König Abdullah empfindet „Schock und Schmerz“
Die angebliche Verschwörung in Jordanien hat das Ansehen des arabischen Schlüsselstaats beschädigt
„Wo sind unsere Brüder, wo ist Hamsa“, skandierten vorgestern einige hundert Angehörige der AlMajali in der südjordanischen Stadt Karak. Zusammen mit ihren in Burkas gehüllten Frauen blockierten sie den berühmten „Kings Highway“, der das Tote mit dem Roten Meer verbindet. Zwei prominente Scheichs des einflussreichen Beduinenstammes waren am Samstag im Basar der historischen Kreuzritterstadt verhaftet worden.
„Sie überfielen unsere Häuser und verletzten damit unsere Stammestradition“, empörte sich Samar al-Majali im Gespräch mit dem Fernsehsender Al Dschasira. Er bestritt, dass seine Männer „ein Komplott gegen das Königreich“geschmiedet hätten, wie dies am vergangenen Wochenende die jordanische Regierung behauptet hatte. Mutmaßlicher Anführer der Putschisten soll kein Geringerer als Hamsa bin Hussein, der Lieblingssohn des 1999 verstorbenen König
Hussein, gewesen. Auch Hamsa hatte in mehreren Videobotschaften, in denen er den Herrschenden Korruption und Vetternwirtschaft vorwarf, jegliche Umsturzabsichten energisch bestritten.
Zwei Tage später wurde vom Hof eine schriftliche Erklärung veröffentlicht, in der der Prinz dem jordanischen König Abdullah, der auch sein Halbbruder ist, demütig seine Loyalität versicherte. Gehört oder gesehen wurde er danach nicht mehr: Seit seinem heimlich aufgezeichneten Streit mit dem jordanischen Armeechef Jussef Huneiti ist Hamsa von der Bildfläche verschwunden.
Unter dem Hashtag „WhereisHamza“haben seine Anhänger in den sozialen Medien eine Kampagne zu seiner Freilassung gestartet. In teils hoch emotionalen Tweets erinnern sie daran, dass König Hussein auf seinem Sterbebett Hamsa als Kronprinzen bestimmt habe. Seine fünf Jahre später erfolgte Absetzung durch König Abdullah sei „illegal“gewesen.
Der erklärte vorgestern– par ordre du mufti – die politische Krise für beendet. „Ich versichere Ihnen, dass der Aufstand vorbei ist“, heißt es in Abdullahs Erklärung, welche der Monarch von einem Sprecher verlesen ließ. „Der versuchte Aufruhr“, der nun begraben sei, habe ihm „Schock, Wut und Schmerz“bereitet. „Die Herausforderung der vergangenen Tage war nicht die gefährlichste für die Stabilität unser Nation, wohl aber die schmerzhafteste, weil diejenigen, die an dem Aufruhr beteiligt waren, aus unserem eigenen Haus sowie von außerhalb kamen“, ließ Abdullah seine Untertanen wissen.
Aus der Welt ist die angebliche „Verschwörung“damit noch lange nicht. Die von Hamsa vorgebrachten Korruptions- und Inkompetenzvorwürfe, die nach Ansicht der meisten Beobachter in Amman völlig berechtigt sind, sowie die Umgangsweise der Behörden mit dem mutmaßlichen „Putschisten“haben das Ansehen Jordaniens, das am Sonntag den 100. Geburtstag der Staatsgründung feiert, nachhaltig beschädigt.
Stabilität infrage gestellt
Der von der britischen Kolonialmacht geschaffene Pufferstaat zwischen Israel und den arabischen Krisenländern Syrien und Irak galt trotz seiner palästinensischen Bevölkerungsmehrheit bisher als Hort der Stabilität – mit König Abdullah als Garanten. Der Monarch – das hatte zuletzt auch US-Präsident Joe Biden betont – genießt zwar weiter die volle Unterstützung des Westens.
Doch nicht nur dort fragt man sich, wie stabil das Königreich der
Haschemiten nach den Vorkommnissen der vergangenen Woche noch ist. Zur Tagesordnung, so wie sich dies König Abdullah wünscht, wird das Land so bald nicht zurückkehren. Trotz Nachrichtensperren und der teilweisen Abschaltung des Internets bleiben die Anschuldigungen von Prinz Hamsa auch deshalb ein Thema, weil die von König Abdullah eingesetzte Regierung nicht in der Lage ist, die durch die Corona-Pandemie verschärfte wirtschaftliche und soziale Krise zu bewältigen.
Stattdessen setzt man in Amman wieder auf Repression. Erst vor wenigen Wochen hatte König Abdullah die Umsetzung demokratischer und rechtsstaatlicher Reformen angekündigt und die gefürchteten Geheimdienste zur Zurückhaltung aufgefordert. „Inwiefern sich diese Versprechen nun rasch und glaubwürdig umsetzen lassen, bleibt ungewiss“, heißt es im neuesten Länderbericht der Konrad-Adenauer-Stiftung zu Jordanien.
König Abdullah erklärte – par ordre du mufti – die politische Krise für beendet.