.
Nach übereinstimmender Ansicht von Analysten ist das ein mehr als unwahrscheinliches Szenario in dem hoch polarisierten Kongress. Vor diesem Hintergrund greift Biden zum Instrument der Dekrete. Damit kann er die Ausführung bestehender Gesetze definieren, aber selbst kein neues Recht schaffen. Vor allem lassen sich Verordnungen eines Präsidenten auf demselben Weg rückgängig machen, wie sie in Kraft gesetzt worden sind: Mit einem Federstrich.
Verbot von Geisterwaffen
Gestern erließ Biden insgesamt sechs Dekrete, die darauf abzielen, Schlupflöcher zu schließen und gefährdeten Personen den Zugang zu Waffen zu erschweren. Das Justizministerium erhält den Auftrag, Regeln zu schaffen, die die Verbreitung sogenannter „Ghost Guns“(Geisterwaffen) verhindern. Dabei handelt es sich um
Bausätze, aus denen sich innerhalb weniger Minuten Waffen ohne Seriennummern zusammensetzen lassen. Diese werden häufig von Kriminellen gebraucht, weil sich die Quelle des Erwerbs so nicht nachvollziehen lässt.
Eine andere Verordnung soll den Vertrieb sogenannter „Stabilisierer“verhindern, mit denen gewöhnliche Pistolen zu Gewehren umgerüstet werden können. Im Fall des Mörders im Supermarkt von Boulder spielte das eine Rolle. Biden beauftragt das Justizministerium weiter, Modell-Gesetze zu schreiben, die es Familienangehörigen und Sicherheitsbehörden erlauben, gefährdeten Personen
Waffen abzunehmen oder den Zugang zu verhindern.
Mangels Unterstützung auf nationaler Ebene könnten diese „Red flag“-Gesetze dann in den Gliedstaaten beschlossen werden. Als Verbeugung vor den Befürwortern strikter Waffengesetze in seiner eigenen Partei gilt die Nominierung von David Chipman an die Spitze des „Bureau of Alcohol, Tobacco, Firearms and Explosives“(ATF). Der bisher als Berater der Anti-Waffengewalt-Lobby „Giffords“tätige Chipman muss vom Senat bestätigt werden. Das letzte Mal, dass sich dort eine Mehrheit für einen ATF-Chef fand, war 2013.