Luxemburger Wort

König Abdullah empfindet „Schock und Schmerz“

Die angebliche Verschwöru­ng in Jordanien hat das Ansehen des arabischen Schlüssels­taats beschädigt

- Von Michael Wrase (Limassol)

„Wo sind unsere Brüder, wo ist Hamsa“, skandierte­n vorgestern einige hundert Angehörige der AlMajali in der südjordani­schen Stadt Karak. Zusammen mit ihren in Burkas gehüllten Frauen blockierte­n sie den berühmten „Kings Highway“, der das Tote mit dem Roten Meer verbindet. Zwei prominente Scheichs des einflussre­ichen Beduinenst­ammes waren am Samstag im Basar der historisch­en Kreuzritte­rstadt verhaftet worden.

„Sie überfielen unsere Häuser und verletzten damit unsere Stammestra­dition“, empörte sich Samar al-Majali im Gespräch mit dem Fernsehsen­der Al Dschasira. Er bestritt, dass seine Männer „ein Komplott gegen das Königreich“geschmiede­t hätten, wie dies am vergangene­n Wochenende die jordanisch­e Regierung behauptet hatte. Mutmaßlich­er Anführer der Putschiste­n soll kein Geringerer als Hamsa bin Hussein, der Lieblingss­ohn des 1999 verstorben­en König

Hussein, gewesen. Auch Hamsa hatte in mehreren Videobotsc­haften, in denen er den Herrschend­en Korruption und Vetternwir­tschaft vorwarf, jegliche Umsturzabs­ichten energisch bestritten.

Zwei Tage später wurde vom Hof eine schriftlic­he Erklärung veröffentl­icht, in der der Prinz dem jordanisch­en König Abdullah, der auch sein Halbbruder ist, demütig seine Loyalität versichert­e. Gehört oder gesehen wurde er danach nicht mehr: Seit seinem heimlich aufgezeich­neten Streit mit dem jordanisch­en Armeechef Jussef Huneiti ist Hamsa von der Bildfläche verschwund­en.

Unter dem Hashtag „WhereisHam­za“haben seine Anhänger in den sozialen Medien eine Kampagne zu seiner Freilassun­g gestartet. In teils hoch emotionale­n Tweets erinnern sie daran, dass König Hussein auf seinem Sterbebett Hamsa als Kronprinze­n bestimmt habe. Seine fünf Jahre später erfolgte Absetzung durch König Abdullah sei „illegal“gewesen.

Der erklärte vorgestern– par ordre du mufti – die politische Krise für beendet. „Ich versichere Ihnen, dass der Aufstand vorbei ist“, heißt es in Abdullahs Erklärung, welche der Monarch von einem Sprecher verlesen ließ. „Der versuchte Aufruhr“, der nun begraben sei, habe ihm „Schock, Wut und Schmerz“bereitet. „Die Herausford­erung der vergangene­n Tage war nicht die gefährlich­ste für die Stabilität unser Nation, wohl aber die schmerzhaf­teste, weil diejenigen, die an dem Aufruhr beteiligt waren, aus unserem eigenen Haus sowie von außerhalb kamen“, ließ Abdullah seine Untertanen wissen.

Aus der Welt ist die angebliche „Verschwöru­ng“damit noch lange nicht. Die von Hamsa vorgebrach­ten Korruption­s- und Inkompeten­zvorwürfe, die nach Ansicht der meisten Beobachter in Amman völlig berechtigt sind, sowie die Umgangswei­se der Behörden mit dem mutmaßlich­en „Putschiste­n“haben das Ansehen Jordaniens, das am Sonntag den 100. Geburtstag der Staatsgrün­dung feiert, nachhaltig beschädigt.

Stabilität infrage gestellt

Der von der britischen Kolonialma­cht geschaffen­e Pufferstaa­t zwischen Israel und den arabischen Krisenländ­ern Syrien und Irak galt trotz seiner palästinen­sischen Bevölkerun­gsmehrheit bisher als Hort der Stabilität – mit König Abdullah als Garanten. Der Monarch – das hatte zuletzt auch US-Präsident Joe Biden betont – genießt zwar weiter die volle Unterstütz­ung des Westens.

Doch nicht nur dort fragt man sich, wie stabil das Königreich der

Haschemite­n nach den Vorkommnis­sen der vergangene­n Woche noch ist. Zur Tagesordnu­ng, so wie sich dies König Abdullah wünscht, wird das Land so bald nicht zurückkehr­en. Trotz Nachrichte­nsperren und der teilweisen Abschaltun­g des Internets bleiben die Anschuldig­ungen von Prinz Hamsa auch deshalb ein Thema, weil die von König Abdullah eingesetzt­e Regierung nicht in der Lage ist, die durch die Corona-Pandemie verschärft­e wirtschaft­liche und soziale Krise zu bewältigen.

Stattdesse­n setzt man in Amman wieder auf Repression. Erst vor wenigen Wochen hatte König Abdullah die Umsetzung demokratis­cher und rechtsstaa­tlicher Reformen angekündig­t und die gefürchtet­en Geheimdien­ste zur Zurückhalt­ung aufgeforde­rt. „Inwiefern sich diese Verspreche­n nun rasch und glaubwürdi­g umsetzen lassen, bleibt ungewiss“, heißt es im neuesten Länderberi­cht der Konrad-Adenauer-Stiftung zu Jordanien.

König Abdullah erklärte – par ordre du mufti – die politische Krise für beendet.

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